VwGH: Hälftesteuersatz nur bei Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils
Tax News 03-04/2023
Bilanz- und Konzernsteuerrecht
Eine quotale Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist als Veräußerung iSd § 24 EStG zu qualifizieren. Daran hindert auch die Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen nichts, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen weiterhin zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden und damit die Weiterführung des Betriebes ermöglicht wird. Anders als § 24 EStG setzt die Besteuerung mit dem halben Durchschnittssteuersatz nach § 37 Abs 5 EStG hingegen die Veräußerung des gesamten Betriebes und damit bei Mitunternehmern die Veräußerung des gesamten Anteils voraus.
1. Sachverhalt
Im Revisionsfall veräußerte ein Kommanditist einer GmbH & Co KG 75 % seines 100 %igen Kommanditanteils an zwei Erwerber. Die im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Grundstücke wurde nicht mitveräußert und blieben ununterbrochen an die KG vermietet. Anlässlich der Veräußerung legte der Kommanditist, der im Zeitpunkt der Veräußerung älter als 60 Jahre war, seine Geschäftsführungsfunktion zurück. Der Veräußerungsgewinn wurde in der Feststellungserklärung der KG erklärt und in der Einkommensteuererklärung des Kommanditisten wurde die Besteuerung mit dem halben Durchschnittssteuersatz gem § 37 Abs 5 Z 3 EStG beantragt.
Das Finanzamt setzte im Feststellungsbescheid der GmbH & Co KG abweichend von der Erklärung keine Veräußerung eines Mitunternehmeranteils fest, weil das Sonderbetriebsvermögen nicht mitveräußert worden war. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BFG als unbegründet ab. Nach Ansicht des BFG lag keine Mitunternehmeranteilsveräußerung iSd § 24 EStG vor, weil nicht der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert worden war, zu dem auch das Sonderbetriebsvermögen gehöre. Die Revision ließ das BFG mit der Begründung zu, dass eine klare Rechtsprechung zu dieser Thematik fehle und auch die Literaturmeinungen hierzu nicht übereinstimmend seien.
2. VwGH vom 26.01.2023, Ro 2022/15/0006
Der VwGH kam zum Ergebnis, dass ein Veräußerungsgewinn iSd § 24 EStG auch vorliege, wenn nicht der gesamte Mitunternehmeranteil, sondern nur eine Quote veräußert wird: Die Anwendung des § 24 EStG setzte voraus, dass ein in sich organisch geschlossener Kreis von Wirtschaftsgütern übereignet wird, der die wesentliche Grundlage des Betriebes bildet, wenn also ein lebender Betrieb veräußert wird und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, den Betrieb fortzuführen. Gehört eine Liegenschaft zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes und wird sie im Zuge der Veräußerung aller übrigen wesentlichen Grundlagen zurückbehalten, so reicht es aus, wenn dem Erwerber unter Mitwirkung des Veräußerers die Nutzung an der Liegenschaft verschafft wird.
Da der Kommanditist das anteilige Sonderbetriebsvermögen weiterhin an die Gesellschaft vermietete und die Grundstücke damit ununterbrochen notwendiges Betriebsvermögen darstellten, wurde die Weiterführung des Betriebes ermöglicht. Es liege somit eine Veräußerung iSd § 24 EStG vor. Insoweit erachtete der VwGH die Beurteilung des BFG als nicht zutreffend.
Die Anwendbarkeit des § 37 Abs 5 EStG wurde vom VwGH dennoch verneint: Auf Basis einer von § 24 EStG losgelösten Auslegung des § 37 Abs 5 EStG leitete der VwGH aus dem Zweck der Steuersatzermäßigung – einer Begünstigung der zwangsweisen Beendigung der betrieblichen Tätigkeit – ab, dass nicht alle Tatbestände des § 24 Abs 1 EStG, sondern nur die
- Veräußerung des gesamten Betriebes,
- die Betriebsaufgabe und
- die einer Betriebsveräußerung gleichzuhaltende Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
von dieser Bestimmung erfasst seien. Die Gleichstellung von Mitunternehmeranteils- und Betriebsveräußerungen ergäbe sich laut VwGH schon aus dem Verweis auf die Mitunternehmerstellung in § 37 Abs 5 Z 2 EStG, setzte aber auch voraus, dass der gesamte Anteil veräußert wird. Die Veräußerung bloß einer Quote eines Mitunternehmeranteiles erfülle wie die Teilbetriebsveräußerung nicht den Tatbestand des § 37 Abs 5 EStG.
Im Revisionsfall stand dem Kommanditisten damit nur die Geltendmachung des aliquoten Freibetrags gem § 24 Abs 4 EStG zu. Da das BFG zu Unrecht das Vorliegen eines Veräußerungsgewinnes iSd § 24 EStG verneint hatte (und damit auch der Freibetrag nicht zur Anwendung gelangte), war das Erkenntnis aufzuheben.
3. Conclusio
Der VwGH stellte für die Anwendung des Hälftesteuersatzes ausdrücklich die Betriebs- und die Mitunternehmeranteilsveräußerung gleich. Damit sollte für alle Tatbestände des § 37 Abs 5 EStG – auch die todesfallbedingte Veräußerung und Aufgabe – klargestellt sein, dass sie bei Mitunternehmern ebenfalls anwendbar sein können. Mit der Einschränkung auf Veräußerungen des gesamten Betriebes verneint der VwGH jedoch die strittige Frage, ob § 37 Abs 5 Z 1 EStG anwendbar ist, wenn ein Erbe einen Teilbetrieb veräußert und den Restbetrieb fortführt (vgl Fraberger/Papst in Doralt et al, EStG21a § 37 Tz 54/1, 83).
Wie die Teilbetriebsveräußerung ist nach Ansicht des VwGH die Veräußerung einer Quote eines Mitunternehmeranteiles nicht nach § 37 Abs 5 EStG begünstigt. Auch damit wird der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht widersprochen (vgl auch Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 § 37 Rz 22). Wohl aus diesem Grund soll die Voraussetzung der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils nach dem EStR-Wartungserlass 2023 (EStR 2000 Rz 7310) erst für Anteilsveräußerungen ab dem 1. Juli 2023 gelten.
Nicht ausdrücklich Bezug genommen hat der VwGH bei der Abgrenzung des Anwendungsbereiches des § 37 Abs 5 EStG auf das Sonderbetriebsvermögen. Aus der vom VwGH geforderten Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils ist uE nicht abzuleiten, dass auch das gesamte Sonderbetriebsvermögen entgeltlich übertragen werden muss. Wie bei der Betriebsveräußerung sollte eine Entnahme von Wirtschaftsgütern anlässlich der Anteilsübertragung der Anwendung des § 37 Abs 5 EStG nicht entgegenstehen. Damit ist auch eine Gleichbehandlung der praktisch häufig erfolgenden Entnahmen bei Betriebs- und Mitunternehmeranteilsveräußerungen mit Entnahmen bei Betriebsaufgaben gewährleistet.
Wird nur eine Quote eines Mitunternehmeranteils oder ein Teilbetrieb veräußert, kann jedenfalls der anteilige Freibetrag gem § 24 Abs 4 EStG und alternativ, wenn die diesbezügliche Siebenjahresfrist eingehalten wurde, wohl die Dreijahresverteilung nach § 37 Abs 2 EStG, die sich explizit auf Veräußerungsgewinne iSd § 24 EStG bezieht, in Anspruch genommen werden (vgl auch Zorn, RdW 2023, 211).
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