Signing oder Closing? Wann geht wirtschaftliches Eigentum über?

Tax News 03-04/2023

Bilanz- und Konzernsteuerrecht

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Eine häufige Praxisfrage bei M&A-Transaktionen mit Relevanz für diverse Steuerfragen ist der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums. 

Nach der hM ist der wirtschaftliche Eigentümer in der Regel der zivilrechtliche Eigentümer. Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum können jedoch auseinander fallen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind, auszuüben in der Lage ist; wobei diese Beurteilung nach der Judikatur nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu treffen ist.

Im Hinblick auf das wirtschaftliche Eigentum an Gesellschaftsanteilen sind nach der Rechtsprechung insbesondere die folgenden Kriterien entscheidend:

  • Recht zur Ausübung des Stimmrechts
  • Gewinnbezugsrecht
  • Chance der Wertsteigerung und Risiko der Wertminderung
  • Möglichkeit zur Verwertung durch Veräußerung/Verpfändung

Im M&A-Bereich werden in der Praxis gelegentlich Instrumente (wie zB Termingeschäfte, einfache oder manchmal auch gekreuzte Put-/Call-Optionen, Vorkaufsrechte etc) eingesetzt, um den gewünschten Grad der Bindung der Vertragspartner herzustellen und gegebenenfalls auch den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums zu steuern bzw zu beeinflussen. Sehr häufig erfolgen abseits dieser Instrumente Erwerbe unter aufschiebenden Bedingungen, weil bestimmte Vorbedingungen (wie zB eine kartellrechtliche Genehmigung) für die Durchführung erfüllt sein müssen. Üblicherweise arbeiten die Parteien dann zwischen dem Signing (dh der Unterschrift des „Share Purchase Agreements“; SPA) und dem Closing (der zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums) an der Erfüllung dieser Bedingungen bzw kommt es nach Eintritt aller Bedingungen zum Closing.

In der Praxis ist somit fraglich, ob der Erwerber bereits mit dem Signing eine eigentümerähnliche Stellung erlangt. Generell wird in der hL zumeist argumentiert, dass für den Erwerb einer Beteiligung das Closing (Verfügungsgeschäft) maßgeblich ist, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Erwerber auch die faktische Verfügungsmöglichkeit über die Beteiligung erlangt. Diese Auffassung dürfte auch die Finanzverwaltung teilen (vgl zB KStR 2013 Rz 1139 zur kartellrechtlichen Genehmigung).

Auch das BFG (BFG 30.12.2022, RV/3100465/2012) beschäftigte sich jüngst mit einem derartigen Fall und kam nach Prüfung des SPA zum Schluss, dass der Käuferin nicht bereits mit Vertragsabschluss eine eigentümerähnliche Stellung erlangte und daher erst mit Closing das wirtschaftliche Eigentum überging.

In der Praxis mag in bestimmten Fällen zB wenn die Erfüllung der Bedingungen faktisch sicher ist oder bei deckungsgleichen Put-/Call-Optionen auch bereits vor Closing das wirtschaftliche Eigentum übergehen; im Regelfall ist dies aber erst mit dem Closing der Fall. Für die Beurteilung allfälliger Zweifelsfälle und weiterführende Fragen steht Ihnen Ihr KPMG-Berater gerne zur Verfügung. 

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