Die Versagung des Vorsteuerabzuges in Betrugsfällen
Tax News 03-04/2023
Umsatzsteuer
Am 24. November 2022 wurde das EuGH Urteil zu der Rechtssache Finanzamt M (C-596/21) veröffentlicht. Der EuGH musste sich in dieser Rechtssache mit der Frage befassen, wie weit die Versagung des Vorsteuerabzuges bei einem Umsatzsteuerbetrug reichen kann. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges nicht auf den Betrag limitiert ist, der zu einem tatsächlichen Steuerschaden geführt hat und auch nicht relevant ist, ob der Erstverkäufer in einer Umsatzsteuerkette von dem Vorliegen des Betrugs wusste oder hätte wissen müssen.
A erwarb von C, der sich jedoch als W ausgab, einen Gebrauchtwagen für sein Unternehmen. W wusste, dass sich C für ihn ausgab und war damit einverstanden. Es wurden für den Verkauf des Gebrauchtwagens folgende Rechnungen ausgestellt: C stellte an W eine Rechnung über die Lieferung des Wagens für EUR 52.100,84 zuzüglich Umsatzsteuer iHv EUR 9.899,16 aus. W stellte sodann eine Rechnung über die Lieferung des Wagens für EUR 64.705,88 zuzüglich Umsatzsteuer iHv EUR 12.294,12 aus. A erhielt die Rechnung von C, der sich als W ausgab, und zahlte den Bruttobetrag an C. C erklärte in seiner Umsatzsteuererklärung ausschließlich die Umsatzsteuer iHv EUR 9.899,16 und führte diese auch an das zuständige Finanzamt ab, W erklärte den Umsatz gar nicht in seiner Steuerklärung und führte auch keine Steuer ab.
A machte den Vorsteuerabzug für den Erwerb des Wagens iHv EUR 12.294,12 geltend. Dieser Vorsteuerabzug wurde A jedoch von der Steuerverwaltung mit der Begründung versagt, dass er von der von C begangenen Steuerhinterziehung hätte wissen müssen.
In diesem Zusammenhang befragte das Finanzgericht Nürnberg den EuGH, (i) ob das Vorsteuerabzugsrecht gem Art 167 und 168 der MwStSyst-RL im Licht des Grundsatzes des Verbots von Betrug dahin auszulegen sind, dass dem zweiten Erwerber eines Gegenstands (in gegebenen Fall A) der Vorsteuerabzug versagt werden kann, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Erwerb mit einer vom ursprünglichen Verkäufer bei der ersten Veräußerung begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung in Zusammenhang stand, obwohl auch der erste Verkäufer Kenntnis von dieser Hinterziehung hatte.
Der EuGH führte hierzu aus, dass es für die Versagung des Vorsteuerabzuges des zweiten Erwerbers (A) nicht hinderlich ist, wenn der erste Erwerber des Gegenstandes über die vom ersten Verkäufer getätigte Mehrwertsteuerhinterziehung wusste und sie begünstigte. Voraussetzung für die Versagung des Vorsteuerabzuges ist jedoch, dass der zweite Erwerber von der Mehrwertsteuerhinterziehung Kenntnis hatte oder haben musste.
In seiner zweiten Vorlagefrage befragte das Finanzgericht Nürnberg den EuGH, (ii) ob der volle Vorsteuerabzug dem zweiten Erwerber (in gegebenen Fall A) versagt werden darf, oder die Vorsteuer nur in der Höhe versagt werden kann, die auch zu einem Steuerschaden geführt hat. Das Finanzgericht Nürnberg will insoweit vom EuGH wissen, ob der Vorsteuerabzug iHv EUR 12.294,12 oder iHv EUR 2.394,96 (der von A geltend gemachte Vorsteuerabzug iHv EUR 12.294,12 abzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer iHv EUR 9.899,16) versagt werden darf.
Zu dieser zweiten Vorlagefrage führte der EuGH aus, dass es eine implizite materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug ist, dass der Steuerpflichtige Überprüfungen anstellt, um Kenntnis vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung zu erhalten. Erfüllt ein Steuerpflichtiger diese Voraussetzung nicht, muss ihm die Ausübung seines Rechts auf Vorsteuerabzug vollständig versagt werden.
Ausblick
Auch in diesem Urteil hält der EuGH an seiner strengen Auffassung der Versagung des Vorsteuerabzuges von Unternehmern, die wussten oder wissen hätten müssen, dass der bezogene Umsatz in eine Umsatzsteuerhinterziehung verstrickt war, fest. In der Praxis ist die Überprüfung der Lieferanten oder Dienstleistungserbringer durch Unternehmer äußerst wichtig. Unternehmer sollten die Überprüfung ihrer Lieferanten oder Dienstleistungserbringer detailliert aufzeichnen, um gegebenenfalls beweisen zu können, dass sie von der Umsatzsteuerhinterziehung ihrer Lieferanten oder Dienstleistungserbringer nichts wussten und auch nichts hätten wissen müssen.
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