Der starke Anstieg in den Inflationsraten hat sich zu einem ­globalen Phänomen entwickelt. Die Studie „Insights on Inflation”, durchgeführt von KPMG Economics (USA), setzte sich zum Ziel, das derzeitige inflationäre Umfeld zu verstehen. Dabei ­wurden KPMG-Kund:innen und Expert:innen zu ihren Inflationserwartungen befragt. Mehr zu den Ergebnissen lesen Sie in diesem Beitrag.

Zuvor ein Blick nach Österreich und in die EU

Die hohe Energie- und Rohstoffnachfrage, gepaart mit der hohen industriellen Nachfrage nach bereits vorher verknappten Vorleistungsgütern wie Halbleiterprodukten, führten ab Mitte 2021 (und damit bereits deutlich vor Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine) zu Anstiegen der Erzeugerpreise in Österreich. So war im Dezember 2021 ein Anstieg (Jahresfenster) von +16,7 Prozent zu beobachten. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum nur um +2,8 Prozent an.

Das war jedoch kein rein österreichisches Phänomen. In der EU erhöhten sich 2021 die Erzeugerpreise um +20,5 Prozent, die Verbraucherpreise um +2,9 Prozent. Somit war bereits deutlich vor Kriegsbeginn die Basis für spätere Preiserhöhungen gelegt, obgleich dies anfänglich nicht im Fokus der Marktteilnehmer war.

Der Aufschwung nach den Lockdown-Phasen der Corona Pandemie, und die durch die staatlichen Stützungen stabilisierte private und Unternehmens-Nachfrage, führten bereits 2021 zu einem spürbaren Anstieg der Erzeugerpreise. Teilweise sind die Ursachen des Anstiegs persistent und werden auch die weiteren Preisentwicklungen beeinflussen.

Dies zeigt auch der KPMG 2022 CEO Outlook, der weltweit CEOs zu ihrem Drei-Jahres-Ausblick auf die Geschäfts- und Wirtschaftslandschaft befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass zwar die Zuversicht für die nächsten drei Jahre gestiegen ist, die CEOs erwarten aber kurzfristige Herausforderungen. 86 Prozent der CEOs glauben, dass eine Rezession in den nächsten 12 Monaten eintreten wird. 58 Prozent erwarten jedoch eine milde und kurze. 76 Prozent haben bereits Pläne, um damit umzugehen. Als ihre größten zukünftigen Risiken sehen CEOs mit 15 Prozent die Pandemie-Müdigkeit und wirtschaftliche Faktoren (14 Prozent) – einschließlich der Bedrohung steigender Zinssätze und Inflation.

Die hohen Teuerungsraten sind in der Eurozone hauptsächlich das Ergebnis eines symmetrischen angebotsseitigen Schocks durch hohe Energie-, Rohstoff-, und Vorleistungspreise. Da die Inflation – im Vergleich etwa zu den USA – weniger stark ein nachfrageseitiges Problem darstellt, ist die unmittelbare Wirkung der ab Juli seitens der Zentralbank durchgeführten Leitzinserhöhungen begrenzt. Trotzdem ist bis Jahresende, und möglicherweise noch im Frühjahr, mit weiteren Zinsanhebungen zu rechnen – hauptsächlich um eine mögliche Erwartungsspirale nach oben zu vermeiden.

Zur Studie

Die Unternehmen spielen eine führende Rolle bei der Festlegung von Löhnen und Preisen und entscheiden, wie sie den damit zusammenhängenden Druck auf die Gewinnspannen abfedern. Ihre Ansichten über das Fortbestehen des Inflationsdrucks geben Aufschluss über die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Preisdrucks in den kommenden Jahren.

Um neben den Marktinformationen ein besseres Verständnis für die unternehmerischen Erwartungen zu entwickeln, lancierte KPMG Economics die „Insights on Inflation“, eine mehrjährige Umfrage unter KPMG-Kund:innen und anderen Wirtschaftsexpert:innen in den USA, um deren Reaktion auf die derzeitige inflationäre Entwicklung zu erfassen.

Der erste Durchgang der vierteljährlichen Umfrage wurde von 9. August bis 6. September 2022 durchgeführt. Sie konzentriert sich auf Wirtschaftstreibende und liefert einen besseren Indikator für die derzeitige Wirtschaftslage als Befragungen von Verbraucher:innen.

Inflationserwartungen der Wirtschaftstreibenden

Die Inflationserwartungen der Unternehmen werden durch eine Kombination aus Nachfrage, Lohnkosten und Wettbewerbsdruck bestimmt, während die Erwartungen der Verbraucher:innen oft auf die Preise an der Zapfsäule oder im Warenkorb ausgerichtet sind. Diese sind zwar deutlich spürbar, decken aber nicht das gesamte Spektrum des Inflationsdrucks ab. Die Inflationserwartungen der in der KPMG-Umfrage befragten Unternehmen wurden mit den gleichen Erwartungen der Verbraucher:innen aus „Surveys of Consumers“ der University of Michigan verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen sowohl im nächsten Jahr als auch in fünf Jahren eine deutlich höhere Inflation erwarten (Abbildung 1).

Ein besonders großer Unterschied in Erwartungen zeigt sich zwischen CEOs, die den größten Einfluss auf Lohn- und Preisentscheidungen haben, und Verbraucher:innen. CEOs schätzen, dass die Inflation in einem Jahr 7,4 Prozent erreichen und in fünf Jahren auf 4 Prozent sinken wird. Das sind 60 Prozent mehr Inflation als Verbraucher:innen in einem Jahr erwarten und mehr als 40 Prozent in fünf Jahren.

Inflationserwartungen nach Branchen sind in Abbildung 2 ersichtlich. Im Einzelhandel sind sie im nächsten Jahr mit 7 Prozent am höchsten, im verarbeitenden Gewerbe mit 5,6 Prozent am niedrigsten. In fünf Jahren zeigen sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen geringer. Die höchste Inflationsrate erwarten hier die freiberuflichen Unternehmensdienstleistungen mit 5 Prozent. Die Branchen sind nach dem North American Industry Classification System (NAICS) gruppiert, dem von den statistischen Ämtern des Bundes verwendeten Standard.

Die wichtigsten Faktoren, die die Inflationserwartungen der Befragten ­beeinflussen, sind die Verbrauchernachfrage und die Lohnstückkosten. ESG-Initiativen und COVID-19-Unsicherheit rangieren hinsichtlich ihres Einflusses an letzter Stelle. Dies ist überraschend, wenn man bedenkt, dass die Personalknappheit und steigende Kosten aufgrund von COVID-19 Infektionen und deren gesundheitlichen Folgen (Long COVID) zunehmen.

Insights on Inflation

Erwartungen zu Lohnabschlüssen

Insgesamt nehmen Unternehmen an, dass ihre Arbeitskosten pro Person im nächsten Jahr um 6 Prozent steigen werden, was ihren Inflationserwartungen entspricht. Größere Firmen gehen von einem geringeren Anstieg der Arbeitskosten aus als kleinere (Abbildung 3). Die äußerst niedrigen Zinssätze haben hier die Marktmacht der großen, technisch versierten Unternehmen gefestigt, welche die Löhne für die Gesamtwirtschaft festlegen. Unsere eigene Analyse legt nahe, dass sich die Lohnkosten auf fast die Hälfte dieses Tempos verlangsamen müssen, um die Inflation auf das 2 Prozent-Ziel der Federal Reserve zu senken.

Die Befragten aus dem Bereich der freiberuflichen Unternehmensdienstleistungen erwarten für das kommende Jahr den stärksten Anstieg unter den Branchen mit 7 Prozent. Das verarbeitende Gewerbe sowie der Finanz- und Versicherungssektor haben mit rund 5 Prozent die geringsten Erwartungen für den Arbeitskostenanstieg. Die Ergebnisse bei freiberuflichen Unternehmensdienstleistungen deuten darauf hin, dass wir im Dienstleistungssektor eine höhere und anhaltende Inflation erleben könnten.

Überwälzung der Kostensteigerungen

Die Führungsebene plant, 80 Prozent der erhöhten Kosten auf die Preise umzulegen. Im Gegensatz dazu schätzen Befragte, die keinen Einfluss auf wichtige Managemententscheidungen haben, die Überwälzung der Kosten auf 63 Prozent. Mit Blick auf die verschiedenen Branchen ist die Annahme zur Kostenübertragung im verarbeitenden Gewerbe und im Großhandel am höchsten (Abbildung 4). Eine hohe Weitergabequote setzt voraus, dass es keinen großen Druck seitens der Verbraucher:innen gibt. Wenn Unternehmen sich dabei irren, könnten sich die Gewinnspannen deutlich schneller verringern.

Außerdem planen kleine Unternehmen, die erhöhten Preise stärker weiterzugeben als größere. Große Unternehmen haben einen stärkeren Einfluss auf den Wettbewerb und können den Gegenreaktionen der Verbraucher:innen besser entgegnen. Diese Dynamik wird auch von Zentralbanken beobachtet.

Insights on Inflation

Kostensenkungsstrategien

Investitionen in arbeitssparende Technologien wurden von fast 78 Prozent der Befragten als Mittel zur Kostendämpfung genannt). Etwa 68 Prozent der Unternehmen planen, die Personalfluktuation zu verringern, was für ein Abkühlen des Arbeitsmarktes spricht. 53 Prozent der Befragten wollen Mitarbeiter:innen aus kostengünstigeren Regionen einstellen und remotes Arbeiten zulassen, um ihren Talentpool zu erweitern. Die Bandbreite der Maßnahmen zur Kosteneindämmung zeigt, dass sich Unternehmen Sorgen um ihre künftigen Gewinnspannen machen. Diese Sorgen sind bei kleinen Unternehmen ausgeprägter als bei großen.

Fazit

Aufgrund ihres stärkeren Einflusses auf die von ihnen gezahlten Löhne und verlangten Preise gehen Unternehmen – im Vergleich zu Verbraucher:innen – davon aus, dass die Inflation länger anhalten wird. Künftige Erhebungen im Rahmen der KPMG Studie „Insights on Inflation“ werden Aufschluss darüber geben, wie schnell sich diese Erwartungen durch die ­Zinserhöhungen der Federal Reserve verändern und wie Unternehmen mit dem aktuellen Kostendruck in weiterer Folge umgehen. Außerdem können Branchen mit dem stärksten bzw geringsten Margendruck identifiziert werden, um zu erkennen, welche für den Inflationssturm gerüstet sind.