ESG-Risiken: Bedeutung für das Risikomanagementsystem

Mit dem zunehmenden Interesse für Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen sowie den damit zusammenhängenden regulatorischen Entwicklungen (zB Corporate Sustainability Reporting Directive, European Green Deal und Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums) werden Unternehmen immer öfter mit ESG-Risiken konfrontiert.

Die Wesentlichkeitsanalyse wird oft als Kernstück der Nachhaltigkeitsberichterstattung gesehen. Die ausgewählten wesentlichen Themen werden den Bereichen Arbeitnehmerbelange, Bekämpfung von Korruption und Bestechung, Umweltbelange, Sozialbelange, und Achtung der Menschenrechte zugeordnet. Mit der Revision der EU-Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung kommt auch das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit ins Spiel. Jetzt muss neben der klassischen „Outside-In“-Perspektive auch die „Inside-Out“-Perspektive im unternehmerischen Risikomanagement berücksichtigt werden: Unternehmen müssen daher die positiven und negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten nach Außen identifizieren und analysieren. Die jüngste Überarbeitung des Global Reporting Initiative (GRI) Universal Standards betont zudem die Wichtigkeit der laufenden Identifizierung und Bewertung der Auswirkungen auf das Unternehmen. Die Bedeutung der negativen Auswirkungen sollte anhand des Schweregrads und der Wahrscheinlichkeit gemessen werden.

Aufgrund der Komplexität von ESG-Risiken sollten sich Unternehmen möglichst frühzeitig mit der Risikoanalyse und der Integration der ESG-Risiken in das Enterprise Risk Management (ERM) auseinandersetzen. Daraus ergeben sich relevante Chancen als auch Risiken. Unternehmen müssen jetzt genau darauf achten, welche bzw wie sich ESG-Risiken auf Prozesse in der Zukunft negativ auswirken könnten, wie diese das Risikoprofil des Unternehmens verändern und welche Konsequenzen sie für die Risikosteuerung haben.

Verschränkung von TCFD und ERM

Das Pariser Klimaschutzübereinkommen hat die Bedeutung des Klimawandels und die Wichtigkeit der globalen Erwärmung unter zwei Grad zu begrenzen, nochmals hervorgehoben. Um die Fortschritte besser messen und überprüfen zu können, hat die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) Empfehlungen für eine einheitliche transparente Berichterstattung zu Klimarisiken und -chancen veröffentlicht. Mithilfe dieser Empfehlungen sollten Unternehmen Informationen über die Auswirkungen klimawandelbezogener Risiken und Chancen auf das Unternehmen transparent darstellen. Die TCFD sieht hier Szenarioanalysen als wichtiges Instrument vor: Unternehmen können anhand diverser Szenarien (zB kurzfristig, mittelfristig, langfristig) ein besseres Bild von möglichen zukünftigen Entwicklungen bekommen und somit die Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell analysieren. Hierfür können Unternehmen standardisierte Szenarien benutzen, wie beispielsweise die vom Weltklimarat (IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change), Internationale Energieagentur (IEA) oder Network for Greening the Financial System (NGFS, Szenarien für den Finanzsektor).

Es ist davon auszugehen, dass klimabezogene Risiken auch schon bisher Gegenstand der Risikoanalyse waren. Was TCFD spezifisch ist, ist die Tiefe und Breite der Risikoanalyse klimabezogener Risiken und das spezifische Berichtswesen im Umgang mit klimabezogenen Risiken. Im Sinne einer umfassenden Betrachtung aller Risiken und deren Einbezug in die Risikotragfähigkeit des Unternehmens ist diese Entwicklung zu begrüßen. Für die Integration in die bestehenden Risikoinventuren stehen zwei Optionen für die Erfassung von klimabezogenen Risiken zur Verfügung: Diese Risiken können entweder direkt in die bestehende Risikoklassifizierung aufgenommen oder als separate Risikokategorie erfasst werden. In der ersten Option wird die bestehende Struktur erweitert und bereits identifizierte klimabezogene Risiken bleiben bestehen. In der zweiten Option hingegen erfolgt ein gezielter Neuausweis. Egal welche Option gewählt wird, entscheidend ist, dass diese Risiken als klimabezogene Risiken gekennzeichnet werden und in die TCFD-Risikoberichterstattung eingehen. Keinesfalls sollte ein neuer Silo entstehen, der TCFD-Risiken separat identifiziert, bewertet, aggregiert und berichtet. Wie für alle anderen Risiken ist es am Ende entscheidend zu verstehen, welchen Einfluss („financial impact“) diese Risiken auf das Ergebnis, Kapital und Cashflow haben. Auch hier gilt es Fragen der Risikotoleranz und des Risikoappetits zu beantworten und danach entsprechend zu steuern. Unterschiedliche Risiken erfordern unterschiedliche Bewertungsdimensionen im Hinblick auf die Messung der Schadenhöhe. Neben klassischen Bewertungsdimensionen wie finanzielle Auswirkung und Reputation sind für ESG-Risiken weitere Bewertungsdimensionen relevant: Anpassungsfähigkeit, Komplexität des Risikos, Geschwindigkeit des Eintritts der Auswirkung, Wirkungsdauer und Dauer der Bewältigung.

Für die TCFD-Berichterstattung ist neben der Beschreibung, wie klimabezogene Risiken identifiziert und bewertet werden, auch die Frage der Integration dieser Risiken in das ERM von Relevanz. Klar ist, dass nur quantitativ bewertete klimabezogene Risiken entsprechend aggregiert werden können und damit Eingang in die Risikotragfähigkeit finden werden. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, auch qualitativ bewertete klimabezogene Risiken entsprechend zu überwachen und für diese Maßnahmen im Rahmen der Steuerung festzulegen.

Conclusio

Unternehmen sollten jetzt die richtigen Schritte setzen, um ESG-Risiken umfänglich zu analysieren und zu bewerten. Szenarioanalysen und moderne Simulationsmethodiken können für die Quantifizierung von ESG-Risiken eingesetzt werden. Die kontinuierliche Überwachung von ESG-Risiken in Bezug auf deren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell liefert einen besseren Einblick in zukünftig auftretende Herausforderungen. Eine stärkere Einbeziehung von ESG-Risiken in den Risikomanagementprozess ist als Ansatz zu verstehen, das Geschäftsmodell langfristig widerstandsfähig zu machen bzw zu halten und damit dem Silodenken entgegenzuwirken.