Update zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland
Tax News 06-07/2021
Tax News 06-07/2021
Deutschland ist Österreichs wichtigster Handelspartner. Dementsprechend bedeutsam ist auch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), das die Besteuerungsrechte zwischen diesen beiden Ländern verteilt und Doppelbesteuerung vermeiden soll. Das BMF hat jüngst zahlreiche Auslegungsfragen zum DBA Deutschland auf aktuellen Stand gebracht. Dieses Update ist für die DBA-Anwendung in der täglichen Praxis relevant.
1. Allgemeines zur Auslegung des DBA Deutschland
Seit 2003 ist das „neue“ DBA Deutschland anwendbar, welches das alte Abkommen aus dem Jahr 1954 abgelöst hatte. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen, aber auch der zum Teil vergleichbaren innerstaatlichen Rechtslagen sowie der auf abgabenbehördlicher Ebene etablierten bilateralen Beziehungen, gab es seit jeher umfangreiche Auslegungshilfen zum DBA Deutschland. Diese wurden vielfach als Verständigungsvereinbarungen getroffen, deren Ergebnisprotokolle regelmäßig veröffentlich wurden. Dem Rechtsanwender standen und stehen damit vielfach hilfreiche „Leitplanken“ zur Verfügung. Zumal einige der Verständigungsprotokolle und Erlässe noch zum alten DBA 1954 ergangen sind und auch international (etwa auf OECD-Ebene) mittlerweile signifikante Änderungen eingetreten sind, wurde auf verwaltungsbehördlicher Ebene eine Bestandsaufnahme der bisherigen bilateralen Auslegungsergebnisse gemacht. Das österreichische BMF hat die Ergebnisse in zwei Sammelerlässen (Aufhebung einzelner abgestimmter Auslegungsfragen, Bereinigung überholter Erlassaussagen) sowie in einer Beantwortung im Rahmen des Express-Antwort-Service (EAS 3433) zusammengefasst.
2. Ferngeschäftsführung
Für die Besteuerung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern kennt das DBA Deutschland eine Sonderbestimmung: Demnach werden derartige Vergütungen immer dort besteuert, wo die Gesellschaft, für welche die Organfunktion wahrgenommen wird, ansässig ist (Art 16 Abs 2 DBA Deutschland). Dies stellt insoweit eine Vereinfachungsregelung dar, als damit der Tätigkeitsort von Geschäftsführern bzw Vorstandsmitgliedern ohne Relevanz bleibt. Insoweit bedarf es auch keiner Bezugsaufteilung auf Grundlage von Arbeitstagekalendern oder sonstigen Aufzeichnungen. Denn entscheidend für die Besteuerung der gesellschaftsrechtlichen Organe ist ausschließlich die Ansässigkeit der Gesellschaft. Damit kann sich freilich – insbesondere im Falle einer Ferngeschäftsführung – die Frage stellen, wo die Gesellschaft ansässig ist. Entscheidend für die Ansässigkeit einer Gesellschaft ist in Zweifelsfällen grundsätzlich der Ort der Geschäftsleitung und nicht der Sitz (Art 4 Abs 3 DBA Deutschland). Werden daher etwa die Geschäfte einer deutschen GmbH von einem in Österreich ansässigen und hier (überwiegend) auch tätigen (Allein-)Geschäftsführer geleitet, könnte die Gesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung (und damit auch ihre abkommensrechtliche „Ansässigkeit“) unter Umständen in Österreich haben. In diesem Fall wäre dann Art 16 Abs 2 DBA Deutschland gar nicht mehr anwendbar, da dieser ausdrücklich unterschiedliche Ansässigkeitsstaaten von Gesellschaft und Geschäftsführer erfordert (Rosenberger, SWI 2002, 161 ff). Bisher bestand eine bilaterale Verständigungsvereinbarung zwischen den Abgabenbehörden, wonach die Ansässigkeit der Gesellschaft am Ort des Weisungszuganges (dh idR am Sitz der Gesellschaft) fingiert werden könne. Diese Verständigungsvereinbarung wurde nun ersatzlos gestrichen, sodass die oben beschriebenen, allgemeinen Regeln greifen. Siehe dazu auch EAS 3433. Darüber hinaus wurde auch die – seitens der österreichischen Finanzverwaltung früher vermutete – Besonderheit für Betriebsstätten leitende Geschäftsführer ebenfalls endgültig fallen gelassen.
3. Auftragsvergabe in Baulosen
Nach Art 5 Abs 3 DBA Deutschland wird durch Bauausführungen oder Montagen erst dann eine Betriebsstätte begründet, wenn damit eine Frist von 12 Monaten überschritten wird. Dabei wird der Fristenlauf durch vorübergehende Unterbrechungen grundsätzlich nicht gehemmt. In einem bilateralen Verständigungsverfahren mit Deutschland wurde jedoch vereinbart, dass die arbeitsfreien Zwischenzeiten bei der Fristberechnung außer Betracht bleiben sollen, wenn die Arbeiten in zeitlich getrennten Abschnitten vergeben werden (Auftragsvergabe in Form von Baulosen). Dieser Verwaltungspraxis wird nun unter Verweis auf den aktuellen OECD-Musterkommentar nicht mehr gefolgt.
4. Hinweise für die Praxis
Die Geschäftsführung ausländischer Gesellschaften von Österreich aus – wie auch umgekehrt – („Ferngeschäftsführung“) bringt regelmäßig besondere steuerliche Herausforderungen mit sich, sowohl auf Ebene der gesellschaftsrechtlichen Organe als auch der Gesellschaft. Derartige Sachverhalte sollten daher – nicht nur im Verhältnis zu Deutschland – planvoll umgesetzt werden. Bei deutschen Bau- bzw Montageprojekten sollte ab sofort berücksichtigt werden, dass die in Einzelfällen hilfreich gewesene Fristhemmung bei Auftragsvergabe in Baulosen in dieser Form nicht mehr existiert. Darüber hinaus erscheint es empfehlenswert, die oben erwähnten (und verlinkten) Sammelerlässe auf allfällige Relevanz für Ihr abgabenrechtliches Umfeld zu screenen.