Update: Umsatzsteuerliche Einordnung eines Ausbaus einer öffentlichen Gemeindestraße - Folgeentscheidung des deutschen BFH zur Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (C-528/19) vom 16.12.2020, XI R 26/20
Tax News 06-07/2021
Tax News 06-07/2021
1. Ausgangslage
Wie bereits in den Tax News 10-12/2020 vom 14.12.2020 umfassend ausgeführt, kommt der EuGH in seiner Entscheidung vom 16.09.2020 (Rs C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG) zum Ergebnis, dass zur umsatzsteuerlichen Beurteilung der Kostentragung von Erschließungsmaßnahmen durch Unternehmer im Ergebnis auf die Versteuerung des tatsächlichen Endverbrauches abzustellen ist. Der Entscheidung des EuGH lag eine Vorlage des deutschen BFH zu Grunde. Dieser hat in der kürzlich veröffentlichten Folgeentscheidung nun seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und kommt dabei unter anderem zum Schluss, dass keine fiktive Lieferung (= „Entnahme-Eigenverbrauch“ bzw in der deutschen Diktion: unentgeltliche Wertabgabe) zu versteuern ist, solange kein unversteuerter Endverbrauch droht.
2. Entscheidung des BFH vom 16.12.2020, XI R 26/20
Der Entscheidung des BFH liegt derselbe Sachverhalt wie der EuGH-Entscheidung in der Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG zu Grunde. Strittig war die umsatzsteuerliche Behandlung einer Ausbaumaßnahme an einer öffentlichen Gemeindestraße durch einen Unternehmer, der die Maßnahmen im Auftrag der Gemeinde vornahm und sämtliche Kosten iZm dem Ausbau der Straße trug. Die durchgeführten Straßenbaumaßnahmen waren Voraussetzung für die bescheidmäßige Erteilung einer Genehmigung der Führung des Kalksteinbruchbetriebs, der die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers darstellt.
Der Unternehmer begehrte aus den Straßenbaukosten einen Vorsteuerabzug, dieser wurde zwar vom deutschen Finanzamt unter gleichzeitiger Annahme einer fiktiven Lieferung (in Deutschland: unentgeltliche Wertabgabe) aufgrund der Abtretung der Straße in das öffentliche Eigentum gewährt, vom deutschen Finanzgericht sodann aber unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung des BFH verwehrt.
Entgegen seiner früheren Rechtsprechung kommt der BFH, der sich unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in den Rs Sveda und Iberdrola zur Vorlage an den EuGH entschloss, basierend auf den Ausführungen des EuGH in der Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG zum Ergebnis, dass einem Unternehmer, der eine Leistung bezieht, um diese an einen Dritten unentgeltlich weiter zu liefern und zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen, der Vorsteuerabzug zusteht. Voraussetzung hierfür sei, dass die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich/unerlässlich war, um diesen Zweck zu erfüllen, die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und der Vorteil des Dritten (hier: der Allgemeinheit) allenfalls nebensächlich ist. Es reicht also insoweit eine „mittelbare“ Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus (Änderung der Rechtsprechung).
Der umsatzsteuerliche Tatbestand der fiktiven Lieferung (unentgeltliche Wertabgabe) sei unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine Besteuerung nicht erfolgt, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.
3. Auswirkungen auf die Praxis
Direkte Auswirkungen der Entscheidung des deutschen BFH auf die österreichische Rechtslage lassen sich freilich nicht festmachen, dennoch zeigt die Entscheidung des BFH klar in eine Richtung. Für einen Vorsteuerabzug ist demnach grundsätzlich ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ausreichend, für die Besteuerung einer fiktiven Lieferung bleibt kein Raum, sofern kein unversteuerter Endverbrauch droht. Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges war Österreich bereits in der Vergangenheit großzügiger als Deutschland und gewährte für Aufwendungen, die aus der Errichtung öffentlicher Straßenanlagen entstehen, in einem ersten Schritt einen Vorsteuerabzug (Rz 277 UStR), aus Praxissicht problematisch war jedoch stets die Thematik der zu versteuernden fiktiven Lieferung iSd § 3 Abs 2 Z 3 UStG.
Ob der VwGH in der derzeitig anhängigen Entscheidung Ro 2020/15/0011 ähnlich entscheiden wird und einen letztlich versteuerten Endverbrauch als Argument gegen die Annahme einer fiktiven Lieferung („Entnahme-Eigenverbrauch“ iSd § 3 Abs 2 Z 3 UStG) gelten lässt, bleibt abzuwarten, hat der VwGH doch in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2017 (VwGH 27.11.2017, Ra 2016/15/0031) anders entschieden (siehe dazu Tax News 10-12/2020 vom 14.12.2020. Demnach sei es zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauches (und damit die Vermeidung der Annahme einer fiktiven Lieferung iSd § 3 Abs 2 Z 3 UStG) nicht ausreichend, wenn Kosten für die Errichtung von Verkehrsleiteinrichtungen, für die ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde und die sodann in das öffentliche Eigentum übertragen wurden, Eingang in die steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsumsätze finden. Begründung hierfür war, dass damit der „falsche“ Leistungsaustausch betrachtet werde. In Anbetracht der aktuellen Judikaturentwicklung (EuGH und BFH) scheint allerdings fraglich, ob diese Rechtsansicht noch weiter aufrechterhalten werden kann.