Umsatzsteuer bei Verrechnungspreisanpassungen
VAT Newsletter August/September 2025
VAT Newsletter August/September 2025
EuGH, Urteil vom 4. September 2025 - C-726/23 - Arcomet Towercranes
Seit vielen Jahren wird sowohl in der Umsatzsteuer als auch beim Zoll (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 15. Mai 2025 – C-782/23; EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C- 529/16 – Hamamatsu; BFH, Urteil vom 17. Mai 2022 - VII R 2/19; sowie FG München, Urteil vom 27. Oktober 2022 - 14 K 588/20, Rev. beim BFH unter VII R 36/22 anhängig) die Problematik der nachträglichen Anpassung von Verrechnungspreisen diskutiert. Mit der genannten Entscheidung des EuGH vom 15. Mai 2025 zum Zollbereich dürfte hier etwas mehr Klarheit bestehen, weil der EuGH hier als eine Lösung für nachträgliche Preisanpassungen auf die Möglichkeit der vereinfachten Zollanmeldung hingewiesen hat.
Das folgende Urteil zu der Verrechnungspreisanpassung betrifft die Umsatzsteuer.
Sachverhalt
Die Arcomet Romania gehört zum Arcomet-Konzern, der im Bereich Kranvermietung tätig ist. Die belgische Konzernmutter übernimmt die Rolle der Auftraggeberin, entwickelt die strategische Ausrichtung, verwaltet und überwacht die wesentlichen Risiken und tätigt sowohl die Auftragsvergabe als auch die Verhandlungen mit Lieferanten im Namen des rumänischen Unternehmens. Arcomet Romania beschafft Kräne durch Kauf oder Miete und bietet diese anschließend seinen Kunden zur Miete oder zum Kauf an. Zwischen den Parteien wurde ein Vertrag geschlossen, der diese Leistungen und eine nach der von der OECD empfohlenen Nettomargenmethode berechnete Marge festlegt. Bei Überschreitung der festgelegten Nettomarge (-0,71 Prozent bis 2,74 Prozent) war Acromet Rumänien verpflichtet, eine Ausgleichszahlung an Arcomet Belgien zu zahlen. Bei Unterschreiten der Marge sollte wiederum Arcomet Belgien eine Ausgleichszahlung an Arcomet Rumänien leisten. Die Nettomarge wurde in jedem der streitigen Jahre überschritten.
Aus den Entscheidungsgründen
1. Art. 112 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL sei dahin auszulegen, dass die Vergütung für die von einer Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft erbrachten und vertraglich im Einzelnen aufgeführten konzerninternen Dienstleistungen, die nach einer in den von der OECD angenommenen Verrechnungspreisleitlinien empfohlenen Methode berechnet werde und dem 2,74 Prozent übersteigenden Teil der von der Tochtergesellschaft erzielten Gewinnspanne entspreche, die Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden, gegen Entgelt erbrachten Dienstleistung darstelle.
2. Die Art. 168 und 178 MwSt-
SystRL seien dahin auszulegen, dass sie die Steuerverwaltung nicht daran hindern, von einem Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug geltend mache, zum Nachweis des Bestehens der in einer Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und ihrer Verwendung für die Zwecke der steuerbaren Umsätze dieses Steuerpflichtigen die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung zu verlangen, sofern die Vorlage dieser Nachweise für diese Zwecke erforderlich und verhältnismäßig sei.
Der EuGH wies in seinem Urteil insbesondere darauf hin, dass zwischen den Beteiligten gegenseitige Verpflichtungen eingegangen worden seien. Dies beruhe darauf, dass sich die Muttergesellschaft verpflichtet habe, eine Reihe gewerblicher Dienstleistungen zu erbringen und die Tochtergesellschaft hierfür jeweils am Jahresende einen Betrag in Höhe des 2,74 Prozent übersteigenden Teils der von ihr erzielten Gewinnspanne zu zahlen hatte.
Die Vergütung bilde auch den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung. Unschädlich sei, dass die Vergütung auf Basis einer Methode ermittelt wurde, die von der OECD empfohlen werde, um den Fremdvergleichsgrundsatz für die Verrechnungspreise zu wahren. Auch seien die Tätigkeiten der Muttergesellschaft nicht mit den Tätigkeiten einer reinen Holdinggesellschaft zu vergleichen, sondern vielmehr greife sie mit diesen Dienstleistungen in die Verwaltung der Tochtergesellschaft ein, sodass sich auch hier kein Ansatzpunkt für eine Nichtsteuerbarkeit finde.
Bitte beachten Sie:
Das vorliegende Urteil zu Verrechnungspreisen in der Umsatzsteuer folgt zwei weiteren Urteilen zu der Thematik. Bereits im Dezember 2024 hat der EuGH (Urteil vom 12. Dezember 2024 Weatherford Atlas, C-527/23) zu Umlageleistungen im Konzern entschieden, allerdings ohne auf die Thematik der Verrechnungspreise und das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter einzugehen. Im Urteil vom 3. Juli 2025 war vom EuGH zu entscheiden, ob sämtliche von einer Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaften erbrachten Leistungen als einheitliche Leistung anzusehen waren, für die auf dem Markt kein vergleichbares Angebot existierte. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung mit dem „Normalwert“ und den tatsächlichen Kosten unter Einschluss auch von sog. Aktionärskosten zu bewerten gewesen wäre. Der EuGH kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Leistungen in den Bereichen Unternehmensführung, Wirtschaft, Immobilienverwaltung, Investitionen, IT und Personalverwaltung einen eigenen, trennbaren Charakter hätten. Der EuGH verlangte danach eine Prüfung, ob die Einzelleistungen jeweils einen eigenständigen wirtschaftlichen Gehalt aufweisen und somit einer separaten Marktwertbestimmung zugänglich sind. Unzulässig sei nach Auffassung des Gerichts eine pauschale Annahme einer untrennbaren Gesamtleistung. Die Finanzbehörde wurde damit in ihrem Vorhaben gebremst, durch Zusammenfassung eines Bündels selbständiger Leistungen zu einer einheitlichen Leistung und, damit verbunden, einer Einbeziehung von Gemeinkosten in die Steuerbemessungsgrundlage, zusätzliches Mehrwertsteueraufkommen zu generieren.
Die Auffassung des EuGH ist bei der Umsetzung des § 10 Absatz 5 UStG in Deutschland zu beachten. Das aktuelle EuGH-Urteil vom 4. September 2025, Arcomet Towercranes, kommt, wie nach der Stellungnahme des Generalanwalts aus dem April diesen Jahres schon zu erwarten war, zu dem Schluss, dass Verrechnungspreisanpassungen nicht pauschal gehandhabt werden können, sondern vielmehr immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist. Der EuGH bestätigte im Streitfall zunächst einen Leistungsaustausch der Beteiligten, da sich Arcomet vertraglich verpflichtet hatte, Dienstleistungen zu erbringen und wirtschaftliche Risken der Tochtergesellschaft zu übernehmen, für die Arcomet eine margenabhängige Vergütung zu zahlen hatte. Dem soll nach EuGH die zu Grunde gelegte OECD-Methode zur Leistungsvergütung auf Basis der geschäftsfallbezogenen Nettomargenmethode nicht entgegenstehen. Lägen eine Dienstleistung gegen Entgelt vor, könne auch dann, wenn zwischen zwei demselben Konzern angehörenden Gesellschaften im Einklang mit einer in den OECD-Leitlinien für die Zwecke der direkten Besteuerung empfohlenen Methode zur Wahrung des Fremdvergleichsgrundsatzes ein Verrechnungspreis festgelegt worden sein sollte, dieser Verrechnungspreis den tatsächlichen Gegenwert einer erbrachten Dienstleistung darstellen (Rn. 41).
In diesem Zusammenhang ist auf das Diskussionspapier der VAT Expert Group vom 18. April 2018 hinzuweisen, dass grundsätzlich drei denkbare Lösungsansätze bei Verrechnungspreisen für möglich hielt. Nämlich eine Behandlung als nicht umsatzsteuerbare Gewinnanpassung, die Behandlung als Entgeltanpassung für zuvor ausgeführte Umsätze und eine Behandlung als Entgelt für eine eigenständige Dienstleistung (taxud.c.1 (2018) 2326098 – EN). Das Urteil vom 4. September 2025 trägt zur Klarheit bei, denn es zeigt einmal mehr, dass Intercompany-Verträge eindeutig formuliert sein sollten, insbesondere was die Leistungsbeschreibung und die zu erbringende Gegenleistung angeht. Die Dokumentation, dass die Leistungen tatsächlich erbracht wurden, ist zusätzlich erforderlich. Transferpreisleitlinien sollten deswegen auch immer umsatzsteuer- und zollrechtliche Aspekte berücksichtigen.
Achtung: In dieser Rechtssache war vom EuGH nur der Fall einer Leistung der Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft zu beurteilen. Es ist damit allerdings noch nicht geklärt, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn sich die Zahlungsverpflichtung und damit denklogisch die Leistungsrichtung tatsächlich umkehrt.
Außerdem ist auf die gerade veröffentlichte BFH-Entscheidung vom 30. April 2025 XI R 15/23 hinzuweisen, die im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen steht. Der BFH hat wie folgt ausgeführt:
„1. Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) können auch E-Mails sein.
2. (Digitale) Unterlagen über Konzernverrechnungspreise unterfallen dem Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
3. Die Finanzverwaltung ist im Rahmen der Außenprüfung grundsätzlich berechtigt, vom Steuerpflichtigen sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug anzufordern.
4. Mangels Rechtsgrundlage ist es der Finanzverwaltung aber verwehrt, ein sogenanntes Gesamtjournal zu verlangen, das einerseits erst noch erstellt werden müsste und andererseits auch Informationen zu solchen E-Mails enthält, die keinen steuerlichen Bezug haben.“
Ihre Ansprechpersonen
Mein Profil
Speichern Sie Inhalte, verwalten Sie Ihre Bibliothek und teilen Sie die Inhalte mit Ihrem Netzwerk.
Kathrin Feil
Partnerin, Tax - Head of Indirect Tax Services
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Oliver Buttenhauser
Partner, Tax, Indirect Tax Services
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
So kontaktieren Sie uns
- KPMG-Standorte finden kpmg.findOfficeLocations
- kpmg.emailUs
- Social Media @ KPMG kpmg.socialMedia