Recht auf Vorsteuerabzug
VAT Newsletter August/September 2025
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EuGH, Beschluss vom 14. Februar 2025 – C-270/24 – Granulines Invest (liegt nur in französischer und ungarischer Sprachfassung vor)
Der EuGH befasste sich mit einem ungarischen Vorabentscheidungsersuchen (Gericht Budapest-Hauptstadt, Ungarn). Er entschied ausnahmsweise im Beschlusswege; hierzu ist er nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung insbesondere dann befugt, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage eindeutig aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Antwort auf eine solche Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt. Dies erfolgt auf Vorschlag des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts. Da in dem Beschluss auch Fragen zum Vorsteuerabzug und zur Rechnung geklärt werden, ist es schon erstaunlich, dass der EuGH die Streitsache nicht unter dem Stichwort „Steuerrecht“ veröffentlicht und nicht die Urteilsform gewählt hat.
Sachverhalt
Der Fall betrifft die Granulines Invest Kft., die gegen die Entscheidung einer ungarischen Steuerbehörde klagt.
Granulines Invest wollte die Vorsteuern für den Kauf von Maschinen abziehen, was die Steuerbehörde wegen eines angeblichen Betrugs verweigerte.
Die Steuerbehörde argumentierte, die Rechnung sei fiktiv, die Transaktionen hätten nicht zwischen den angegebenen Parteien stattgefunden und auf der Rechnung sei ein falsches Leistungsdatum angegeben worden. Außerdem sei bei dem Umsatz eine ungewöhnlich hohe Marge aufgeschlagen worden. Die ungarische Steuerbehörde vermutete, dass die Granulines Invest die Maschine ursprünglich von einem deutschen Lieferanten kaufen wollte, dass sie aber nationale Förderungen (hier ein zinsloses Darlehen) nur in Anspruch nehmen konnte, wenn die Maschinen von einem lokalen Verkäufer erworben werden. Aus diesem Grunde sei ein ungarisches Unternehmen dazwischengeschaltet worden, welches die Maschinen bei dem deutschen Lieferanten gekauft und an Granulines Invest weiterveräußert habe. Die Maschinen wurden aus Deutschland direkt an Granulines Invest geliefert.
Zudem habe der Lieferant und Rechnungsaussteller die Umsatzsteuer nur teilweise und verspätet abgeführt.
Aus den Entscheidungsgründen
Recht auf Vorsteuerabzug: Das Recht auf Vorsteuerabzug sei ein Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems und könne nicht eingeschränkt werden, wenn die materiellen und formellen Anforderungen erfüllt seien. Die Steuerverwaltung dürfe das Recht auf Vorsteuerabzug jedoch nicht verweigern, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt seien, selbst wenn die formalen Anforderungen nicht vollständig beachtet wurden und die Steuerverwaltung über alle erforderlichen Informationen verfüge, um die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu prüfen.
Fiktive Rechnungen und Betrug: Die Steuerverwaltung müsse rechtlich hinreichend nachweisen, dass der Steuerpflichtige aktiv an einem Mehrwertsteuerbetrug beteiligt gewesen sei oder gewusst habe, dass der Umsatz in einen Betrug verwickelt gewesen sei. Ein überhöhter Preis oder ein falsches Lieferdatum auf der Rechnung allein rechtfertigten ebenso wie der Umstand, dass der Leistenden die Umsatzsteuer nur teilweise und verspätet abgeführt habe, nicht die Versagung des Vorsteuerabzugs.
Berichtigung der Rechnung: Die Berichtigung einer Rechnung sei keine Voraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt habe, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen.
Bitte beachten Sie:
Der EuGH entschied erneut, dass allein aufgrund von formellen Mängeln der Vorsteuerabzug nicht versagt werden könne. Wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt seien, müsse der Vorsteuerabzug gewährt werden, wobei die Verwaltung sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen müsse. Folglich sei in solchen Fällen auch die Berichtigung der Rechnung nicht zwingend erforderlich.
Die bloße Vermutung der Steuerverwaltung, es liege ein Betrug oder eine Beteiligung des Leistungsempfängers an einer Steuerhinterziehung vor, reiche nicht aus. Vielmehr müsse die Steuerverwaltung nachweisen, dass ein Betrug vorliege bzw. der Leistungsempfänger dies hätte wissen müssen.
Interessant ist, dass der EuGH durch Beschluss entschieden hat und damit von einer eindeutig auf Basis der bisherigen Rechtsprechung beantwortbaren Rechtslage ausgeht bzw. die Antwort aus Sicht des EuGH keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt. In streitigen Fällen kann auf Basis dieser Entscheidung versucht werden, formelle Mängel in Rechnungen als unerheblich darzustellen, wenn dem Finanzamt sämtliche Informationen für die Prüfung der materiell-rechtlichen Abzugsfähigkeit vorliegen.
Es ist allerdings zu vermuten, dass die Finanzverwaltung diesen Beschluss unberücksichtigt lässt, obwohl der EuGH vielfach betont hat, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, Sanktionen für den Fall vorzusehen, dass die formalen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht erfüllt sind. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Bußgeldvorschrift des § 26a Abs. 2 Nr. 1 UStG, nach der mit Bußgeld bis zu 5.000 € bestraft werden kann, wer eine Rechnung nicht oder nicht rechtzeitig ausstellt. Nach aktueller Sichtweise der Finanzverwaltung fällt eine nicht ordnungsgemäße Rechnung allerdings nicht unter den Anwendungsbereich des § 26a Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. Abschn. 14.5 Abs. 1 Satz 13 UStAE).
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Kathrin Feil
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