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Wohnsitzwechsel ins Ausland: Unterschätzte Steuerfolgen

Immer wieder entscheiden sich deutsche Bürger aus privaten oder wirtschaftlichen Gründen für einen Wohnsitzwechsel ins Ausland. Was dabei oft übersehen wird: Wer Deutschland verlässt, nimmt oft erhebliche unversteuerte Wertsteigerungen mit, sogenannte stille Reserven. Genau an diesem Punkt greift die Wegzugsbesteuerung.

Wann die Wegzugsbesteuerung greift und wer betroffen ist

Die Wegzugsbesteuerung betrifft Privatpersonen, die wesentliche Beteiligungen an Unternehmen (mindestens ein Prozent innerhalb der vergangenen fünf Jahre) halten und ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegen. Auch bei einer Übertragung dieser Anteile auf nicht in Deutschland ansässige Personen, zum Beispiel im Fall einer Schenkung an Kinder im Ausland, wird die Wegzugsbesteuerung ausgelöst. Um Wertsteigerungen, die in Deutschland entstanden sind, auch hier zu versteuern, unterstellt der Gesetzgeber eine Veräußerung zum Zeitpunkt des Wegzugs und besteuert den Wertzuwachs. Häufig werden dann Steuern fällig, auch wenn wegen des fehlenden Verkaufs keine Geldmittel verfügbar sind.

Neue Regeln ab 2025: Investmentfonds rücken in den Fokus

Bisher galt die Wegzugsbesteuerung vor allem für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Seit dem 1. Januar 2025 aber unterliegt auch Investmentvermögen – etwa Anteile an ETFs, klassischen Investmentfonds oder Spezialfonds – unter bestimmten Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung. Damit soll verhindert werden, dass Vermögenswerte in Fondsstrukturen verpackt und anschließend steuerfrei ins Ausland verlagert werden. Für klassische Investmentfonds greift die neue Regelung, wenn entweder ein Anteil von mindestens einem Prozent (innerhalb von 5 Jahren vor dem Wegzug) am Fonds besteht, oder wenn die Anschaffungskosten für die Anteile an einem einzelnen Fonds mindestens 500.000 Euro betragen. Bei Spezial-Investmentfonds greift die Regelung sogar unabhängig vom Umfang der Beteiligung.

Praxisbeispiel: Wegzugsbesteuerung bei ETF-Anteilen

Ein Beispiel: Ein Anleger hält ETF-Anteile – verteilt auf zwei Fonds. Im ersten ETF hat er Anteile im Wert von 550.000 Euro gekauft, im zweiten ETF im Wert von 250.000 Euro, beide Beteiligungen jeweils unter einem Prozent des Gesamtvolumens. Nun plant der Anleger, im Jahr 2025 ins Ausland zu ziehen. Die Marktwerte im Wegzugszeitpunkt belaufen sich bei ETF 1 auf 1,2 Millionen Euro und bei ETF 2 auf 800.000 Euro. Da die Anschaffungskosten für ETF 1 den Schwellenwert überschreiten, greift die neue Wegzugsbesteuerung: Der bis dahin entstandene Wertzuwachs von 650.000 Euro ist in Deutschland mit einem Steuersatz von rd. 28,5 Prozent (einschließlich Solidaritätszuschlag und exklusive Kirchensteuer) zu versteuern – auch ohne Verkauf. ETF 2 hingegen bleibt steuerlich unberührt, da dessen Anschaffungskosten unterhalb der Schwelle liegen.

Handlungsoptionen: Gestaltungsspielräume vor dem Wegzug nutzen

Die neuen Regelungen führen zu einer erheblichen Verschärfung der Wegzugsbesteuerung und Ausweitung der Anwendungsfälle. Wer größere Fondsbestände hält, sollte rechtzeitig prüfen, ob es sinnvoll ist, vor dem Wegzug bestehende Fondsanteile zu verkaufen und in andere ETFs zu reinvestieren. Dadurch lassen sich die Anschaffungskosten auf mehrere Fonds verteilen. Jeder Einzelbestand bleibt unter der 500.000-Euro-Grenze und unterliegt nicht der Wegzugsbesteuerung. Eine solche Umstrukturierung sollte allerdings frühzeitig und mit steuerlicher Beratung erfolgen. Wer innerhalb von sieben Jahren wieder nach Deutschland zurückkehrt, sollte außerdem prüfen, ob er die sogenannte „Rückkehrerregelung“ in Anspruch nehmen kann. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, entfällt die Wegzugsbesteuerung rückwirkend.

Der KPMG Steuertipp