Derzeit wird in Großbritannien ein neues Regime für die Besteuerung von sogenannten „Carried Interests“ („Carry“) diskutiert, das ab April 2026 gelten soll. Carry bezeichnet eine erfolgsabhängige Vergütung, die Fondsmanager, insbesondere in der Private-Equity- und Risikokapitalbranche, erhalten. Es handelt sich dabei um einen prozentualen Anteil am Gewinn eines Fonds, der über die reine Verwaltungstätigkeit hinausgeht und als Anreiz für hohe Performance dient.
Carry-Zahlungen: 34 Prozent britische Einkommensteuer und neue Einkommensklassifizierung geplant
Im Rahmen des neuen Regimes würden die Carry-Zahlungen der Einkommensteuer mit einem Steuersatz von etwa 34 Prozent unterworfen und als fiktive gewerbliche Einkünfte klassifiziert. Nach Ansicht der britischen Regierung sollte Carry eher als Belohnung für Dienstleistungen in Form einer leistungsbezogenen Vergütung angesehen werden, anstatt wie bisher als eine Form von Kapitaleinkünften, die nur mit 18 Prozent und 28 Prozent besteuert werden. Eine ähnliche Entwicklung gab es bereits 2004 in Deutschland, wonach unter gewissen Bedingungen Carry-Zahlungen vermögensverwaltender Fonds grundsätzlich als Einkünfte aus selbständiger Arbeit qualifizieren und 60 Prozent dieser Einkünfte – bis heute ‒ dem persönlichen Steuersatz unterworfen werden.
Dr. Sophie Henkel
Senior Managerin, Tax
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Doppelbelastung für deutsche Fondsmanager nicht ausgeschlossen
Der geplante Regimewechsel in Großbritannien würde dazu führen, dass sich nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen typischerweise auch Großbritannien die primären Besteuerungsrechte für diese Zahlungen sichert und damit eine drohende Doppelbesteuerung der Carry-Zahlungen von Fondsmanagern heraufbeschwört. Auch das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hilft hier nicht immer: Fondsmanager, die in Deutschland wohnen, müssen ihr gesamtes Einkommen, also auch die Carry-Zahlungen, in Deutschland versteuern. Es kann passieren, dass die in Großbritannien für die Carry-Einkünfte bereits gezahlte Steuer nicht angerechnet oder befreit wird. So droht eine doppelte Besteuerung. Neben dieser drohenden Doppelbesteuerung würden die Fondsmanager auch einer zusätzlichen Steuererklärungspflicht in Großbritannien für die Carry-Zahlungen unterliegen.
Mögliche Erleichterungen
Um eine mögliche Doppelbesteuerung abzumildern und London als attraktiven internationalen Fondsstandort zu schützen, hat die britische Regierung im derzeitigen Gesetzesentwurf folgende Erleichterungen aufgenommen:
- Erstens werden alle vor dem 30. Oktober 2024 in Großbritannien erbrachten Dienstleistungen von nicht steuerlich in Großbritannien ansässigen Personen so behandelt, als wären sie nicht-britische Dienstleistungen.
- Zweitens ist eine De-minimis-Grenze von 60 Arbeitstagen in Großbritannien für Personen vorgesehen, die im relevanten Steuerjahr nicht in Großbritannien steuerlich ansässig sind.
- Drittens werden in einem Steuerjahr in Großbritannien erbrachte Dienstleistungen so behandelt, als wären sie nicht-britische Dienstleistungen, wenn drei volle Steuerjahre (zusätzlich zum aktuellen Steuerjahr) vergangen sind, in denen die Person weder in Großbritannien steuerlich ansässig war noch die 60-Tage-Grenze für Arbeitstage in Großbritannien überschritten hat.
Zusätzliche Qualifikationsbedingungen in Form einer Mindest-Co-Investitionsanforderung und/oder einer Mindesthaltedauer für Carried Interest wurden von der britischen Regierung aufgrund der potenziellen Komplexität abgelehnt.
So bereiten Sie sich jetzt vor
Für deutsche Fondsmanager, die regelmäßig in Großbritannien arbeiten, ist daher Vorsicht geboten. Ihre Tätigkeiten und Aufenthaltsdauern sollten durch die teilweise rückwirkende Anwendung bereits frühzeitig durch Steuerberater überprüft werden. Ebenso bieten sich Anpassungen ihres Arbeitsvertrages an, um eine zusätzliche Belastung zu vermeiden. Das Gesetzgebungsverfahren in Großbritannien ist noch nicht abgeschlossen. Etwaige Änderungen sind nicht ausgeschlossen.