Vorsteuerabzug bei Sachgründung einer GmbH
VAT Newsletter Juni 2025
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FG Niedersachsen, Urteil vom 3. April 2025, 5 K 111/24, Revision eingelegt; Az. des BFH: XI R 13/25
Das Urteil betrifft den Vorsteuerabzug bei Sachgründung einer GmbH durch Sacheinlage eines PKW.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde von Frau A gegründet, die einen PKW als Sacheinlage in die Gesellschaft einbrachte. Der PKW wurde am 7. Mai 2021 von Frau A erworben, und die Rechnung war auf sie adressiert. Die GmbH nutzte den PKW für ihre wirtschaftliche Tätigkeit. Das Finanzamt versagte der GmbH den Vorsteuerabzug, da die Rechnung nicht auf die GmbH lautete. Die Klägerin legte Einspruch ein, argumentierend, dass der Erwerb des PKW eine vorbereitende Handlung zur Gründung der Gesellschaft darstellte und sie daher zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage der GmbH sei begründet; ihr stünde ein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG bei dem PKW zu.
Nach Auffassung des FG stehe der Gesellschafterin A aus dem Erwerb des PKW kein Vorsteuerabzug zu. Die A selbst sei nicht Unternehmerin im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG gewesen. Der Senat gehe davon aus, dass die Gesellschafterin A auch durch den Erwerb des PKW und dessen Sacheinlage im Zusammenhang mit der Gründung der Klägerin nicht unternehmerisch tätig geworden sei, da es sich vorliegend nur um einen einzigen Vermögensgegenstand gehandelt habe und keine Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung vorliege. Insofern unterscheide sich der Streitfall aus Sicht des Senates auch bereits von dem Sachverhalt, der dem EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-137/02 Faxworld (HFR 2004, 708) und der Nachfolgeentscheidung des BFH vom 15. Juli 2004 V R 84/99 (BFHE 207, 67, BStBl II 2005, 155) zugrunde gelegen habe, da dort mehrere von der Vorgründungsgesellschaft erworbene Gegenstände auf die neu gegründete Kapitalgesellschaft übertragen worden seien.
Würde man demgegenüber davon ausgehen, dass auch die entgeltliche Übertragung nur des einen PKW im Rahmen der Sacheinlage am 7. Mai 2021 die Unternehmereigenschaft der Gesellschafterin A begründet hätte, so hätte damit jedenfalls eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegen. Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1a Satz 1 UStG). Voraussetzung für eine solche Geschäftsveräußerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Eine Geschäftsveräußerung könne auch bei Übereignung nur eines Gegenstandes erfüllt sein, wenn dieser Gegenstand die unternehmerische Tätigkeit ausmache (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 XI R 8/19, BFHE 272, 536, BStBl II 2022, 34, m. w. N.). Nach Auffassung des FG wäre dann die A aus dem Erwerb des PKW ebenfalls nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen.
Zur Wahrung der Neutralität der Mehrwertsteuer sei danach der Klägerin der streitgegenständliche Vorsteuerabzug zu gewähren, auch wenn die Klägerin letztlich erst durch die Sachgründung durch Erbringung der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Sacheinlage in Form des PKW errichtet wurde. Insofern habe im Streitfall umsatzsteuerlich eine personenübergreifende Zurechnung in der Unternehmensgründungsphase zu erfolgen.
Der Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug stehe auch nicht entgegen, dass die Rechnung vom 7. Mai 2021 über den PKW an A unter der Geschäftsanschrift der Klägerin bzw. der Vorgesellschaft adressiert gewesen sei.
Der EuGH habe das im Urteil vom 1. März 2012 C-280/10 Polski Trawertyn (HFR 2012, 461) als rein formalen Mangel gewertet, der nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führe, weil dessen materielle Voraussetzungen erfüllt seien. Nach Auffassung des FG sei diese Argumentation des EuGH im Urteil vom 1. März 2012 C-280/10 Polski Trawertyn (HFR 2012, 461) auf den vorliegenden Streitfall übertragbar. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Rechnung an die Geschäftsadresse der Klägerin bzw. der Vorgesellschaft gestellt und nicht an die private Wohnanschrift der Gesellschafterin A und dass der Gesellschafterin A insofern aus den vorstehend dargestellten Gründen selbst kein Vorsteuerabzug zugestanden habe.
Bitte beachten Sie:
Für die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts spielte (aus der deutschen Rechtsprechung) insbesondere das BFH-Urteil vom 11. November 2015 V R 8/15 eine größere Rolle. In diesem Fall war nach der Auffassung des BFH eine Einzelperson bei (gescheiterter) Gründung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft nicht mit einer Vorgründungsgesellschaft vergleichbar und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Aus der BFH-Entscheidung ergab sich, dass im Stadium vor der Gründung einer GmbH eine natürliche Person und die spätere GmbH immer unterschiedliche Steuersubjekte sind und dies einen Gegensatz zum Stadium der Vorgründungsgesellschaft bildet. Der Vorsteuerabzug ist nach Errichtung der Vorgesellschaft (Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung in das Handelsregister) grundsätzlich weniger problematisch, weil zwischen Vorgesellschaft und späterer Kapitalgesellschaft eine Identität besteht. Eine Rechnung an die Vor-GmbH (auch GmbH in Gründung, kurz i.G.) ist daher für den Vorsteuerabzug unproblematisch.
Bezüge an die Vorgründungsgesellschaft, also vor Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, sind daher in jedem Einzelfall genauer zu beleuchten. Gegenstände müssen auf die spätere Gesellschaft übertragen werden und der Einkauf von Dienstleistungen ist nach dem o.g. BFH-Urteil besonders problematisch, weil sie durch die den Gesellschafter bzw. die Vorgründungsgesellschaft schon verbraucht bzw. genutzt sein können. Bei Beratungsleistungen (Dienstleistungen) empfiehlt es sich daher, bereits bei Abschluss des Dienstleistungsvertrages die Möglichkeit einer anschließenden Vertragsübernahme durch die später gegründete Gesellschaft zu prüfen, so dass eine Abrechnung der Beratungsleistung als Dauerleistung nicht mehr gegenüber der Vorgründungsgesellschaft zu erfolgen hat.
Beim Niedersächsischen Finanzgerichts stritten die Beteiligten um den Vorsteuerabzug für den Erwerb eines im Rahmen der Sachgründung der Klägerin (GmbH) durch eine Gesellschafterin eingelegten PKW, den diese erworben hatte und bei der Klägerin eingebracht hatte.
Das Finanzgericht meinte nun, da die Gesellschafterin nicht zum Vorsteuerabzug für den PKW berechtigt gewesen sei, müsse der Vorsteuerabzug aus Neutralitätsgründen der Klägerin (GmbH) zustehen. Die Frage ist allerdings, ob man aus den EuGH-Urteilen (vom 29. April 2004 C-137/02, Faxworld; vom 1. März 2012, C-280/10, Polski Trawertyn; und vom 13. März 2014 C-204/13, Malburg) tatsächlich den Schluss ziehen kann, dass der späteren Gesellschaft der Vorsteuerabzug zustehe oder ob nicht vielmehr der Vorsteuerabzug der Gesellschafterin selbst ermöglicht werde, wenn man die Unternehmereigenschaft im Hinblick auf den schon zwecks Erbringung von Sacheinlagen erworbenen PKW begründen würde. Diese Sichtweise würde dann auch mit der vorliegenden Rechnung übereinstimmen, die an die Gesellschafterin selbst gerichtet war. Dann käme allerdings ein Vorsteuerabzug der Gesellschaft, wie es das FG meint, nur in Betracht, wenn die Gesellschafterin der Gesellschaft eine Rechnung gestellt hätte.
Hier ist für die Praxis der maßgebende Abschn. 15.2b Abs. 4 Satz 1 bis 4 UStAE (vgl. hierzu: BMF-Schreiben vom 12. April 2022, BStBl. I 2022, 650) hilfreich, der wie folgt lautet:
„Ein Gesellschafter oder eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (sog. Vorgründungsgesellschaft), der bzw. die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, ist unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Maßgebend sind insoweit die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 - V R 84/99, BStBl 2005 II S. 155). Erfolgt die Übertragung außerhalb einer entgeltlichen Leistung, kann dem Gesellschafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug aus einer bezogenen Leistung zustehen, wenn es sich aus Sicht der (geplanten) Gesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt und soweit die beabsichtigte Tätigkeit der Gesellschaft einen Vorsteuerabzug nicht ausschließt. Unter den Begriff des Investitionsumsatzes fallen dabei bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Gesellschafter (bzw. die Vorgründungsgesellschaft) tatsächlich an die Gesellschaft überträgt und die von dieser für ihre wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden.“.
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