Wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr außerbörsliche Derivatekontrakte geschlossen?
Der 31. Dezember naht und mit dessen Ablauf beginnt für Unternehmen mit kalendergleichem Geschäftsjahr die dreimonatige Beauftragungs- und neunmonatige Durchführungsfrist zur unabhängigen Prüfung des EMIR-Compliance-Systems.
Ein solches EMIR-Compliance-System ist dann einzurichten, sobald außerbörsliche Derivatekontrakte (over the counter, OTC) im abgelaufenen Geschäftsjahr abgeschlossen werden. Dabei beschränkt sich die Pflicht nicht ausschließlich auf finanzielle Unternehmen (wie Kreditinstitute), sondern schließt nicht-finanzielle Unternehmen (wie Industrieunternehmen) in die Verpflichtung ein.
► Die Verpflichtung zur Einrichtung eines EMIR-Compliance-Systems resultiert aus der EU-Verordnung 648/2012 vom 4.7.2012, die als Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2008 vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedet wurde. Ziel dieser Verordnung ist es die Transparenz des unregulierten außerbörslichen Derivatemarktes zu stärken und potenzielle Ausfallrisiken zu begrenzen.
Der Einsatz außerbörslicher Derivatekontrakte ist hingegen keineswegs ein Exot im Risikomanagement, sondern dient dabei der Absicherung von aus der Unternehmenstätigkeit heraus resultierender Zinsänderungs- und Fremdwährungsrisiken sowie Rohstoffpreisrisiken. Tritt ein Unternehmen in ein außerbörsliches Derivategeschäft ein, so ist grundsätzlich ein EMIR-Compliance-System zu implementieren.
Was beinhaltet das EMIR-Compliance-System?
Das EMIR-Compliance-System besteht aus den folgenden durch die EU-Verordnung vorgegebenen Regelungsbereichen:
Abb. 1: EMIR-Compliance-System
Quelle: KPMG AG
Besonders die Pflicht Meldung von Derivatetransaktionen an ein Transaktionsregister soll die Transparenz über den Derivatemarkt erhöhen. Ein solches Transaktionsregister ist bei der europäischen Börsenaufsicht (European Securities und Markets Authority, ESMA) zu registrieren, die eine Liste der registrierten Transaktionsregister regelmäßig auf ihrer Homepage veröffentlicht. Mit Abruf der ESMA-Homepage vom 30. November 2024 sind die folgenden Transaktionsregister auf dieser Liste enthalten:
- Regis-TR
- DTCC Data Repository (Ireland) Plc
- Krajowy Depozyt Papierów Wartosciowych S.A. (KDPW)
- LSEG Regulatory Reporting B.V.
Sofern Derivatetransaktionen mit einer finanziellen Gegenpartei mit Sitz in der EU geschlossen werden, geht die Pflicht zur Meldung an ein Transaktionsregister einseitig auf die finanzielle Gegenpartei formlos über. Demnach hat die finanzielle Gegenpartei nicht nur die Meldung ihrer Seite der Derivatetransaktion vorzunehmen, sondern auch die Seite derselben Transaktion der nicht-finanziellen Gegenpartei. Grundsätzlich beschränkt sich die Pflicht zur Meldung von Derivatetransaktionen nicht auf externe Derivatetransaktionen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist jedoch die Befreiung zur Meldung von internen Derivatetransaktionen möglich. Eine solche Befreiung muss durch Mitteilung an die nationalen Aufsichtsbehörden erfolgen und kann sich je nach Fallkonstellation aufwendig gestalten.
Die erforderlichen Risikominderungstechniken sind unabhängig vom Sitz der finanziellen Gegenpartei vertraglich zu vereinbaren, bevor eine OTC-Derivatetransaktion eingegangen wird. Bei der Vereinbarung bietet es sich an, das von der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) veröffentlichte Master Agreement sowie der Deutsche Rahmenvertrag (DRV) mit dem dazugehörigen EMIR-Anhang zu nutzen.
Wann unterliegt das EMIR-Compliance-System der gesetzlichen Prüfpflicht?
Anders als die Pflicht zur Implementierung eines EMIR-Compliance-Systems richtet sich dessen Pflicht zur Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer an die durch § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG vorgegebenen Kriterien für nicht kleine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB, die sich aus nachfolgender EMIR-Prüfpflicht-Checkliste entnehmen lassen:
Abb. 2: EMIR-Prüfpflicht-Checkliste
Quelle: KPMG AG
Die vorstehende Checkliste kann eine Hilfestellung zur Bestimmung der EMIR-Prüfpflicht durch die Corporate Treasury bieten. In diesem Zusammenhang kommt der rechtlichen Definition von „OTC-Derivaten“ im Sinne der EMIR eine besondere Bedeutung zu. Einerseits bei der Einordnung, ob ein EMIR-Compliance-System einzurichten ist und andererseits, ob ein solches prüfpflichtig im Sinne des § 32 WpHG ist, ergeben sich regelmäßig Praxisfragen und damit ein erhöhter Beratungsbedarf.
► Die Verpflichtung zur Prüfung des EMIR-Compliance-Systems erfolgt für Rechtssubjekte mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Einer gesetzlichen Prüfung nach § 32 WpHG unterliegen damit nicht Gesellschaften mit Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Sofern Sie eine EMIR-Prüfpflicht festgestellt haben, hat die Prüfung durch einen geeigneten Prüfer zu erfolgen. Als solcher sind gem. § 32 Abs. 2 WpHG ausschließlich Wirtschaftsprüfer sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften qualifiziert.
► Die Beauftragung des Wirtschaftsprüfers muss gem. § 32 Abs. 2 S. 2 WpHG innerhalb von drei Monaten nach dem Abschlussstichtag erfolgen.
Auch wenn weder die Anforderungen an ein EMIR-Compliance-System noch eine EMIR-Prüfpflicht neu sind, ist die regelmäßige Überwachung der Betroffenheit im abgelaufenen Geschäftsjahr für die Corporate Treasury nicht zu unterschätzen. Insbesondere bei nicht regelmäßigen Derivateabschlüssen, wie beispielsweise der Zinssicherung für eine Fremdkapitalaufnahme, kann die Feststellung der Prüfpflicht schnell in Vergessenheit geraten. Sollten Sie Fragen oder Beratungsbedarf zum EMIR-Compliance-System oder einer EMIR-Prüfung haben, sprechen Sie uns gerne an.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 150, Dezember 2024
Autoren:
Robert Abendroth, Partner, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Manuel Seick, Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Robert A. Abendroth
Partner, Audit, Finance and Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft