In der heutigen Geschäftswelt ist die Sicherstellung der Liquidität eine strategische Notwendigkeit. Unternehmen werden mit volatilen Märkten, geopolitischen Spannungen und unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklungen konfrontiert. In diesem Umfeld suchen Unternehmen nach innovativen Wegen, um ihr Working Capital effizient zu steuern und gleichzeitig ihre Finanzstrategien zu optimieren. Eine zunehmend verbreitete Lösung ist das Dynamic Discounting, das Unternehmen ermöglicht, ihre Lieferanten vor Rechnungsdatum zu bezahlen und dabei flexible Rabatte zu gewähren.

Dieses Instrument gibt es schon seit einigen Jahren, erfreut sich aber aufgrund der wirtschaftlichen Situation und verbesserten technischen Rahmenbedingungen erhöhter Beliebtheit.

Mehr als nur ein finanzieller Puffer: Strategischer Einfluss auf das Working Capital

Das Umlaufvermögen eines Unternehmens spielt eine zentrale Rolle für dessen finanzielle Gesundheit und Handlungsfähigkeit. Es dient nicht nur als Puffer, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, sondern bildet auch die Grundlage für Investitionen und die Fähigkeit, auf Marktveränderungen dynamisch zu reagieren. Ein effektives Working Capital Management schafft die notwendige Balance zwischen Liquidität und Rentabilität und hilft dabei, finanzielle Risiken zu minimieren. Ein gezieltes Management des Working Capitals sollte tief in die strategische Ausrichtung eines Unternehmens eingebettet sein. Die optimierte Steuerung der Verbindlichkeiten ermöglicht es Unternehmen, ihren Cashflow effizient zu planen, Kapitalkosten zu senken und ihre Position im Wettbewerb zu verbessern.

Dynamic Discounting unterstützt diese Strategie, indem es das Umlaufvermögen gezielt steuert. Unternehmen können durch frühzeitige Zahlungen ihre Verbindlichkeiten aktiv gestalten und so die Kapitalkosten senken. Die Effizienzsteigerung in der Steuerung des Working Capitals führt zu einem stabileren Cashflow, was wiederum den finanziellen Spielraum für Investitionen in Innovationen und Expansionen erweitert.

Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist ein stabiler Cashflow entscheidend, um finanzielle Engpässe zu vermeiden und flexibel auf Herausforderungen zu reagieren. Unternehmen, die das Dynamic Discounting in ihre Finanzplanung integrieren, können ihre Liquidität bewahren und gleichzeitig langfristige Stabilität gewährleisten.

Frühzeitige Zahlungen, flexibler Nutzen

Dynamic Discounting erlaubt es Unternehmen, ihren Lieferanten frühzeitige Zahlungen anzubieten, die abhängig vom Zeitpunkt der Auszahlung über die Restlaufzeit der Verbindlichkeit diskontiert werden. Anders als beim Factoring, wo ein Drittanbieter, oft eine Bank, involviert ist, wird hierbei die Finanzierung vollständig aus den eigenen Mitteln des Unternehmens bereitgestellt. Dies verleiht den Unternehmen mehr Kontrolle über ihre Liquidität und ermöglicht es ihnen, direkte Beziehungen zu ihren Lieferanten zu stärken. Die folgende Grafik veranschaulicht den Ablauf eines beispielhaften Programms:

Abb.1: Diskontierungsprozess

Dynamic Discounting

Quelle: KPMG AG

Mit dieser Lösung können Unternehmen nicht nur von Skonto-Vorteilen profitieren, sondern auch den Cashflow stabilisieren und das Working Capital optimieren. Lieferanten, die frühzeitig bezahlt werden möchten, können flexibel auf Angebote des Unternehmens reagieren. Dadurch werden nicht nur Lieferantenbeziehungen gestärkt, sondern auch die finanziellen Freiräume des Unternehmens für eigene Investitionen verbessert.

Vorteile von Dynamic Discounting

Diese Möglichkeit bietet Unternehmen eine Vielzahl von Vorteilen, die weit über die bloße Liquiditätssteuerung hinausgehen:

  • Verbesserung des Cashflows: Durch frühzeitige Zahlungen an Lieferanten kann das Unternehmen seine Verbindlichkeiten aktiv managen und den Cashflow optimieren.
  • Kosteneinsparungen: Frühzeitige Zahlungen ermöglichen Rabatte auf Verbindlichkeiten, was die Kapitalkosten erheblich senkt.
  • Stärkung der Lieferantenbeziehungen: Lieferanten profitieren von einer früheren Zahlung, was ihre finanzielle Stabilität erhöht und die Zusammenarbeit festigt.
  • Kein externer Finanzpartner notwendig: Die Finanzierung erfolgt aus eigenen Mitteln, wodurch die Notwendigkeit eines Bankpartners entfällt und zusätzliche Kosten sowie Komplexitäten vermieden werden.
  • Flexibilität in der Liquiditätssteuerung: Unternehmen behalten die Kontrolle über den Zeitpunkt und die Höhe der Zahlungen, sodass sie ihre Liquidität bedarfsgerecht steuern können.

Digitalisierung als Hebel für eine präzise Steuerung

Es gibt eine Vielzahl an Fintech-Anbietern für Dynamic Discounting Lösungen, die in ihrer Ausgestaltung variieren können. Anbieter dieser Lösungen sind Taulia, C2FO oder Kyriba, die sich auf die Digitalisierung von Working Capital Lösungen spezialisiert haben. Das Unternehmen setzt dabei auf cloudbasierte Plattformen, die sich nahtlos in bestehende ERP-Systeme integrieren lassen. Diese Plattformen ermöglichen es Unternehmen ihre Liquidität in Echtzeit zu managen und flexibel zu entscheiden, welche Rabatte sie ihren Lieferanten gewähren. So entsteht eine skalierbare Lösung, die sich optimal an unterschiedlichste Marktbedingungen anpassen lässt.

Die Umsetzung in der Praxis ist dabei jedoch kein trivialer Akt. Das Target Operating Model des Finanzbereichs (TOM) muss auf die digitale Lösung abgestimmt sein, um eine reibungslose Implementierung und Nutzung zu gewährleisten. Nur durch ein angepasstes TOM kann die Integration von Dynamic Discounting in die bestehenden End-to-End-Prozesse ‒ vom Einkauf über das Accounting bis hin zum Treasury ‒ optimal gestaltet werden. Eine nahtlose Verbindung mit ERP-Systemen stellt zudem sicher, dass alle relevanten Daten wie Rechnungen, Zahlungsbedingungen und Liquiditätsplanung in Echtzeit synchronisiert werden, was den gesamten Prozess weiter automatisiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbindung der Lieferanten. Diese müssen in die Plattform integriert und zur aktiven Teilnahme ermutigt werden. Auch für die externen Teilnehmer muss der Mehrwert vermittelt werden, da nur mit einer kritischen Masse auch spürbare Effekte erzielt werden. Üblicherweise beginnt man mit den Schlüssellieferanten. Eine erfolgreiche Implementierung erfordert daher gezielte Kommunikationsstrategien und Schulungsmaßnahmen, um den Mehrwert des Dynamic Discounting überzeugend zu vermitteln.

Neben der Integration in bestehende Prozesse muss auch sichergestellt werden, dass die verschiedenen Zahlungsformate und Regionen, in denen das Unternehmen tätig ist, berücksichtigt werden. Die Plattform muss in der Lage sein, unterschiedliche Währungen und länderspezifische Anforderungen abzubilden, um eine globale Nutzung zu ermöglichen.

Die Digitalisierung ermöglicht es zudem, den gesamten Prozess der Zahlungsabwicklung zu automatisieren. Mit automatisierten Systemen für die Angebotserstellung und -annahme reduzieren Unternehmen nicht nur manuelle Fehler, sondern steigern auch die Effizienz ihrer Prozesse. Lieferanten können diese Angebote in Echtzeit einsehen und flexibel entscheiden, wann sie Zahlungen annehmen möchten.

Fazit: Ein modernes Werkzeug für Liquiditätsmanagement und strategische Finanzplanung

Dynamic Discounting ist also nicht nur ein Mittel zur Verbesserung der Liquidität, sondern auch ein strategisches Werkzeug zur Optimierung des Working Capitals. Durch die aktive Steuerung der Verbindlichkeiten und die Integration digitaler Lösungen können Unternehmen ihre finanzielle Stabilität verbessern, Wachstumschancen nutzen und Risiken minimieren – und das alles, ohne auf externe Finanzpartner angewiesen zu sein. In einem zunehmend unsicheren wirtschaftlichen Umfeld kann Dynamic Discounting ein entscheidender Hebel für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens sein.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 147, September 2024
Autoren:
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Daniel Lichtenberg, Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG