Nachhaltigkeitsstrategien und -berichterstattung stehen mittlerweile ganz oben auf den Agenden deutscher Unternehmensvorstände, was die zunehmende Beschäftigung mit nachhaltigen Finanzierungen fördert. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Vorteile und aktuellen Entwicklungen.
1. Überblick: Einordnung von Sustainable Finance
Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren zu einem Megatrend entwickelt, der durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und regulatorische Faktoren angetrieben wird. Das wachsende öffentliche Bewusstsein für Klimawandel und soziale Belange hat den Druck auf Unternehmen erhöht, ihr Engagement für nachhaltige Praktiken zu verstärken. Verbraucher, Investoren und Mitarbeiter erwarten zunehmend, dass Unternehmen verantwortungsbewusst und nachhaltig agieren. Investoren erkennen immer mehr, dass Unternehmen mit robusten ESG-Strategien nicht nur ein geringeres Risikoprofil aufweisen und in wirtschaftlichen Abschwüngen resilienter sind, sondern auch langfristig höhere Erträge erzielen können.
Zusätzlich verstärkt wird dieser Trend durch regulatorische Initiativen. Regierungen und Aufsichtsbehörden weltweit implementieren strengere Vorschriften zur Förderung der Nachhaltigkeit. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) der Europäischen Union fordert von Finanzinstituten, ihre Nachhaltigkeitskriterien in Entscheidungsprozessen offenzulegen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die vom EU-Parlament verabschiedet wurde, erweitert die bestehenden Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich und betrifft schätzungsweise rund 15.000 Unternehmen in Deutschland. Diese Vorschriften fördern die Transparenz und Rechenschaftspflicht und motivieren Unternehmen zu nachhaltigeren Geschäftspraktiken.
Nachhaltigkeit umfasst auch die Transformation der Wirtschaft und die Finanzierung dieser Umwandlung durch speziell entwickelte nachhaltige Finanzinstrumente. Daher ist Sustainable Finance für Unternehmen besonders wichtig, um den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft aktiv zu unterstützen. Zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie zählt auch die Finanzierung. Daher setzen immer mehr Unternehmen auf Sustainable Finance. Doch was sind nachhaltige Finanzierungen? Bei diesen werden ESG-Aspekte, also Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) berücksichtigt.
Über die letzten Jahre erfreut sich der Sustainable Finance Markt einer regen Beteiligung deutscher Unternehmen und das macht deutlich, dass Sustainable Finance keine Randerscheinung ist. Die Studie „Nachhaltigkeit und Green Finance. Wie Unternehmen die Datenflut beherrschen“ der LBBW (LBBW. (2024). Nachhaltigkeit und Green Finance. Wie Unternehmen die Datenflut beherrschen) zeigt, dass 2024 bereits mehr als die Hälfte der befragten deutschen CFOs und Treasurer Sustainable Finance als den neuen Standard sehen und bereits 17 Prozent der Befragten Kredite mit Nachhaltigkeitskomponenten abgeschlossen haben.
2. Vorteile Sustainable Finance
Viele gute Gründe sprechen für nachhaltige Unternehmensfinanzierungen. Der offensichtliche ist einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten, denn durch die Investition werden nachhaltige Projekte gefördert die unserer Umwelt sowie unserem Klima zu gut kommen. Nachhaltige Finanzierungen zu begeben kann einen positiven Image-/ PR-Effekt auf die Reputation haben. Wenn Firmen ihren Stakeholdern zeigen können, dass sie sich ernsthaft mit Nachhaltigkeit beschäftigen, resultiert das oftmals in einer verbesserten Außenwahrnehmung. Diese positive Außenwahrnehmung ermöglicht den Unternehmen eine breitere Kundenbasis aufzubauen und trägt zudem zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität bei - teilweise trifft das sogar auf die Finanzabteilung unternehmensintern zu.
Zunehmend achten Investoren und Kapitalgeber darauf, wie nachhaltig Ihre Portfolien sind. Das macht es für Unternehmen ohne klare Nachhaltigkeitsstrategie zunehmend schwieriger, sich zu finanzieren, aber ermöglicht nachhaltigen Unternehmen den Zugang zu einer breiteren und diversifizierten Investorenbasis.
Nicht zuletzt ist die mögliche Senkung von Finanzierungskosten ein weiteres Argument für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzierung.
Abb. 1: Vorteile von Sustainable Finance
Quelle: KPMG AG
3. Wichtige Finanzierungsinstrumente im Sustainable Finance Bereich
Um die zuvor genannten Vorteile von Sustainable Finance zu nutzen, stehen Unternehmen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung. Die beliebtesten Finanzierungsinstrumente, nämlich Kredite, Anleihen und Schuldscheindarlehen gibt es auch alle in „nachhaltig“. Grundsätzlich wird bei nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten zwischen ESG-linked/ Sustainability-linked und Projekt-spezifischen oder „Use of Proceeds“ Finanzierungsinstrumenten unterschieden.
Abb. 2: Überblick
Quelle: KPMG AG
ESG-linked oder Sustainability-linked Finanzierungen
Zu den Sustainability-linked Finanzierungsinstrumenten gehören unter anderem Sustainability-linked Kredite, Sustainability-linked Anleihen und Sustainability-linked Schuldscheindarlehen. Diese Finanzierungsinstrumente können für die Finanzierung oder Refinanzierung von allgemeinen Unternehmenszwecke eingesetzt werden. Diese Finanzierungen unterscheiden sich von ihren nicht-nachhaltigen Pendants dadurch, dass in den Konditionen bestimmte Klauseln enthalten sind, die eine Margenveränderung vorsehen, wenn vordefinierte Nachhaltigkeitsindikatoren des Unternehmens sich verändern. Als Standard bzw. Orientierung für solche Finanzierungsinstrumente stehen die „Sustainability-linked Loan Principles“, die „Sustainability-linked Bond Principles“ der ICMA (The International Capital Market Association) und die EU-Taxonomy zur Verfügung.
Eine Margenveränderung kann dabei meistens in beide Richtungen auftreten, daher ist nicht nur eine Senkung der Finanzierungmarge möglich, sondern auch eine Erhöhung. Die Sustainability-linked Instrumente sind entweder mit einem externen ESG-Rating / Score des Unternehmens oder mit vorher definierten KPIs / SPTs (Sustainable performance targets) verknüpft. Die gewählte Verknüpfung bestimmt die Margenveränderung. In den letzten Jahren hat sich eine Präferenz für den KPI/SPT-basierten Ansatz am Markt herausgestellt.
Wird der KPI-Ansatz gewählt, so wird es zunehmend unüblich die Finanzierung an nur einen KPI zu knüpfen und 2-5 KPIs werden oftmals bevorzugt. Oftmals fragen sich Unternehmen, welche KPIs für sie relevant sind. Vorteil des KPI-Ansatzes ist es, dass jedes Unternehmen mit den Finanzierungsparteien für sich relevante KPIs identifizieren kann und so eine maßgeschneiderte Lösung erhält. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die gesteckten Ziele ambitioniert sind.
Möchte ein Unternehmen ein externes ESG Rating oder Score für die Finanzierung nutzen, so wird das Sustinability-linked Instrument an ein oder mehrere Ratings/Scores geknüpft. Verbessert sich das Rating, so resultiert das in einer Margenverbesserung. Verschlechtert sich das ESG Rating, erhöht sich die Finanzierungsmarge.
Oftmals haben Unternehmen noch keine Erfahrung mit nachhaltigen KPIs und haben kein ESG Rating, möchten aber trotzdem ein Sustainability-linked Finanzierungsinstrument emittieren. In diesem Fall besteht die Möglichkeit bei Krediten einen „ESG-ready“ Kredit zu emittieren.
ESG-ready Kredite verbinden den aktuellen Finanzierungsbedarf eines Unternehmens mit dem Willen, Nachhaltigkeit zukünftig in die Unternehmensfinanzierung einzubeziehen. Dazu wird im Kreditvertrag eine Klausel aufgenommen, die es dem Unternehmen innerhalb von 12 Monaten erlaubt die nötigen Entscheidungen zu treffen und die Dokumentation nachzureichen. Durch die Aufnahme dieser „Rendezvous-Klausel“ in den Kreditvertrag entsteht kein Handlungsdruck oder Verpflichtung: In der Finanzierungsvereinbarung wird lediglich vereinbart, den Zinssatz künftig per Nachtrag an ESG-Kriterien zu koppeln.
Projekt-spezifischen oder „Use of Proceeds“ Finanzierungen
Die projekt-spezifischen Finanzierungsinstrumente beinhalten „grüne“ Kredite, Anleihen und Schuldscheine, soziale Kredite, Anleihen und Schuldscheine und nachhaltige Kredite, Anleihen und Schuldscheine. Dabei sind die Instrumente an sich in der Struktur gleich und unterscheiden sich nur durch das Label. Sogenannte Use of Proceeds-Finanzierungen fokussieren sich auf die Finanzierung von grünen, sozialen oder nachhaltigen Projekten bzw. ein Zusammenspiel dieser Projekte für das nachhaltige Label - „Sustainable“. Diese Art der Finanzierung hat im Vergleich zu den zuvor genannten Sustainability-linked Instrumenten, die Einschränkung, dass nur Projekte, welche nachweislich grün, sozial oder nachhaltig sind finanziert werden können. Für diese Form der Finanzierung wurden verschiedenste Standards und Orientierungshilfen etabliert. Hierzu zählen die Green / Social Loan Principles, Green / Social Bond Principles, Sustainability Bond Guidelines, EU Taxonomy und der EU Green Bond Standard. Das Unternehmen muss für das Emittieren dieser Instrumente auch ein jeweils passendes Framework veröffentlichen, z.B. für eine grüne Anleihe ein Green Bond-Framework.
4. Aktuelle Entwicklung auf dem Sustainable Finance Markt
Gemessen am Emissionsvolumen ist der Europäische Sustainable Finance Markt bis 2021 stark gewachsen, erreichte in 2021 die absolute Spitze und schwächelte seitdem in unterschiedlichen Bereichen, ähnlich zur generellen wirtschaftlichen Grundstimmung in den letzten beiden Jahren. Der Markt startete stark in das Jahr 2024 mit einem Emissionsvolumen von ca. € 140 Mrd. an nachhaltigen Anleihen und € 51 Mrd. an nachhaltigen Krediten in Q1 2024. Mit einem Quartalsvolumen von insgesamt € 191. Mrd. legt der Markt nicht nur einen starken Start ins Jahr 2024 hin, sondern zeigt auch ein starkes Quartalsvolumen, welches in ähnliche Sphären kommt wie 2021. Das zweite Quartal das Jahres war mit € 57 Mrd. an nachhaltigen Krediten und € 96 Mrd. an nachhaltigen Anleihen schwächer als Q1.
Auf dem nachhaltigen Anleihenmarkt ist seit jeher das Label „Green“ mit großem Abstand am stärksten vertreten. In Q1 2024 waren ca. 68% aller nachhaltigen Anleihen grün, ca. 17% sozial, 9% „Sustainable“ und lediglich 5% Anleihen mit dem Label „Sustainability-linked“. (AFME. (2024). ESG Finance Report Q1 2024) Am gesamten Europäischen Anleihenmarkt haben die nachhaltigen Label zusammen einen Anteil von ca. 12% in Q1 2024 ausgemacht. (AFME. (2024). ESG Finance Report Q1 2024) Dabei ist interessant, dass über alle Label hinweg der Anteil an Unternehmen aus dem Investment-Grade Bereich deutlich überwiegt und lediglich bei den Sustainability-linked Anleihen verringert sich der Abstand. Bei Sustainability-linked Anleihen wird annährend das doppelte Volumen von Investment Grade Unternehmen wie Unternehmen ohne Investment Grade Rating emittiert.
Der Markt für nachhaltige Kredite kann in „Green Loans“ und „Sustainability-linked Loans“ unterteilt werden, da die anderen Labels zu vernachlässigende Volumina aufweisen. Im ersten Quartal 2024 sind ca. 19% aller Kredite auf dem Syndizierten Kreditmarkt in Europa nachhaltig.2 Seit Jahren erhöht sich der Anteil von Sustainability-linked Krediten an der Gesamtsumme an nachhaltigen Krediten und liegt inzwischen immer bei über 90%. Nachhaltige Kredite wurden in Q1 2024 zu 86% von Investment Grade Unternehmen und zu 14% von Nicht Investment Grade Unternehmen aufgenommen. 2
Mit der zunehmenden Stabilisierung der Zinsmargen und der Erwartung eines stagnierenden oder sinkenden Leitzins für die 2. Jahreshälfte 2024, bleibt das Marktsentiment positiv für nachhaltige Finanzierungen.
Abb 3: Nachhaltige Emissionen auf dem Europäischen Anleihen- und Kreditmarkt
Quelle: KPMG AG
5. Der monetäre Vorteil von nachhaltigen Unternehmensfinanzierungen
Für Sustainability-linked Instrumente wird der Finanzierungsvorteil im Margengrid verhandelt. Oftmals werden 1-5 KPIs gewählt und die Klauseln so ausgestaltet, dass bei Erreichen der einzelnen Zielvorgaben die Marge um jeweils 1-2,5 Basispunkte gesenkt wird. Alternativ kann das Margengrid auch so ausgestaltet sein, dass nur bei der Erfüllung aller Zielvorgaben kollektiv, eine Margensenkung in Kraft tritt. Bei beiden Arten der Ausgestaltung kann es auch zu einer Erhöhung der Zinsmarge (oftmals in der gleichen Höhe) kommen, wenn sich das Unternehmen in den ausgewählten KPIs verschlechtert. Die Ausgestaltung ist auf die Struktur mit Ratings/Scores statt KPIs übertragbar – auch wenn die Verknüpfung an Ratings/Scores in den letzten Jahren zunehmend unbeliebter wird und eine Verknüpfung an KPIs sich als Standard entwickelt.
Während Finanzierungsvorteile bei Sustainability-linked direkt ablesbar sind, vorausgestellt, dass die definierten Ziele auch erreicht werden, sind die Vorteile in der Zinsmarge bei „Use of Proceeds“ Finanzierungen schwerer zu identifizieren. Einen Margenvorteil bei dieser Art der Finanzierung nennt man auch oft ESG Premium oder „Greenium“. Um ein Greenium zu bestimmen, müssen die Margen bei Finanzierungen mit dem Label „Green“, „Social“ oder „Sustainable“ mit ihren nicht-ESG Pendants verglichen werden. Datenanbieter, welche diesen Margenvorteil darstellen zeigen abweichende Informationen und ein über die letzten Jahre stark schwankendes ESG Premium. AFME (The Association for Financial Markets in Europe) zeigt zuletzt im „ESG Finance Report - Q1 2024“ einen seit 2021 abnehmendes ESG Premium. In ersten Quartal 2024 haben Emittenten bei Use of Proceeds Unternehmensfinanzierungen im Durchschnitt ca. 1,4 Basispunkte gespart.2 Dieses Premium ist lediglich ein Durchschnitt und für Investment Grade Unternehmen liegt das Greenium in den meisten Fällen auch im niedrigen einstelligen Basispunkte Bereich. Die Margenersparnis bei Nicht-Investment Grade Emittenten fallen hingegen meistens deutlich höher aus.
6. Abschluss/ Fazit
Nachhaltigkeitsstrategien und -berichterstattung stehen mittlerweile ganz oben auf den Agenden deutscher Unternehmensvorstände, was die zunehmende Beschäftigung mit nachhaltigen Finanzierungen und deren Vorteilen fördert. Es ist essenziell, dass Finanzierungsstrategien der Unternehmensstrategie folgen. Der erste Schritt zur Emission nachhaltiger Finanzierungsinstrumente ist daher, dass Unternehmen ihre nachhaltige Ausrichtung klar definieren.
Zudem ist es entscheidend, dass Unternehmen glaubwürdige Ziele, relevante KPIs und langfristige Pläne offenlegen, um ihre positiven Auswirkungen auf ESG-Faktoren zu verstärken oder negative zu mildern. Die CSRD spielt eine wichtige Rolle dabei, Informationslücken zu schließen und dadurch die Implementierung nachhaltiger Finanzierungen in den bestehenden Finanzierungsmix bei Unternehmen zu integrieren.
Die Einbeziehung relevanter ESG-Kennzahlen in Finanzverträge kann die Beziehungen zu Stakeholdern stärken, das Interesse von Finanzierungsparteien erhöhen und die Finanzierungskosten senken. Angesichts der wachsenden Forderungen nach klaren Zielvorgaben und Verpflichtungen für Nachhaltigkeit sowie der entsprechenden Berichterstattung ist zu erwarten, dass diese Praktiken künftig Standard werden. Unternehmen, die sich diesen Anforderungen nicht stellen, könnten zunehmend Zugangsbeschränkungen auf dem Finanzierungsmarkt erleben.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgab 146, August 2024
Autoren:
Till Karrer, Partner, Deal Advisory, KPMG AG
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Börries Többens
Partner, Financial Services, Finance & Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft