Im kürzlich erschienenen KPMG Corporate Treasury Newsletter hat unser Kollege Felix Wacker-Kijewski am Beispiel von Refinanzierungen aufgezeigt, dass die bilanzielle Abbildung finanzieller Schulden ein Evergreen für alle Treasury Accountants darstellt. 

Für Geschäftsjahre beginnend ab dem 01.01.2024 sieht ein Amendment des IAS 1 eine Anpassung der Klassifikationsvorgaben von Verbindlichkeiten als kurz- oder langfristig vor. Neben der Klarstellung bei Ausweisregelungen gehen mit dem Amendment auch neue Offenlegungspflichten einher. Diese zielen insbesondere darauf ab, Informationen über Art und Ausmaß etwaiger Covenants, die im Rahmen der Verbindlichkeiten vereinbart wurden, bereitzustellen. Die Änderungen am IAS 1 haben für Unternehmen nicht nur Auswirkungen auf die externe Berichterstattung, sondern auch auf interne, mitunter vom Treasury verantwortete Steuerungsgrößen wie Key Performance Indikatoren (KPI), zur Folge. 

Bisher war in IAS 1 geregelt, dass eine Verbindlichkeit unter anderem dann als kurzfristig auszuweisen war, wenn das Unternehmen nicht über das uneingeschränkte Recht verfügte, die Erfüllung der Verbindlichkeit über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten nach Bilanzstichtag zu verschieben (IAS 1.69). Die vorgenannte Bedingung wurde indes durch das IASB abgewandelt. Demnach genügt es für einen Ausweis als langfristige Verbindlichkeit nunmehr, wenn das zuvor beschriebene Recht „Substanz“ hat und zum Ende des Geschäftsjahres besteht (IAS 1.72A). Das Vorliegen eines uneingeschränktes Rechtes ist nicht mehr notwendig. 

Das tatsächliche Bestehen dieses Recht kann durch die Verpflichtung zur Erfüllung vertraglicher Bedingungen (Covenants) beeinflusst sein. Für die Analyse der Ausweisfrage sind lediglich jene Bedingungen heranzuziehen, die durch das bilanzierende Unternehmen vor oder am Bilanzstichtag zu erfüllen sind (IAS 1.72B). Dies gilt unabhängig davon, ob die Einhaltung der Covenant erst nach diesem Datum gewürdigt wird. Bedingungen, die durch ein bilanzierendes Unternehmen erst nach dem Bilanzstichtag einzuhalten sind, sind nicht in die Analyse hinsichtlich eines kurz- oder langfristigen Ausweisen der Verbindlichkeit einzu-beziehen. So entfaltet beispielsweise eine vertragliche Bedingung, die auf die Finanzlage des bilan-zierenden Unternehmens 6 Monate nach Stichtag abzielt, keine Relevanz für die Ausweisbeurteilung zum Stichtag. 

Klassifiziert ein Unternehmen eine Verbindlichkeit auf Basis eines bestehenden jedoch von Covenants abhängigen Rechts zum Erfüllungsaufschub als langfristig, so sind mit dem Amendment des IAS 1 zusätzliche Anhangangaben zu tätigen. Demnach sind Informationen über das Risiko einer Nichterfüllung der Covenants und somit kurzfristigeren Rückzah-lungsverpflichtung offenzulegen (IAS 1.76ZA). So ist u.A. die Art und Natur der Covenants sowie der Buchwert der betroffenen Verbindlichkeiten gesondert darzustellen. Ferner sind neben tatsächlichen Covenant-Verstößen auch alle etwaigen Hinweise auf potenzielle, künftige Verstöße offenzulegen.

Darüber hinaus hat die Klassifizierung als kurz- bzw. langfristig nunmehr unabhängig von etwaigen Einschätzungen des Managements hinsichtlich der Rückführung der jeweiligen Verbindlichkeiten zu erfolgen. Ein Ausweis als kurzfristige Verbindlichkeit war bisher auch dann möglich, wenn das Management nicht von einer Inanspruchnahme des uneingeschränkten Rechtes zum Erfüllungsaufschub innerhalb von 12 Monaten ausging. Der neu eingeführte IAS 1.75A definiert jedoch, dass ein substanzielles und zum Geschäftsjahresende bestehende Recht zur Verschiebung der Erfüllung unabhängig von der Erwartung oder des Willens des Managements zum langfristigen Ausweis verpflichtet. Gleichwohl können in einem solchen Fall zusätzliche Anhangangaben erforderlich werden, die Abschlussadressaten Informationen über die erwartete, kurzfristigere Erfüllung bereitstellen.

Doch auch neben der externen Finanzberichterstattung kann das Amendment zu IAS 1 und die angepassten Ausweisregelungen Auswirkungen auf interne Berichtssysteme und Steuerungsgrößen entfalten. Die differenzierte Betrachtung von kurz- und langfristigen Schulden beeinflusst einige wichtige Bilanzkennzahlen,  KPI’s oder gar in Finanzierungs-verträgen vereinbarte Covenants. 

Das Working Capital, eine relevante Größe für die innerhalb des operativen Geschäftsbetriebs verfügbare Liquidität, wird beispielsweise aus der Differenz bzw. dem Quotienten aus kurzfristigem Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten ermittelt. Je nach Definition bewirkt somit die rein bilanziell getriebene Verschiebung der ausgewiesenen Fälligkeitsstruktur des IAS 1 auch ohne nennenswerte Veränderungen im operativen Geschäft eine Veränderung dieser Kennzahl.

Gleiches gilt für die Liquiditätsgrade I bis III (auch Current, Quick und Cash Ratio genannt). Auch diese Maße zielen darauf ab, anhand verschiedener Aggregationen auf der Vermögensseite die Fähigkeit zu bemessen, den Bestand der kurzfristigen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Ein angepasster Ausweis vormals kurzfristiger Verbindlichkeit als langfristig kann erneut zu einer synthetischen Verbesserung dieser Kennzahlen führen, ohne dass sich der tatsächliche Handlungsrahmen geändert hat.

Umgekehrt können auch Steuerungsgrößen der langfristigen Unternehmensfinanzierung beeinflusst werden. Vergleichbar zu anderen Leverage-Kennzahlen wie Debt-to-Equity bewertet die Long-term Debt to Capitalization Ratio den Anteil des bestehenden Kapitals bzw. Vermögenswerte, der durch langfristige Schulden refinanziert ist. Die Ratio berechnet sich als Quotient aus langfristigen Verbindlichkeiten und der Summe aus langfristigen Verbindlichkeiten und Eigenkapital. Analog zu den Liquiditätskennzahlen können die angepassten Ausweisregelungen des IAS 1 somit zu einer synthetischen Veränderung der Leverage-KPI’s führen. Unternehmen sollten vor diesem Hintergrund analysieren, ob eine derartige, nicht auf tatsächlichen ökonomischen Entwicklungen beruhende Veränderung der internen Steuerungsgrößen als sinnvoll erachtet und gewünscht ist. 

Vor dem Hintergrund der vielfältigen Auswirkungen des Amendments des IAS 1 sowohl im Hinblick auf die externe Finanzberichterstattung als auch dem Einfluss auf interne Messgrößen ergeben sich weitere Detailfragen, die für den jeweiligen Einzelfall zu analysieren sind. Das Finance und Treasury Management Team unterstützt Sie gerne bei der Beantwortung dieser Fragen und steht Ihnen für einen praxisnahen Austausch und eine weitere Diskussion zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 146, August 2024
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Jan-Philipp Wallis, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Christopher Wilksen, Assistant Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG