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Key facts:

  • Neu gefasste Regelung in Abschnitt 2.10 UStAE bietet Vorsteuerpotenzial für zahlreiche Hochschulen
  • Aufgrund von Rechtsunsicherheiten wird die Regelung in der Praxis noch nicht häufig umgesetzt.
  • Auf Ebene der einzelnen Hochschule lassen sich Chancen und Risiken rechtssicher bestimmen und abwägen

Steuerlicher Hintergrund

Die Regelungen zur Unternehmereigenschaft und zum Vorsteuerabzug bei Forschungseinrichtungen wurden mit dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 27. Januar 2023 im Umsatzsteuer-Anwendungserlass im Abschnitt 2.10 Abs. 10 ergänzt. Das BMF brach hierbei  - für viele überraschend  - mit der bisherigen Rechtspraxis der Finanzverwaltung zum Umfang des unternehmerischen Bereichs einer Forschungseinrichtung. 

Bis zur Neuregelung setzte sich der unternehmerische Bereich einer Forschungseinrichtung nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Eigenforschung, Auftragsforschung und Technologietransfer zusammen, soweit die Absicht besteht, die Forschungsergebnisse nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu verwenden. Nun kann auch die Grundlagenforschung für Zwecke des Vorsteuerabzugs dem unternehmerischen Bereich zugerechnet werden, wenn sie aufgrund eines sachlichen Zusammenhangs dazu dient, die unternehmerische Verkaufstätigkeit zu steigern und die Marktposition zu stärken. Hohe Anforderungen stellt das BMF-Schreiben an diesen Zusammenhang dann nicht, wenn sich Grundlagenforschung und unternehmerische Verkaufstätigkeit in einer organisatorischen Einheit befinden. 

Als Forschungseinrichtungen sollten dem Grunde nach zahlreiche Hochschulen von der erweiterten Möglichkeit des Vorsteuerabzugs im Bereich der Grundlagenforschung profitieren können, zumal die Neuregelung auf alle noch offenen Fälle anwendbar ist. Damit kann sich ein  - durch die neue Verwaltungsansicht ermöglichter  - Vorsteuerabzug gegebenenfalls sogar für Veranlagungszeiträume ergeben, für die bereits Umsatzsteuererklärungen abgegeben wurden.

Praxiserfahrungen zum Stand der Umsetzung der Neuregelung

In der praktischen Umsetzung der aus steuerlicher Sicht begünstigenden Neuregelung sind viele Hochschulen bislang allerdings zurückhaltend. Begründet wird dies maßgeblich mit drei Aspekten, die als Hemmnis oder Risiko wahrgenommen werden. Dies sind

  • mögliche beihilferechtliche Implikationen durch die Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Hochschule,
  • mögliche Rückforderungsansprüche der Mittelgeber oder Mittelkürzungen durch diese bei Geltendmachung eines Vorsteuerabzug aus dem Bereich der Grundlagenforschung und
  • mögliche steuerliche Risiken und Mehrbelastungen aus Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen, die nach Erweiterung des Vorsteuerabzugs auf den Bereich der Grundlagenforschung angeordnet werden könnten.

Wie kann ein (steuerlicher) Weg zur Umsetzung aussehen?

Aufgrund der Vorgaben zur organisatorischen Verortung der Grundlagenforschung und der Notwendigkeit, dass diese der unternehmerischen Verkaufstätigkeit dient, muss eine steuerrechtliche Beurteilung jeweils anhand der spezifischen Besonderheiten der einzelnen Hochschule erfolgen. In einem ersten Schritt ist hierbei eine Abschätzung zum wirtschaftlichen Volumen des möglichen Vorsteuerabzugs aus der Grundlagenforschung als Ausgangspunkt für weitere Schritte zu treffen. 

Eine dann folgende steuerliche Detailanalyse zum Vorsteuerabzug aus dem Bereich der Grundlagenforschung dient primär der Dokumentation und Geltendmachung gegenüber den Finanzbehörden. Sie sollte etwaige gegenläufige steuerliche Risiken der Hochschule adäquat abbilden und im Prozess berücksichtigen. Zudem kann sie im weiteren Verlauf sowohl als Grundlage in der Diskussion mit den Mittelgebern dienen als auch zur Klärung möglicher rechtlicher Fragen im Kontext des Beihilferechts.