Key Facts:
Als Folge der Grundsteuerreform liegen für rund 36 Millionen Immobilien in Deutschland aktualisierte Daten digital vor.
Die neue Datenbasis ermöglicht im betrieblichen und privaten Bereich den Ansatz beziehungsweise Nutzen von aktualisierten steuerlichen Werten.
Eine steuerliche Immobilienbewertung auf Basis der aktuellen Daten kann auch zu entsprechenden steuerlichen Optimierungen eingesetzt werden und zu einer verbesserten Tax Compliance führen.
Die Grundsteuerreform hat dazu geführt, dass Daten von circa 36 Millionen Immobilien in Deutschland neu und vor allem digital erfasst wurden. Dabei wurden unter anderem Archive oder historische Ordner durchforstet, teilweise haben Immobilieneigentümer Daten komplett neu aufgenommen. Damit wurde in vielen Fällen die Datenqualität verbessert. Dies gilt insbesondere für die erforderlichen Flächenangaben der Gebäude, die eine Differenzierung zwischen Brutto- und Nutzflächen unter Abgrenzung von Verkehrs-, Konstruktions- und Technikflächen nach der DIN-Norm im Hinblick auf die unterschiedlichen Grundsteuermodelle notwendig machten.
Dieser hohe Aufwand für eine im Verhältnis zu den Ertragsteuern geringe Grundsteuerbelastung kann sich trotzdem gelohnt haben, indem man die gewonnenen Immobiliendaten für steuerliche oder außersteuerliche Zwecke verwendet und gewinnbringend einsetzt. Sie eignen sich im betrieblichen und privaten Bereich für eine steuerliche Optimierung. Außerdem kann eine Tax Compliance im Bereich der Ertrags-, Verkehr- und Substanzsteuern geschaffen werden.
Jürgen Lindauer
Director, Tax
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Korrektur von Kaufpreisaufteilungen aus der Vergangenheit
Ertragsteuerlich geht es häufig um die Höhe der Abschreibung oder die Ermittlung der Restnutzungsdauer einer Immobilie. Bei einem Immobilienerwerb werden derzeit die Anschaffungskosten meist mithilfe eines Verkehrswertgutachtens oder nach dem Aufteilungsschlüssel der Finanzverwaltung ermittelt. In der Vergangenheit akzeptierte die Finanzverwaltung für einzelne Gebäudearten nur bestimmte Wertermittlungsverfahren. Dies wurde mittlerweile durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aufgehoben.
Zusätzlich gibt es insbesondere bei einem älteren Immobilienbestand auch zahlreiche Fälle, bei denen die Herleitung des Aufteilungsschlüssels nicht bekannt ist. Da es sich bei den Ertragsteuern (ESt, GewSt, KSt) um Jahressteuern handelt, ist man nicht an eine frühere Aufteilung gebunden. Hier sollte geprüft werden, ob aktuelle Berechnungen auf Basis der neuen Daten zu höheren Gebäudeanteilen und damit zu einer höheren Abschreibung führen. Auch die Frage, ob eine steuerliche Teilwertabschreibung möglich ist, lässt sich dank der neuen Datenlage besser einschätzen.
Effizientere Ermittlung von Verkehrs- bzw. Näherungswerten
Die neue Datenbasis macht auch eine überschlägige Ermittlung der Verkehrswerte schneller möglich. Wurden vor der Grundsteuerreform kurzfristig Informationen über die Höhe der Grunderwerbsteuer im Falle eines steuerpflichtigen Share-Deals benötigt, zog man nicht selten mangels Datengrundlage alte Einheitswerte aus dem Jahr 1964 bzw. 1935 heran und multiplizierte diese mit einem angemessenen Faktor, um eine erste überschlägige Bemessungsgrundlage zu erhalten. Dass die Abweichung zum tatsächlichen Grundbesitzwert (Bedarfswert) dabei erheblich sein kann, liegt auf der Hand. Mit der neuen Datenbasis lassen sich die überschlägigen Grundbesitzwerte in einem ersten Schritt deutlich exakter ermitteln. So können die grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen von Transaktionen künftig besser geplant werden.
Erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Transparenz
Was für den betrieblichen Bereich gilt, kann auch im privaten Bereich Anwendung finden. So lassen sich im Rahmen von vorweggenommenen Erbfolgen die Immobilienwerte durch die neue Datenlage leichter und effizienter ermitteln. Damit ergeben sich schnell Antworten auf die Frage, ob die Freibeträge ausreichend sind und ob und in welcher Höhe im Todes- oder Schenkungsfall bei einer Immobilienübertragung Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern anfallen könnten. Für den Fall einer Unternehmensbewertung wird dann klar, ob aufgrund der ermittelten Immobilienwerte das Ertragswert- oder das Substanzwertverfahren anzusetzen ist.
Umsatzsteuerliche Nutzungsänderungen einer Immobilie
Die neue Datenbasis kann auch bei Berechnung der Umsatzsteuer erhebliche Vorteile bringen. So sind spezifische Flächenangaben bei einer gemischten Nutzung im Hinblick auf den umsatzsteuerfreien und -pflichtigen Gebäudeteil zu berücksichtigen. Nutzungsänderungen können zur Rückzahlung oder Erstattung von bereits gezahlter Umsatzsteuer führen. Hier schafft die neue Datenbasis Transparenz und trägt zu einer Tax Compliance bei.
Außersteuerliche Themen
Auch bei außersteuerlichen Themen schafft die neue Datenbasis Klarheit. Zum Beispiel bei der Frage, ob bei einer Darlehensausreichung die Sicherheiten noch vorhanden sind oder aufgrund der Verträge mit Zinserhöhungen zu rechnen ist. Gleiches gilt beim Abgleich von Mietverträgen. Den neuen Daten können darüber hinaus auch relevante Informationen entnommen werden, die die Ermittlung von ESG-Kennzahlen erleichtern.
Fazit
Den Möglichkeiten und Potenzialen, die die neuen Daten aus der Grundsteuerreform bieten, sollte hinreichend Aufmerksamkeit eingeräumt werden, um Prozesse und Steuerberechnungen optimieren zu können. Insbesondere lohnt es sich, einen Blick auf die Aufteilung der Kaufpreise zu werfen. Bei beachtlicher Abweichung des nach der Arbeitshilfe ermittelten Gebäudewerts im Verhältnis zum tatsächlichen Verkehrswert sollte gegen die Steuerbescheide Einspruch eingelegt werden.