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Die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort ist in Gefahr. Nach Einschätzung ausländischer Investor:innen haben sich die schon in der Vergangenheit bemängelten Schwächen nicht verbessert. Das zeigen die Ergebnisse unserer aktuellen Studie „Business Destination Germany 2022“.

Für diese wurden 360 CFOs der größten deutschen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne aus den wichtigsten Investitionsländern zu ihrer Wahrnehmung des Wirtschaftsstandorts Deutschland befragt. Untersucht wurden dabei die wichtigsten Standortfaktoren im EU-Vergleich. Die alle zwei Jahre durchgeführte Studie wurde zum vierten Mal erhoben.

Digitale Infrastruktur und Steuersystem besonders schlecht beurteilt

Demnach hat Deutschland hinsichtlich der Standortfaktoren Steuersystem, Digitalisierung und logistische Infrastruktur im EU-Vergleich weiter an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Zugleich haben sich grundlegende Standortstärken, für die Deutschland international bekannt ist und geschätzt wird, verschlechtert: Innovationsförderndes Umfeld, Prozessautomatisierung und Arbeitsproduktivität.

Als größtes Investitionshemmnis zählen internationale Konzerne die unzureichende digitale Infrastruktur in Deutschland. Nur 13 Prozent der befragten CFOs stufen sie in die Top 5 der EU ein – 24 Prozent zählen sie dagegen zu den fünf schlechtesten in der EU. Hinzu kommen Mängel in der logistischen Infrastruktur. Nur noch 59 Prozent der CFOs betrachten sie als eine der fünf besten in der EU. Vor vier Jahren waren es noch 76 Prozent.

Auch das Steuersystem erhält eine besonders schwache Bewertung. Lediglich jeder fünfte Befragte zählt es noch zu den Top 5 in der EU. 25 Prozent dagegen halten es für eines der fünf unattraktivsten der EU.

Diverse Industrien befinden sich aufgrund der Megatrends Digitalisierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie der geopolitischen Entwicklungen und dem demografischen Wandel in einem grundlegenden Transformationsprozess. Diesem exogenen Veränderungsdruck begegnet die deutsche Politik nach Auffassung internationaler Investoren bislang zu wenig agil.

Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Deutschland punktet bei fundamentalen Standortfaktoren

Dennoch sehen mindestens 40 Prozent der befragten CFOs Deutschland bei zehn der sechzehn erhobenen Standortfaktoren unter den Top-5-Ländern in der EU. Insofern erscheint das Umfeld für internationale Investor:innen in Deutschland auf den ersten Blick weiter intakt. Die besten Bewertungen erhält der Wirtschaftsstandort erneut bei den Faktoren Lebensstandard (81 Prozent) sowie öffentliche Sicherheit und politische Stabilität (je 80 Prozent). 

Stagnierende Arbeitsproduktivität gegen den globalen Trend

Geschätzt wird zudem die hohe Arbeitsproduktivität – ihre seit 2018 währende Stagnation wird allerdings mit Sorge wahrgenommen. „Die hiesige Stagnation der Arbeitsproduktivität steht im krassen Kontrast zur Entwicklung in anderen Industrieländern und dem EU-Durchschnitt. Auch hier existiert Reformbedarf in Deutschland“, konstatiert Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business.

Daneben zeigt die Umfrage auf Positives. So hat Deutschland in Bezug auf die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte deutliche Fortschritte erzielt. Laut der Studie sehen 38 Prozent der internationalen CFOs das Land unter den Top 5 in Europa. Vor zwei Jahren befanden dies nur 25 Prozent.

Zwar investieren internationale Konzerne derzeit in Deutschland in zukunftsweisende Leuchtturm-Projekte. Aktuell planen aber nur noch 19 Prozent der Befragten in den kommenden fünf Jahren ein Investment von mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr in Deutschland. Vor vier Jahren wollten dies noch 34 Prozent der Befragten.

Über die Studie

Für „Business Destination Germany 2022“ wurden zwischen Mitte Juni und Mitte August 2021 insgesamt 360 CFOs privatwirtschaftlicher deutscher Tochtergesellschaften ausländischer Mutterkonzerne befragt. Dabei wurde jeweils nur die größte Tochtergesellschaft pro Mutterkonzern angesprochen. Die Mutterkonzerne stammen aus den für Deutschland wichtigsten Investorenländern.