Keyfacts

  • 2022 erwarten wir für Deutschland ein abgeschwächtes Wachstum von 1,8 %. Die zwischenzeitlich erreichte wirtschaftliche Erholung nach dem Auslaufen der Pandemie und dem Eintritt in die endemische Phase wird kräftig eingebremst durch den Russland-Ukraine-Krieg und dessen kurz-, mittel- und langfristige Folgen. 
  • Direkt betroffen sind die fast 4.000 in Russland investierten deutschen Unternehmen durch wegfallende Umsatz- und Ergebnisbeiträge sowie signifikante Abwertungen von Anlagevermögen, Vorräten, Forderungen, Beteiligungen und Ausleihungen und die vielen Tausend Unternehmen, die aus Russland importieren, dorthin exportieren oder Russland als Transitland für den Gütertransport von und nach Asien nutzen.
  • Noch dramatischer sind die Folgen für die indirekt betroffenen Unternehmen: Stetig steigende Preise für diverse Rohstoffe sowie Vor- und Zwischenprodukte bei gleichzeitig hoher Volatilität der Preise gehören zur „neuen Normalität“. Für 2022 rechnen wir im Mittel mit einer Inflationsrate von 7 %.

Langfristige Folgen der Versorgungs- und Handelskrise

Im Zuge des Krieges in Osteuropa erwartet die deutsche Wirtschaft umfangreiche Einschränkungen ihrer Produktion, plant geringere Investitionen  - gerade in energieintensiven Branchen  - und rechnet mit nachlassendem privaten Konsum. Auf dieser Basis prognostizieren wir in unserem aktuellen KPMG Global Economic Outlook für 2022 ein abgeschwächtes Wachstum von nur noch 2,2 %. Insbesondere die Abhängigkeit von russischen, aber auch ukrainischen Rohstoffen,  - wie Öl, Gas, Holz und Nahrungsmittel  - und die dadurch entstehende Kettenreaktion bei den hieraus produzierten Vor- und Zwischenprodukten drückt die Wirtschaftsaussichten. 

Die Sanktionen gegen Russland und die Gegensanktionen Russlands werden auch langfristig zu Lieferengpässen führen. Wie bereits in der Corona-Pandemie führt auch der Krieg in der Ukraine wegen der Verkettung der Lieferketten und dem „single sourcing“ mit dem Preis als alleiniges Beschaffungskriterium in die Krise.

Der Inflationsdruck steigt

Die Inflation in Deutschland liegt bereits seit Sommer 2021 über dem langfristigen Ziel der EZB von knapp unter zwei Prozent. Stetig steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise gelten dabei als Haupttreiber, wobei der Krieg und die sanktionsbedingten Versorgungsengpässe den Preisanstieg potenzieren. Als Folge der Lokalisierung der Lieferketten und des Einkaufs teurerer Ersatzprodukte wird sich das Preisgefüge in Deutschland nachhaltig erhöhen und die Inflation weiter antreiben. So ist bspw. Flüssiggas deutlich teurer als konventionelles Gas und erfordert den Aufbau bislang fehlender Infrastruktur. 

Die Zentralbanken drosseln als Gegenmaßnahmen ihre bislang sehr expansive Geldpolitik. Allerdings agiert die Federal Reserve in den USA dabei schneller als die EZB. Insgesamt rechnen wir im aktuellen KPMG Global Economic Outlook deshalb für 2022 mit einem durchschnittlichen Preisanstieg von 6 % in Deutschland.

Weitere bislang nicht eingepreiste Risiken

„Unsere Prognose spiegelt das wahrscheinlichste Szenario mit Stand Mitte April wider. Die Situation ist durch den Krieg und weitere exogene Effekte wie die Lockdowns in China allerdings sehr volatil“, betont Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland. „Sollten die Gaslieferungen aus Russland aufgrund von europäischen oder russischen Sanktionen eingestellt werden, rechnen wir in diesem Jahr mit einem Abrutschen in die Rezession. Gleichsam würde die Inflationsrate abermals höher liegen  - gegebenenfalls gar zweistellig.“

Unternehmen sollten sich Transparenz über Ihre Lieferketten verschaffen  - auch bei ihren Vorlieferanten  - und umsetzungsreife Pläne für ein „worst case“-Szenario vorbereiten hins. Sicherstellung der Liquidität, Kapazitätsmanagement und Erzielung von Kosteneinsparungen. Es könne ggf. auch eine Alternative sein, die Wertschöpfungstiefe im eigenen Unternehmen zu erhöhen, d.h. weitere Produktionsstufen zu integrieren, rät Andreas Glunz.