• Charles Hermann, Partner |

Ein dänisches Finanzinstitut ("FinCo") hält CHF 250 Millionen in einer Obligation der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Das Bundesverwaltungsgericht ("BVGer") hat nun bestätigt, dass FinCo keinen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von 35% auf den Coupons dieser Obligation hat, da sie gleichzeitig einen Währungsswap mit einer Gegenpartei auf dem Markt abgeschlossen hat. 

Diese Entscheidung bedeutet, dass FinCo, die auch ein schweizerisches Unternehmen sein könnte, ein Exposure in Schweizer Franken nicht in eine andere Währung und/oder eine feste Verzinsung in eine variable Verzinsung einer schweizerischen Obligation umwandeln kann, ohne 35% der mit dieser Obligation erwirtschafteten Zinsen verlieren zu müssen. Der Verlust von 35% der Zinsen bedeutet, dass FinCo, wie jeder andere in- oder ausländische Investor, in Zukunft auf Investitionen in Schweizer Obligationen verzichten wird, wann immer er erwägt, das Währungsrisiko zu steuern und/oder feste Zinsströme in variable umzuwandeln. Daher werden sich Anleger (selbst kleine Schweizer Kantonalbanken oder Pensionskassen) zweimal überlegen, ob sie Schweizer Obligationen kaufen wollen. Wie konnte es zu dieser Situation kommen und was ist zu tun?

Nutzungsberechtigt oder nicht?

Der Inhaber einer Schweizer Obligation kann die Verrechnungssteuer von 35% auf seine Zinsen zurückerstattet bekommen, wenn er unter anderem der Nutzungsberechtigte des Zinsertrags ist. Ursprünglich war der Nutzungsberechtigte eines Einkommens die Person, die die rechtliche Kontrolle über das Wertpapier und sein Einkommen hatte. 

In den letzten 15 Jahren haben die Schweizer Gerichte die Auslegung dieses Begriffs geändert. Sie haben den juristischen Ansatz aufgegeben und eine wirtschaftliche Sichtweise des Begriffs Nutzungsberechtigter angenommen. Diese wirtschaftliche Dimension wurde in jüngster Zeit erweitert, um die Finanzströme nahezu unabhängig von der Rechtsposition zu erfassen. So kann heute jeder Inhaber einer Schweizer Aktie oder Obligation (nach der Entscheidung des BVGer) die Verrechnungssteuer nicht mehr zurückerstattet bekommen und somit nur noch 65% der Dividende oder des Coupons erhalten, wenn der Anleger das Risiko des Wertpapiers überwiegend mit Derivaten oder, speziell für eine Obligation, einem Währungsswap absichert.

Die Entscheidung des BVGer stützt sich auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts, die im Zusammenhang mit mehreren Fällen entwickelt wurde, die als "dividend washing" wahrgenommen werden. Das BVGer betrachtete lediglich die Finanzströme und war der Ansicht, dass FinCo den Betrag der Coupons auf die Bundesobligationen an die Gegenpartei des Währungsswaps "weiterleitet". Dabei ignorierte das BVGer die Risiken und wirtschaftlichen Umstände der Transaktion und "vergass", dass eine Obligation keine Aktie ist, ein Coupon keine Dividende ist und ein Vollswap (oder "Total Return Swap") auf eine Aktie sich von einem Swap auf Währungen und/oder Zinsen unterscheidet. 

Eine Obligation ist ein vollkommen substituierbares Wertpapier; eine Aktie ist es nicht. Im Gegensatz zu einer Dividende wird ein Coupon auf eine Obligation pro rata temporis fällig und ausgezahlt und die aufgelaufenen Zinsen unterliegen nicht der Verrechnungssteuer. Ein Währungs- und/oder Zinsswap verändert nur einen Zahlungsstrom, während ein Vollswap die gesamte Wertentwicklung eines Wertpapiers umwandelt. In dieser Hinsicht ist die Tatsache, dass das Ausfallrisiko des Bundes praktisch null ist, irrelevant. Denn die Qualität des Begriffs Nutzungsberechtigter hängt nicht von der Höhe des Ausfallrisikos des Emittenten einer Obligation ab.

Finanzierungskosten steigen - ein Beispiel

Die «Romandie SA» gewährte ihrer deutschen Tochtergesellschaft ein Darlehen in Höhe von EURO 50 Millionen. Der CFO der Romandie SA möchte dieses Darlehen refinanzieren und kontaktiert seine Schweizer Bank, um eine Finanzierung von EURO 50 Millionen zu erhalten. Die von seiner Bank vorgeschlagene Finanzierung wird in bestimmten Fällen aus Sicht der Verrechnungssteuer als Obligation angesehen. So muss die Romandie AG eine Steuer von 35% auf die an ihre Bank gezahlten Zinsen entrichten. Auf der Grundlage der Entscheidung des BVGer kann die Schweizer Bank nur 65% der von Romandie SA gezahlten Zinsen erhalten, wenn sie ihr finanzielles Risiko managen und einen Währungsswap abschließen müsste, um den EURO-Fluss in CHF umzuwandeln. In der Praxis wird niemand das Recht auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von 35% auf die Zinsen dieser Finanzierung geltend machen können. Wenn also alle anderen Faktoren gleich sind, wird die Schweizer Bank gezwungen sein, die Finanzierungskosten um 35% zu erhöhen, um ihre Handelsmarge aufrechtzuerhalten, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Bank ihre Risiken und ihre Liquidität sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus regulatorischer Sicht auf relevante und legitime Weise verwaltet. 

Was nun?

Wir haben den Fall von FinCo Bard, Googles System für künstliche Intelligenz, vorgelegt. Bard bestätigte uns, dass "FinCo die Nutzungsberechtigte der Zinsen auf den Bundesobligation ist", selbst wenn FinCo einen Währungsswap abgeschlossen haben sollte. Denn "FinCo behält die Kontrolle und behält alle seine Rechte; die Swap-Gegenpartei hat keine Rechte an den Zinserträgen und der Obligation". FinCo musste über drei Jahre auf eine 45-seitige Entscheidung des BVGer warten und CHF 32’500 an Gebühren an das BVGer zahlen.

FinCo legte gegen diese Entscheidung beim Bundesgericht Beschwerde ein.

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