Strukturwandel: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben Strukturwandel: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Sobald die staatlichen Unterstützungsmassnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 auslaufen bzw. die Kredite fällig werden, ist mittel- bis langfristig mit einem Anstieg der Insolvenzen zu rechnen. Gerade bei den «Zombie-Firmen» gilt die Erwartung, dass der Strukturwandel durch die getroffenen Massnahmen lediglich aufgeschoben, nicht aber aufgehoben wurde. Eine höhere Anzahl an finanziellen Restrukturierungen bei Unternehmen mit einer zu hohen Schuldenlast ist zu erwarten.
Es besteht kein Zweifel daran, dass Liquiditätshilfen und Kreditbürgschaften kurzfristig notwendig waren, um gesunde Unternehmen, die unter starkem Liquiditätsdruck standen, vor der Insolvenz zu bewahren. Gleichzeitig besteht jedoch die Hypothese, dass Unternehmen, die den Herausforderungen des Marktes – unabhängig von der Pandemie – nicht gewachsen wären, vom Staat durch die Pandemie-Unterstützung gerettet werden. Diese Hypothese stützt sich auf die Tatsache, dass im Jahr 2020 mit 14'770 Konkursverfahren 6.6 % weniger eröffnet wurden als noch im Vorjahr.
Unter der Annahme, dass sich die Unternehmensinsolvenzen ohne das finanzpolitische Eingreifen des Bundes im Rahmen des Härtefallprogramms im Jahr 2020 mindestens auf dem durchschnittlichen Niveau des Vorjahres und 2018 bewegt hätten, gehen wir davon aus, dass die staatliche Pandemie-Unterstützung und die vorrübergehende Aussetzung des Insolvenzantragsverfahrens mindestens 1'000 Schweizer Firmen vorerst vor dem Konkurs gerettet haben, die ohne Pandemie diesem zum Opfer gefallen wären (Insolvenzlücke).
Ein weiteres Risiko ist die Zunahme von sogenannten «Zombie-Firmen». Darunter versteht man Unternehmen, die aufgrund ihrer hohen Verschuldung nie selbst in der Lage sein werden, die staatlichen Überbrückungskredite (inklusive Zinsen und Amortisationen) zu tilgen. Da im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise und den damit verbundenen Hilfsmassnahmen die Hürden der Kreditvergabe für betroffene Unternehmen tendenziell herabgesetzt wurden, steigt die beschriebene Gefahr, dass Kredite an Unternehmen vergeben wurden, die diese – aus eigenen Kräften – nie zurückzahlen können. Um die Verschuldung auf ein nachhaltiges und tragfähiges Niveau zu reduzieren, erscheint vor diesem Hintergrund eine höhere Anzahl an finanziellen Restrukturierungen unumgänglich. Zurzeit gibt es noch keine Anhaltspunkte für eine Schätzung, wie viele der COVID-19-Kredite ausfallen werden. Aufgrund der oben genannten Punkte und unserer Einschätzung ist das Kreditausfallrisiko auf diesen staatlich abgesicherten Krediten jedoch überdurchschnittlich.
Die finanzpolitischen Eingriffe des Bundes auf den Strukturwandel der betroffenen Branchen werden auch in der Veränderung ihrer Kapital- bzw. Schuldenstruktur ersichtlich. Grundsätzlich sind in den Industrieländern die Kosten der Verschuldung aufgrund der sehr tiefen oder sogar negativen Zinssätze derzeit gering. Staaten können sich daher in grossem Umfang verschulden, um Unternehmen, Arbeitnehmende und private Haushalte angesichts der derzeitigen Störung der Wirtschaftstätigkeit zu unterstützen.
Die Verschuldung der Unternehmen des privaten, nicht-finanziellen Sektors in Relation zum Bruttoinlandsprodukt war bereits vor der Pandemie hoch und lag in der Schweiz bei über 250%. Verglichen mit der Eurozone und den USA hat die Verschuldung der Schweizer Unternehmen zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2021 absolut betrachtet am stärksten zugenommen.
Fazit
Mittel- bis langfristig erwarten wir eine Zunahme der Insolvenzen und einen erhöhten Sanierungs- und Restrukturierungsbedarf. Gerade bei den «Zombie-Firmen» gilt die Erwartung, dass der Strukturwandel durch die getroffenen Massnahmen lediglich aufgeschoben, nicht aber aufgehoben wurde.