Am 17. Juli 2023 veröffentlichte die OECD ein aktualisiertes öffentliches Konsultationsdokument zu „Amount B“ – Vereinfachung der Verrechnungspreisbestimmung von Vertriebstätigkeiten durch standardisiertes Benchmarking

Tax Flash 3/2023

Tax Flash 3/2023

Etwas verborgen hinter der öffentlichen Aufmerksamkeit für die globale Mindestbesteuerung („Pillar Two“ bzw. „GloBE“) und die Marktstaatenbesteuerung für die Global Big Players („Amount A“ unter „Pillar One“) entwickelt sich aktuell ein weiteres Thema zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung auf Ebene der OECD/G20: „Amount B“ soll – auch für kleinere und mittelständische Konzerne – ein Hilfsmittel zur Erstellung eines standardisierten, vereinfachten Fremdvergleichs für Vertriebseinheiten darstellen.

1. Internationale Steuerreform unter der Ägide von OECD/G20 – „Amount B“ unter Pillar I

Die OECD/G20 haben sich seit einigen Jahren dem gemeinsamen Kampf gegen unerwünschte Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (Base Erosion and Profit Shifting, kurz: BEPS) verschrieben. Zu diesem Zweck wurde ein breiter internationaler Schulterschluss im Rahmen des sogenannten „Inclusive Framework on BEPS“, welchem bis dato mehr als 140 Staaten und Territorien angehören, erreicht. Thematisch wird die aktuelle BEPS-Agenda vor allem durch die geplante Umsetzung eines Zwei-Säulen-Modells dominiert. Während die zweite Säule („Pillar Two“) mit der geplanten Einführung einer globalen Mindestbesteuerung („GloBE“) – nicht zuletzt auch aufgrund der mittlerweile in der EU erzielten Einigkeit – bereits in das Bewusstsein der größeren österreichischen Unternehmensgruppen gelangt ist, scheint die erste Säule („Pillar One“) in der österreichischen Wirtschaft noch kaum Aufmerksamkeit zu erregen. Dies mag vor allem daran liegen, dass bis dato insbesondere „Amount A“ (d. h. die präsenzunabhängige Zuordnung von Steuersubstrat zu Marktstaaten) im Zentrum der Aufmerksamkeit von Pillar One stand und dieser neue Ansatz vorerst nur für die ganz großen Global Players (d. h. Konzerne mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 10 % Profitabilität) gelten soll.

Allerdings sieht Pillar One noch eine zweite Komponente – den sogenannten „Amount B“ – vor, welcher eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verrechnungspreisbestimmung für bestimmte konzernzugehörige Routinevertriebseinheiten vorsieht. Dies soll durch ein auf Ebene der OECD (bzw. der Staaten des IF) akkordiertes „standardisiertes Benchmarking“ mit daraus abgeleiteten industrieabhängigen Fremdvergleichsbandbreiten (auf Basis: Return on Sales / EBIT-Marge) realisiert werden. Die Arbeiten zu Amount B sollen dabei völlig größenunabhängig zur Anwendung gelangen und somit auch für österreichische Konzerne (mit ausländischen Vertriebsgesellschaften) anwendbar sein – nach aktuellem Zeitplan schon ab 2024. Das am 17. Juli 2023 veröffentlichte OECD-Konsultationspapier zu „Pillar One – Amount B“ liefert Steuerpflichtigen erstmals konkrete Anhaltspunkte wie die Ausgestaltung von Amount B aller Voraussicht nach aussehen wird – insbesondere in Bezug auf Anwendungsbereich (Scope) und Fremdvergleichsbandbreiten (Pricing Framework). Kommentare sind bis zum 1. September 2023 möglich.

1.1. Wer fällt unter „Amount B“ (Anwendungsbereich)?

Wie bereits erwähnt, soll Amount B eine vereinfachte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Bezug auf Routinevertriebstätigkeiten („baseline marketing and distribution activities“) sicherstellen:

Amount B soll grundsätzlich für die folgenden Transaktionsarten gelten:

  • Buy-Sell Marketing- und Vertriebstransaktionen, bei denen die Vertriebseinheit Waren von einem oder mehreren verbundenen Unternehmen für den Großhandelsvertrieb an nicht verbundene Unternehmen kauft; und
  • Vertriebstransaktionen von Handelsvertretern und Kommissionären, bei denen der Handelsvertreter oder Kommissionär am Großhandelsvertrieb von Waren an unabhängige Parteien durch ein oder mehrere verbundene Unternehmen beteiligt ist.

Wenngleich die ursprüngliche Zielsetzung des BEPS 2.0 Projekts darin bestand, die Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft zu adressieren, scheint aktuell die Tendenz absehbar, dass gerade der Vertrieb digitaler Produkte nicht von der Vereinfachungsregelung umfasst sein wird (dies ist dem Umstand geschuldet, dass digitale Dienstleistungen nicht vom Anwendungsbereich umfasst sind und eine Unterscheidung zwischen digitalen Dienstleistungen und digitalen Produkten wenig praxistauglich erscheint), auch wenn im Konsultationspapier darauf hingewiesen wird, dass weitere Arbeiten in diesem Zusammenhang durchgeführt werden, um u. U. auch den Vertrieb digitaler Produkte von der Vereinfachungsregelung zu erfassen.

Ebenso nicht Gegenstand der vereinfachten Fremdvergleichsprüfung („arm’s length test“) sind digitale sowie sonstige Dienstleistungen und der Vertrieb von „Commodities“ (idR Marktpreise verfügbar). Vor diesem Hintergrund ist nach aktuellem Verhandlungsstand der IF-Staaten davon auszugehen, dass die mittels standardisierten Benchmarkings abgeleiteten Fremdvergleichsbandbreiten in erster Linie in Bezug auf jene konzernzugehörigen Vertriebseinheiten zur Anwendung gelangen werden, die im Vertrieb körperlicher Wirtschaftsgüter an konzernexterne Kunden (auf Großhandelsbasis) tätig sind. Einzelhandelsumsätze (retail) bis zu einem Schwellenwert von 20 % der Gesamtumsätze sollen dabei unschädlich sein, um eine entsprechende Praxistauglichkeit sowie einen möglichst breiten Anwendungsbereich sicherzustellen. Bei Konzerngesellschaften mit mehreren Funktionsbereichen (z. B. Produktion und Vertrieb) erfordert die Anwendung von Amount B eine zuverlässige Segmentierung der GuV.

Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Amount B soll zudem dann eröffnet werden, wenn zur Ermittlung des fremdüblichen (Liefer-)Verrechnungspreises ein interner Preisvergleich zur Verfügung steht und dieser besser geeignet ist, um ein fremdübliches Vergütungsniveau abzuleiten, als das Amount B Framework (Anm.: unklar bleibt hier, ob bzw. inwieweit hierfür die Beweislast den Steuerpflichtigen trifft).

Unklar bleibt zum aktuellen Zeitpunkt zudem auch wie die Abgrenzung der Routinevertriebstätigkeiten (baseline distribution and marketing) final aussehen soll. Hier finden sich im OECD-Konsultationspapier zwei unterschiedliche Ansätze, wobei entweder eine rein quantitative Abgrenzung über Verhältniskennzahlen (konkret: Operating Expenses / Net Revenues) oder eine zusätzliche qualitative Abgrenzung gegenüber vermeintlich höherwertigen Tätigkeiten („non-baseline contributions“) erfolgen könnte.

2. Wie hoch ist Amount B (Pricing Framework)?

Als Fundament der von Seiten der OECD im Konsultationspapier dargelegten quantitativen Überlegungen dient eine in der Datenbank Orbis durchgeführte globale Benchmark-Analyse. Auf Basis einer breit angelegten Suchstrategie sowie nachgelagerten qualitativen Screening-Schritten wurde dabei ein globales Datenset an Routinevertriebsgesellschaften abgeleitet. Die hierbei zu beobachtenden Umsatzrenditen (Return on Sales / EBIT-Margen) wurden sodann in eine globale „Pricing-Matrix“ überführt, wobei die konkrete Höhe des fremdüblichen Gewinns einer Vertriebseinheit einerseits von der Industriegruppe sowie andererseits von Verhältniskennzahlen in Bezug auf funktionale Wertschöpfung – konkret Betriebsvermögen (operating asset to sales intensity, OAS) sowie betriebliche Aufwendungen (operating expense to sales intensity, OES) – abhängen soll. Eine nähere Beschreibung zur Datenbanksuche und der Einteilung in drei Industriegruppen findet sich in Annex A und Annex B des Konsultationspapiers.

2.1 Globale Pricing-Matrix

In Abhängigkeit von Industrie und OAS-/OES-Ratio sieht die von Seiten der OECD erarbeitete globale Pricing-Matrix fremdübliche EBIT-Margen zwischen 1,5 % - 5,5 % für Routinevertriebsgesellschaften vor:

            Industry
Grouping 1
Industry
Grouping 2
Industry
Grouping 3
Factor
Intensity
[A] High OAS / Any OES 
> 45 % / Any level
3,50 % 5,25 % 5,50 %
[B] Med / High OAS / Any OES 
30 % - 44,99 % / Any level
3,25 % 3,50 % 4,50 %
[C] Med / Low OAS / Any OES 
15 % - 29,99 % / Any level
2,75 % 3,25 % 4,25 %
[D] Low OAS / Non-low-OES 
< 15 % / 10 % or higher
2,00 % 2,25 % 3,00 %
[E] Low OAS / Low OES 
< 15 % / < 10 % OES
1,50 % 1,75 % 2,25 %

 

Die Unterscheidung in drei Industriegruppen basiert dabei auf einer OECD-eigenen Klassifizierung der Produkte. Um die operative Handhabung für Steuerpflichtige zu erleichtern, sollen die dargestellten Zielrenditen einer Schwankungsbreite von +/- 0,5 Prozentpunkte unterliegen dürfen. Zusätzliche Anpassungsrechnungen in Bezug auf Handelsvertreter (Agenten) und Kommissionäre um deren vergleichsweise geringerem Funktions- und Risikoprofil Rechnung zu tragen (wie im ursprünglichen OECD-Konsultationspapier vom Dezember 2022 diskutiert) sind aktuell nicht mehr vorgesehen. Der Vereinfachungsansatz unter Amount B ist dabei als reiner ex-post „outcome-testing“-Ansatz zu verstehen. Kommt die EBIT-Marge einer Routinevertriebsgesellschaft im Anwendungsbereich von Amount B außerhalb der dargelegten Fremdvergleichsbandbreiten zu liegen und wird dieser Umstand z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung evident, soll eine Anpassung auf den Mittelwert der für die jeweiligen Vertriebsgesellschaft einschlägigen Bandbreite erfolgen. Die Pricing-Matrix soll lediglich alle 5 Jahre angepasst werden, ausgenommen es sei denn, es gibt eine wesentliche Änderung der Marktbedingungen, die eine zwischenzeitliche Aktualisierung rechtfertigt.

2.2. Berücksichtigung von Länderspezifika

Im Rahmen der Benchmarking-Übung wurde evident, dass geographische Unterschiede in Bezug auf die Rentabilität von (unabhängigen) Vertriebsgesellschaften bestehen. Vor diesem Hintergrund arbeitet die OECD aktuell an einer modifizierten Pricing-Matrix, die in Bezug auf all jene Länder mit erhöhten Renditen zur Anwendung gelangen soll (qualifying jurisdictions). Technische Details hierzu befinden sich aktuell in Ausarbeitung.

Da im Rahmen der globalen Benchmark-Analyse nicht in Bezug auf alle Märkte eine ausreichende Anzahl an Vergleichsunternehmen identifiziert werden konnte, sollen überdurchschnittliche Länderrisiken in diesen Märkten teils über formelhafte Risikozuschläge auf die globale Pricing-Matrix (Uplifts) abgeleitet werden.

Schließlich räumt das aktuelle OECD-Konsultationspapier den lokalen Finanzverwaltungen die Möglichkeit ein jeweils lokale Benchmark-Studien (auf Basis lokaler Datenbanken) anzufertigen, welche dann anstelle der globalen Pricing-Matrix zur Anwendung gelangen können. Die Benchmarking-Kriterien haben sich dabei jedoch an jenen globalen Datenbankstudie zu orientieren und es bedarf einer vorherigen Freigabe der IF-Mitgliedsstaaten, wobei derzeit unklar ist, ob dafür ein Mehrheitsbeschluss oder Einstimmigkeit notwendig ist.

2.3. Verprobung Fremdüblichkeit Vertriebsrenditen (EBIT-Margen) mittels Berry Ratio

Als primärer Gewinnindikator soll – wie oben dargestellt – der Return on Sales (EBIT-Marge) herangezogen werden. Um zu vermeiden, dass dies in Einzelfällen zu nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Ergebnissen führt, sieht das OECD-Konsultationspapier einen zusätzlichen Verprobungsmechanismus auf Basis der Berry Ratio (= Verhältnis von Rohgewinn zu operativen Kosten) vor. Konkret soll ein Korridor von 1,05 (Untergrenze) bis 1,50 (Obergrenze) eingezogen werden, der für alle Werte der Pricing-Matrix gleichermaßen gilt. Liegt die einer konkreten IC-Vertriebsgesellschaft mittels Pricing-Matrix zuzustehende EBIT-Marge bei Umrechnung in eine (implizite) Berry Ratio außerhalb dieses Berry-Ratio Korridors, erfolgt eine Anpassung der EBIT-Marge zum nächstgelegenen Punkt des Berry-Ratio Korridors. Die OECD scheint hier insbesondere den Fall funktionsschwacher Vertriebsgesellschaften (mit niedrigen operativen Aufwendungen) vor Augen zu haben, denen auf Basis des generellen Pricing-Ansatzes (EBIT-Marge) potentiell zu hohe (nicht dem tatsächlichen Funktions- und Risikoprofil entsprechende) Gewinne zugestanden werden könnten.

3. Dokumentation

Im Konsultationspapier wird empfohlen, dass der Steuerpflichtige bei erstmaliger Anwendung des vereinfachten Fremdvergleichsgrundsatzes bei Routinevertriebstransaktionen, dies im Local File entsprechend darstellt und alle notwendigen Informationen anführt, die der Finanzverwaltung ermöglicht zu prüfen, ob die Transaktion in den Anwendungsbereich von Amount B fällt und seitens des Steuerpflichtigen korrekt bepreist wurde (Transaktionsbeschreibung inkl F&R-Analyse, vertragliche Grundlage, Industriegruppierung, OAS-/OEAS-Ratio, Berücksichtigung Länderspezifika etc). Weiters soll seitens des Steuerpflichtigen (z. B. im Local File) auch eine Zustimmung der Anwendung des vereinfachten Ansatzes für mindestens drei Jahre erfolgen, ausgenommen die relevante Transaktion fällt in den Folgejahren weg.

4. Umsetzungsplan und mögliche Auswirkungen für die Praxis

Sollte „Amount B“ in der geplanten Form vorangetrieben und implementiert werden, hätten die „in-scope“ Konzernvertriebseinheiten (sowie auch die Finanzverwaltungen) künftig einen deutlich vereinfachten Zugang zu steuerlich maßgebenden (Bandbreiten an) Fremdvergleichswerten. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst keineswegs übertrieben, „Amount B“ ein erhebliches Potenzial zur signifikanten Vereinfachung der steuerlichen Verrechnungspreispraxis (und damit der Tax Compliance) sowie der Erhöhung von Steuersicherheit durch Vermeidung von Besteuerungsstreitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen zuzuerkennen. Aufgrund der beschriebenen Abgrenzungsfragen und Faktoren, die zur Nichtanwendung bzw. zu „individuellen“ Anpassungen der Pricing-Matrix führen, wird jedoch erst die Zukunft zeigen, ob dieses Ziel auch wirklich erreicht wird.

Wenngleich in den letzten Monaten große Fortschritte zu den technischen Details von Amount B gemacht wurden (insbesondere zum Anwendungsbereich bzw. dem Pricing-Ansatz) so bleibt nach wie vor offen, wie die konkrete Ausgestaltung erfolgen soll. Hier wären sowohl eine verpflichtende Anwendung (und somit Zwangsbeglückung aller Steuerpflichtigen) als auch eine Ausgestaltung als optionales Angebot („Safe-Harbour“) denkbar. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie die finale Umsetzung erfolgen wird.

In zeitlicher Hinsicht wird der finale Amount B-Report der OECD für Ende 2023 erwartet. Die Ergebnisse sollen zudem in die überarbeiteten OECD-VPL (avisiert für Jänner 2024) Eingang finden und sind daher grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt auch anwendbar. In Anbetracht des ambitionierten Zeitplans zur Umsetzung von Amount B sind Unternehmen gut beraten die weiteren Entwicklungen genau zu verfolgen und bereits jetzt eine Betroffenheitsanalyse und gegebenenfalls auch einen Abgleich der derzeitigen Pricing Matrix (Fremdvergleichsbandbreiten) mit der bestehenden TP-Policy und den angewendeten Vertriebsmargen vorzunehmen und etwaige Vereinfachungsmöglichkeiten aber auch einen möglichen Handlungsbedarf zu analysieren.

Gerne unterstützt Sie ihr KPMG-Berater bei einer diesbezüglichen Erstanalyse.