Aktuelle Entwicklungen im europäischen Sozialversicherungsrecht zu grenzüberschreitender Homeoffice-Tätigkeit bzw. Telearbeit

Tax Personnel News 08/2022

Tax Personnel News 08/2022

Karabiner

Befinden sich Arbeitgeber und Wohnsitz des Arbeitnehmers nicht in demselben Staat, führen Teleworking bzw. Homeoffice-Tätigkeiten in wesentlichem Ausmaß zu einem Wechsel der anwendbaren nationalen Sozialversicherungsrechtsordnung. Die Corona-Sonderregelung, wonach Homeoffice-Tätigkeiten auch in wesentlichem Ausmaß keine Änderung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts zur Folge haben, wurde nun bis 30.06.2023 verlängert. Zudem tritt am 01.01.2023 eine Rahmenausnahmevereinbarung mit Deutschland in Kraft, wonach es auf Antrag bei bis zu 40 % Homeoffice-Tätigkeit nicht zu einer Änderung der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung kommt.

Ein Grundprinzip der für den EU-/EWR-Raum und die Schweiz relevanten VO (EG) 883/2004 (Europäische Sozialversicherungsrechtliche Koordinierungsverordnung) ist, dass eine Person stets nur der Pflichtversicherung nach dem Sozialversicherungsrecht eines Staates unterliegt. Dieses anzuwendende Recht wird für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer durch besondere Kollisionsnormen geregelt. Im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Homeoffice-Tätigkeiten bzw. Teleworking hat insbesondere die sog. „Multi-State-Worker“-Koordinierungsregelung für Arbeitnehmer, die laufend alternierend in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig sind, Relevanz. Demnach sind solche Arbeitnehmer im Wohnsitzstaat pflichtversichert, wenn sie dort einen wesentlichen Teil (mind. 25 %) ihrer Tätigkeit ausüben. Für Dienstnehmer mit Wohnsitz außerhalb Österreichs wechselt daher die Sozialversicherungszuordnung von Österreich zum ausländischen Wohnsitzstaat, sobald sie 25 % ihrer Tätigkeit im Homeoffice ausüben. 

Für die Zeit der Corona-Pandemie bestand diesbezüglich jedoch eine Ausnahmeregelung, wonach solche Homeoffice-Tätigkeiten wegen höherer Gewalt auch in wesentlichem Ausmaß nicht zu einem Wechsel des anwendbaren Sozialversicherungsrechts führen. Diese Regelung lief grundsätzlich zwar mit 30.06.2022 aus; zur Vermeidung einer abrupten Änderung des anwendbaren Rechts wurde ihre Geltung aber zunächst bis zum 31.12.2022 und nunmehr bis zum 30.06.2023 verlängert. Ab 01.07.2023 sind wieder die „normalen“ Koordinierungsregelungen nach der VO 883/2004 zu beachten.

Zusätzlich haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in diesem Zusammenhang bilaterale Rahmenausnahmevereinbarungen für bestimmte Personengruppen zu vereinbaren. Zwischen Österreich und Deutschland wird mit 01.01.2023 eine derartige Vereinbarung in Kraft treten, wonach auf Antrag bis zu 40 % Homeoffice-Tätigkeit im Wohnsitzstaat ohne einen Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung möglich sind. Die Anwendung der Rahmenvereinbarung kann für höchstens 2 Jahre beantragt werden; Verlängerungsanträge sind möglich.

Laut aktueller Veröffentlichung des Hauptverbandes für Sozialversicherungsträger hat das Sozialministerium auch bereits den anderen EU-/EWR-Nachbarstaaten und der Schweiz entsprechende Vereinbarungen vorgeschlagen. Diesbezügliche Verhandlungen konnten aber noch nicht aufgenommen werden.