Tax News: EuGH zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines Ausbaus einer öffentlichen Gemeindestraße (16.9.2020, C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG)

EuGH zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines Ausbaus ei

Der EuGH kommt in seiner Entscheidung vom 16.9.2020 (Rs C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG) zum Ergebnis, dass zur umsatzsteuerlichen Beurteilung der Kostentragung von Erschließungsmaßnahmen durch Unternehmer im Ergebnis auf die Versteuerung des tatsächlichen Endverbrauches abzustellen ist. Sofern empfangene Arbeiten zum Ausbau einer Straße einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen, zu besteuerten Umsätzen führenden Tätigkeit eines Steuerpflichtigen aufweisen, können somit jene Kosten, die mit den Arbeiten zum Straßenausbau in Verbindung stehen und für die ein entsprechender Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, bereits als in die der Umsatzsteuer zu unterwerfenden Ausgangsleistungen eingeflossen gelten. Einer Besteuerung (der Übertragung in das öffentliche Eigentum) in Form einer fiktiven Lieferung zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauches wird damit jedoch der Raum entzogen.

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Für den Inhalt verantwortlich

Gerald Punzhuber

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Vorgeschichte und rechtliche Grundlagen

Das Thema des Vorsteuerabzuges (§ 12 Abs 1 Z 1 lit a UStG) und der möglichen Annahme einer anschließenden Lieferung bzw fiktiven Lieferung (Entnahme-Eigenverbrauch iSd § 3 Abs 2 Z 3 UStG) bei der unternehmerischen Kostentragung der Errichtung und anschließenden Übertragung von verschiedenen Bauwerken (zB Straßen) in das öffentliche Eigentum beschäftigt Praxis und Rechtsprechung schon seit längerer Zeit gleichermaßen. 

Ein Vorsteuerabzug ist dabei nach österreichischer hA (Rz 277 UStR) etwa für Aufwendungen, die aus der Errichtung öffentlicher Straßenanlagen entstehen, unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 12 UStG zu gewähren. Weder der Umstand, dass die Herstellung und Erhaltung öffentlicher Straßen in den Aufgabenbereich der Gebietskörperschaften fällt, noch der Umstand, dass eine errichtete Verkehrsfläche letztlich in das Eigentum des Straßeneigentümers übergeht, schließen einen Vorsteuerabzug aus (mVa VwGH 25.07.2013, 2011/15/0055). 

Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 22.10.2015, C-126/14, Sveda; 14.09.2017, C-132/16, Iberdrola) ist für das grundsätzliche Recht auf Vorsteuerabzug nicht erforderlich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz und dem Ausgangsumsatz besteht, entscheidend ist vielmehr, dass die mit Eingangsumsätzen verbundenen Kosten in den Preis der „Produkte“ eines Unternehmers eingehen.

Nach der Entscheidung des VwGH vom 27.11.2017, Ra 2016/15/0031 (dort Rz 21), schien jedoch geklärt, dass es zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauches nicht bereits ausreicht, wenn Kosten für die Errichtung von Verkehrsleiteinrichtungen, für die vom Unternehmer ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde und die sodann in das öffentliche Eigentum übertragen wurden, Eingang in die steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsumsätze finden, da dadurch der „falsche“ Leistungsaustausch betrachtet werde. Es kommt nach der bisherigen Judikatur des VwGH vielmehr auf den „Leistungsaustausch“ zwischen dem Unternehmer und der öffentlichen Hand (zB einer Gemeinde) an, hinsichtlich dem durch die Annahme eines Entnahme-Eigenverbrauches (§ 3 Abs 2 Z 3 UStG) ein „unversteuerter Letztverbrauch“ vermieden werden solle. 

In einem am 21.07.2020 ergangenen Beschluss des VwGH (Ro 2020/15/0011) über die Revisionen gegen die Entscheidung des BFG vom 10.12.2019 (RV/5101938/2017; Folgeverfahren zu VwGH 27.11.2017, Ro 2017/15/0003), deren Sachverhalt die Übertragung von verschiedenen Bauwerken (ua einer Straße und einer Brücke), die von einem Unternehmer unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges errichtet wurden, in das öffentliche Eigentum zum Inhalt hatte, setzte der VwGH das Verfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rs C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, aus. 

Entscheidung des EuGH vom 16.09.2020 (Rs C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG)

Der deutsche BFH befasste mit seiner Vorlage vom 13.03.2019 (XI R 28/17) den EuGH mit Vorlagefragen zum Thema des Vorsteuerabzuges und der möglichen Annahme einer Lieferung bzw fiktiven Lieferung eines Unternehmers, der im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornahm. Die durchgeführten Baumaßnahmen waren Voraussetzung für die bescheidmäßige Erteilung einer Genehmigung der Führung eines Steinbruchbetriebes.

In seiner nunmehr am 16.09.2020 ergangenen Entscheidung führt der EuGH zusammengefasst aus, dass

  • ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Vorsteuerabzug für die zugunsten einer Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße hat, wenn diese Straße sowohl im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erforderliche Maß hinausgehen und sofern ihre Kosten im Preis der Ausgangsumsätze enthalten sind,
  • eine Genehmigung (etwa zum Betrieb eines Steinbruchs), die einseitig von einer Verwaltung eines Mitgliedstaats erteilt wurde, nicht die von einem Steuerpflichtigen, der ohne Gegenleistung in Geld Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchgeführt hat, erhaltene Gegenleistung darstellt, so dass diese Arbeiten keinen „Umsatz gegen Entgelt“ darstellen,
  • zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, die der Öffentlichkeit offensteht, aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der diese Arbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, von ihm sowie von der Öffentlichkeit genutzt wird, keinen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichzustellen ist.

Insbesondere die Antwort auf Vorlagefrage 3 scheint dabei auch für das anhängige Verfahren beim VwGH (Ro 2020/15/0011) von besonderer Relevanz. Begründend führt der EuGH hierzu aus (Rn 66 f), dass die Arbeiten zu keinem unversteuerten Endverbrauch bzw keinem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung führen, sondern vielmehr der tatsächliche Endverbrauch der Straße zu betrachten sei. Sofern also die Arbeiten dem Unternehmer zugutekommen und einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten, zu besteuerten Umsätzen führenden wirtschaftlichen Tätigkeit aufweisen und die Eingangsleistungen zu den Kostenelementen der vom Unternehmer getätigten Ausgangsumsätze gehören, stellt die Besteuerung letzterer die Vermeidung eines unversteuerten Endverbrauches sicher und lässt wohl keinen Raum für die Annahme einer fiktiven Lieferung.

Fazit

Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung der Kostentragung von Erschließungsmaßnahmen durch Unternehmer scheint im Ergebnis auf die Versteuerung des tatsächlichen Endverbrauches abzustellen zu sein. Sofern empfangene Arbeiten zum Ausbau einer Straße einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen, zu besteuerten Umsätzen führenden Tätigkeit eines Steuerpflichtigen aufweisen, können jene Kosten, die mit den Arbeiten zum Straßenausbau in Verbindung stehen, bereits als in die der Umsatzsteuer zu unterwerfenden Ausgangsleistungen eingeflossen gelten und somit der Besteuerung der Übertragung in das öffentliche Eigentum in Form einer fiktiven Lieferung zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauches die Anwendungsnotwendigkeit entziehen.

Es obliegt nun dem mit zu einem ähnlichen Fall eingebrachten Revisionen befassten VwGH festzustellen, ob sich aus der Entscheidung des EuGH auch eine Änderung der österreichischen Rechtsprechungslinie ergibt und somit in vergleichbaren Fällen von einer Versteuerung in Form einer fiktiven Lieferung (Entnahme-Eigenverbrauch iSd § 3 Abs 2 Z 3 UStG) abgesehen werden kann.

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