Tax News: BFG: Kein Versagen des Vorsteuerabzuges bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt – Einkauf von Waren unter „Einstandspreis“ ist nicht automatisch Mehrwertsteuerbetrug

BFG: Kein Versagen des Vorsteuerabzuges

Das BFG hat in seinem Urteil vom 6. April 2020 (RV/2100069/2019) im fortgesetzten Verfahren entschieden, dass der Vorsteuerabzug bei Einhaltung der (gebotenen) Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht versagt werden kann, auch wenn der Einkaufspreis von Waren des Käufers (zum Teil) tatsächlich unter dem Einstandspreis des Veräußerers liegt.

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Esther Freitag

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Das Bundesfinanzgericht (im Folgenden kurz: BFG) hatte sich in seiner Entscheidung vom 28.11.2016 (RV/2100265/2015) damit zu befassen, dass das Unternehmen B regelmäßig Fahrzeuge beim Unternehmen A unter deren Einstandspreis angekauft hat.

A hat Waren bei deutschen Händlern erworben, welche in weiterer Folge durch Spediteure an B geliefert wurden. Von den Frachtführern wurden B Rechnungen mit ausgewiesener österreichischer Umsatzsteuer übergeben und die Entgelte wurden von B bei Warenlieferung direkt an den Frachtführer in bar bezahlt.

Nach Ansicht des BFG handelt es sich bei A um eine reine „Scheinfirma“, die keine betriebliche Infrastruktur, keine Arbeitskräfte und keine Gewerbeberechtigung besitze. A verfüge zudem über keinen KFZ-Abstellplatz vor dem Firmensitz, der sich außerdem in einem Wohngebiet befindet. Der angegebene Wohnsitz des Geschäftsführers der A ist gleichzeitig der Sitz von A, während der tatsächliche Aufenthalt des Geschäftsführers nicht feststellbar war. Das BFG hat daher entschieden, dass der Beschwerdeführerin B der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen von A nicht zusteht.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 19.12.2018 (Ra 2017/15/0003) die Entscheidung des BFG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führt der VwGH aus, dass die Unternehmereigenschaft von A vorliegt, da A eine Vielzahl von Lieferungen tatsächlich ausführt. Zudem kann nach dem VwGH die Unzulässigkeit des Vorsteuerabzuges nicht damit begründet werden, dass die Rechnungen nicht die erforderlichen Angaben zur „Anschrift“ enthalten, wenn die Gesellschaft an der angegebenen Adresse keine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet hat. Es sei offenkundig, dass B für die Finanzverwaltung „greifbar“ war, da B sowohl eine Steuernummer als auch eine UID-Nummer hat.

Im Beschwerdefall steht jedoch fest, dass A die für die Lieferung von Fahrzeugen an B geschuldete Umsatzsteuer weder erklärt noch entrichtet hat und somit die einfachste Form von Mehrwertsteuerhinterziehung begangen hat. Entscheidungswesentlich für das Versagen des Vorsteuerabzuges bei B ist daher die Prüfung, ob B Kenntnis davon hatte, dass die Lieferungen von A mit Malversationen im Bereich der Umsatzsteuer verbunden sind.

Ein „Wissen müssen“ iSd. § 12 UStG ist nach dem VwGH der Kenntnisstand eines durchschnittlichen Kaufmannes. Es ist entscheidend, ob B mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt hat und den Betrug in der Umsatzsteuer trotzdem nicht erkennen konnte. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls nach einem objektiven Maßstab zu prüfen. Die Sorgfaltspflicht ist umso höher, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den Usancen der betreffenden Branche gelagert ist.

Das BFG stellte nunmehr im fortgesetzten Verfahren fest, dass B nur einen geringen Teil der insgesamt verkauften Waren von A bezogen hat und A ein neuer Geschäftspartner von B war, welcher Angebote per Telefon und Email stellte. Diese Umstände sowie die Barzahlung durch B sind nach dem BFG in der Autobranche üblich und daher musste B aufgrund einer nicht überdurchschnittlichen „Gefährdungslage“ einen (nur) durchschnittlichen Sorgfaltsmaßstab anlegen.

Zur Einhaltung der (festgestellten) gebotenen Sorgfalt hat das BFG zugunsten von B erwogen, dass B bei Geschäftsanbahnung die Existenz von A im Firmenbuch und die Gültigkeit der UID-Nummer geprüft hat. Dass auf dem Briefpapier der A keine Gewerberegisternummer angeführt war und dass die Bestellungen mit einer kostenlosen gmx-Adresse getätigt wurden, schließe vielmehr auf ein kleines Unternehmen. Zudem wurden die Fahrzeuge von „professionellen Frachtführern“ übergeben und der - vorab mit A abgestimmte - Ablauf stets eingehalten. Weiters wurde zu dem Zeitpunkt, zu dem die vereinbarten Zertifikate über die Waren von A nicht mehr mitgeliefert wurden, die Geschäftsbeziehung von B beendet.

Seitens der Betriebsprüfung erfolgte ein Abgleich der von den Lieferanten bezahlten deutschen Netto-Einkaufspreise der A und jenen in weiterer Folge an die B in Rechnung gestellten Preise, mit dem Ergebnis, dass die deutschen Ankaufswerte in den meisten Fällen erheblich über den an die B fakturierten Preise lagen.
B hat jedoch dargelegt, dass es keinen Fixpreis für die streitgegenständlichen Waren gibt. Die Differenz von 5 % bis 10 % zwischen Ein- und Verkaufspreis der A liegt nach dem BFG jedenfalls innerhalb der üblichen Bandbreite der angebotenen Waren. Dies wird dadurch unterstrichen, dass der unterpreisige Verkauf der Höhe nach variierte und der Verkauf in fünf geprüften Fällen über dem Einkaufspreis erfolgte.

B hat daher die gebotene Sorgfalt eines Kaufmannes eingehalten und die Versagung des Vorsteuerabzuges kommt daher nicht in Betracht.

Anmerkung:

Die BFG-Entscheidung (6. April 2020 RV/2100069/2019) beschäftigt sich intensiv mit der umsatzsteuerlichen Missbrauchsprüfung iSd EuGH Rechtsprechung, wonach um die Steuerfreiheit zu versagen, der Unternehmer von der Steuerhinterziehung wusste oder hätte wissen müssen. Die Sorgfaltspflicht ist umso höher, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den üblichen Sachverhalten der betreffenden Branche ist. In einem ersten Schritt ist daher festzustellen, ob sich der Sachverhalt gewöhnlich zugetragen hat, um sodann die „gebotene Sorgfalt“ zu bestimmen, wobei grds. darauf Bedacht zu nehmen ist, dass im Falle einer „Geschäftsanbahnung“ höhere Sorgfalt zu walten ist. Aus finanzstrafrechtlicher Sicht ist vor allem die Aussage von Bedeutung, wonach der Unternehmer die Kalkulation seines Vormannes idR nicht kennen kann und ein „Rabatt“ iHv 5 - 10 % im Vergleich zu allgemeinen Marktpreisen keinen Anlass für einen Verdacht eines Umsatzsteuer-Missbrauchs durch den Vormann liefern sollte. Ebenso könnte man aus dem BFG-Erkenntnis einen gewisser Kriterienkatalog zur Missbrauchsprüfung entnehmen.

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