Tax News: VwGH – Neues zum Taktiererzuschlag bei Selbstanzeigen

VwGH – Neues zum Taktiererzuschlag bei Selbstanzeigen

In einer jüngsten Entscheidung äußerte sich der VwGH in den folgenden vier Punkten erneut zum „Taktiererzuschlag“: (1) Die Festsetzung des Zuschlages ist auch für vor 2014 begangene Delikte zulässig und (2) hat je verkürzter Abgabe zu erfolgen. (3) Reichen die Zahlungen des Ab-gabepflichtigen für die vollständige Begleichung sämtlicher Zuschläge nicht aus, so erfolgt die Verrechnung der gezahlten Beträge mit den jeweils „ältesten“ Zuschlägen. (4) Für die erstmalige Vorschreibung des Zuschlages ist das BFG funktionell unzuständig.

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Für den Inhalt verantwortlich

Fritz Fraberger

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1. Sachverhalt: Selbstanzeige November 2017, Finanzamt setzt Taktiererzuschlag fest

Der Abgabepflichtige hat im Zeitraum 2000 – 2017 steuerpflichtige Einnahmen und Umsätze weder erklärt noch die damit verbundenen Abgaben abgeführt. Nach Ankündigung einer Betriebsprüfung erstattete der Abgabepflichtige im November 2017 eine Selbstanzeige.

Das Finanzamt (FA) setzte wegen des Verdachts eines „vorsätzlichen/grob fahrlässigen Finanzvergehens“ einen Taktiererzuschlag basierend auf den Mehrbeträgen an ESt 2011 – 2015, USt 2011 – 2015 und USt-Vorauszahlungen 1/2017 – 9/2017 in Höhe von insgesamt EUR 26.600 fest.

2. BFG 3.5.2019, RV/7103667/2018: Erstmalige Festsetzung des Zuschlags für 2009 u 2010

Das Bundesfinanzgericht (BFG) beurteilte die Abgabenverkürzung als vorsätzlich. Da der Taktiererzuschlag das Schicksal der verkürzten Abgabe teilt und die Jahre 2009 u 2010 abgabenrechtlich noch nicht verjährt waren (§ 207 Abs 2 BAO), setzte das BFG unter Berücksichtigung der auf diese Jahre entfallenden Mehrbeträge einen erhöhten Taktiererzuschlag fest.

3. VwGH 3.6.2020, Ra 2019/16/0125

  • Taktiererzuschlag auch für Zeiträume vor dessen Einführung: § 29 Abs 6 wurde mit der FinStrG-Novelle 2010 eingeführt. In seiner geltenden Fassung trat er am 1.10.2014 in Kraft und ist auf Selbstanzeigen anzuwenden, die nach dem 30.9.2014 erstattet werden (§ 265 Abs 1w FinStrG).

Der Sachverhalt, welcher zur Festsetzung des Taktiererzuschlages führt, besteht somit in der Erstattung einer Selbstanzeige (Rz 26). Unerheblich für die Festsetzung des Zuschlages ist somit, ob die selbstangezeigten Abgabenverkürzungen vor oder nach der Einführung des Zuschlages eingetreten sind (Rz 28). Es kommt einzig auf den Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige (ab 1.10.2014) an. Entgegen der Ansicht des Abgabepflichtigen wurde § 29 Abs 6 FinStrG nicht rückwirkend eingeführt (Rz 26; siehe bereits VfGH 10.10.2018, E 2751/2018 – Tax News 12/2018).

  • Taktiererzuschlag je Delikt/Abgabe – Vorschreibung mittels Sammelbescheid zulässig: In einer Selbstanzeige können grds mehrere Finanzvergehen angezeigt werden. Die strafbefreiende Wirkung einer solchen Selbstanzeige ist für jedes einzelne Finanzvergehen zu prüfen (Rz 33). Ein allenfalls festzusetzender Taktiererzuschlag bezieht sich dementsprechend auf eine konkrete (verkürzte) Abgabe (Rz 33) und muss daher für jede einzelne Abgabe und für jeden Veranlagungszeitraum separat bescheidmäßig ausgewiesen werden (Rz 31 und Rz 38).

Dass mehrere Taktiererzuschläge in einem Sammelbescheid vorgeschrieben werden können, ändert daran nichts (Rz 33). Ebenso wenig der Umstand, dass die Höhe des Zuschlages von der Summe der sich aus einer Selbstanzeige ergebenden Mehrbeträge abhängt (Rz 34).

  • Keine aliquote Strafbefreiung bei nur teilweiser Entrichtung des Taktiererzuschlages: Die Verrechnung der Zahlung des Taktiererzuschlages hat nach § 214 BAO zu erfolgen. Wird ein geringerer Betrag als die mit Sammelbescheid vorgeschriebene Summe entrichtet, so ist die Zahlung – bei Fehlen einer expliziten Verrechnungsweisung – nach den allgemeinen Verrechnungsgrundsätzen auf den früher verbuchten Taktiererzuschlag zu verrechnen (Rz 36). Es kommt somit nicht zu einer aliquoten Strafbefreiung aller Finanzvergehen (Rz 36).
  • Keine erstmalige Festsetzung des Taktiererzuschlages durch BFG: Zur erstmaligen Festsetzung von Taktiererzuschlägen (ESt u USt 2009, 2010) ist das BFG funktionell nicht zuständig.

4. Ergebnis

  • Ein Taktiererzuschlag kann für vor dessen Einführung im Herbst 2014 begangene Abgabenverkürzungen festgesetzt werden.
  • Der Taktiererzuschlag ist Nebenanspruch zur verkürzten Abgabe (§ 3 Abs 2 lit a BAO) und teilt das Schicksal der verkürzten Abgabe. Eine Festsetzung für abgabenrechtlich bereits verjährte Zeiträume ist daher nicht möglich.
  • Die Festsetzung des Zuschlages hat je verkürzter Abgabe zu erfolgen. Der Sammelbescheid hat nicht nur die einzelnen Bemessungsgrundlagen, sondern auch die konkreten Zuschläge auszuweisen (Rz 38).
  •  Vorbehaltlich einer vom Abgabepflichtigen erteilten „Verrechnungsweisung“ erfolgt die Verrechnung der Zahlung des Abgabepflichtigen mit dem jeweils „ältesten“ Taktiererzuschlag. Reichen die Mittel des Abgabepflichtigen nicht aus, so tritt diesfalls hinsichtlich der „jüngeren“ Delikte keine strafbefreiende Wirkung ein.
  • Dem BFG ist es verwehrt den Taktiererzuschlag erstmalig vorschreiben. Dies obliegt dem Finanz- bzw Zollamt.
  • Zum Taktiererzuschlag siehe auch folgende Tax News: Mai 2020 (BFG zu Taktiererzuschlag bei Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen), März 2020 („Taktiererzuschlag“ bei Selbstanzeigen: Tatsächliche Kenntnisnahme von bevorstehender steuer- oder zollrechtlicher Überprüfung entscheidend), Dezember 2019 („Taktiererzuschlag“ bei Selbstanzeigen: BFG zu telefonischer Ankündigung einer Betriebsprüfung und Entrichtung), Juli 2019 (VwGH zur Selbstanzeige: Reichweite des „last-minute“-Zuschlags), Dezember 2018 (VfGH: „last-minute“-Zuschlag für Selbstanzeigen verfassungskonform)

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