Tax Personnel News: Aktuelle COVID-19-Gesetzgebung im Personalrecht
Aktuelle COVID-19-Gesetzgebung im Personalrecht
Der Gesetzgeber hat im Mai weitere gesetzliche Sonderregelungen geschaffen bzw bereits vorhandene Regelungen überarbeitet. Insbesondere wurde die Schutzbestimmung für Beschäftigte mit besonderem COVID-19-Risiko einer Neufassung unterzogen und die medizinischen Indikationen für die Ausstellung eines COVID-19-Risikoattests im Rahmen einer Verordnung festgelegt.
1. Arbeits- und Sozial(versicherungs)recht
1.1. Schutzbestimmung für Beschäftigte mit besonderem COVID-19-Risiko
Schwerpunkt des 9. COVID-19-G (BGBl I 32/2020) ist die zweite Fassung des § 735 ASVG, der nun die Überschrift „COVID-19-Risiko-Attest“ trägt. Die erste Fassung, über die wir mit TPN 8/2020 berichtet haben, hat materiell keine Wirkung entfaltet, weil auf dieser Basis noch keine Risiko-Atteste ausgestellt werden konnten, die zu einer Freistellung von der Arbeitsleistung hätten führen können.
Mit 06.05.2020 ist nicht nur die überarbeitete Fassung der Gesetzesbestimmung, sondern mit gleichem Datum auch die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung, BGBl II 203/2020 in Kraft getreten, die erstmals die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe enthält. Auf Grundlage der in § 2 dieser Verordnung geregelten medizinischen Indikationen können unter Verwendung der seit 08.05.2020 bei der ÖGK erhältlichen amtlichen Formulare nunmehr COVID-19-Risiko-Atteste ausgestellt werden.
Zusätzlich zu vollversicherten (echten und freien) Dienstnehmern und Lehrlingen werden auch geringfügig Beschäftigte in die Regelung einbezogen, die vier Schritte vorgibt und nun auch jene Betroffene mit einbezieht, die im Bereich der kritischen Infrastruktur beschäftigt sind:
Schritt 1: Information des Betroffenen durch den Dachverband auf Basis der Verordnung
Anstelle der ÖGK hat nun der Dachverband (der Sozialversicherungsträger) die Betroffenen auf Basis der mittlerweile von einer Expertengruppe erarbeiteten COVID-19-Risikogruppe-Verordnung zu informieren.
Schritt 2: COVID19-Risiko-Attest durch den behandelnden Arzt des Betroffenen
Die betroffene Person kann sich nach freier Entscheidung an ihren behandelnden Arzt wenden. Der behandelnde Arzt hat nach Vorlage des Informationsschreibens auf der Grundlage der Verordnung die individuelle Risikosituation zu beurteilen und gegebenenfalls ein Attest ohne Angabe von Diagnosen über die Zugehörigkeit zur Risikogruppe auszustellen (COVID-19-Risiko-Attest). Die Beurteilung der individuellen Risikosituation auf der Grundlage der Definition der COVID-19-Risikogruppe in der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung, und die damit zusammenhängende Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests ist auch unabhängig davon zulässig, ob die betroffene Person ein Informationsschreiben durch den Dachverband erhalten hat.
Abgesehen von den neun medizinischen Fallgruppen (Indikationen) aus der Verordnung ist die Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests nur dann zulässig, wenn sonstige schwere Erkrankungen mit funktionellen oder körperlichen Einschränkungen vorliegen, die einen ebenso schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 annehmen lassen. Dies ist vom das COVID-19-Risiko-Attest ausstellenden Arzt in seinen Aufzeichnungen entsprechend zu begründen und zu dokumentieren.
Schritt 3: Betroffene können (nach freier Entscheidung) ihren Dienstgeber mit dem COVID-19-Risiko-Attest befassen
Legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber dieses COVID-19-Risiko-Attest vor, so hat sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer
- die betroffene Person kann ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (Homeoffice) oder
- die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist; dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg mit einzubeziehen.
Die Freistellung kann zunächst bis längstens 31. Mai 2020 dauern, wobei seitens der Politik bereits in Aussicht gestellt worden ist, eine enthaltene Verordnungsermächtigung zu nutzen und den Zeitraum entsprechend (längstens möglich bis zum 31.12.2020) zu verlängern.
Die Möglichkeit zur Dienstfreistellung steht unter Motivkündigungsschutz: Eine Kündigung, die wegen der Inanspruchnahme der Dienstfreistellung ausgesprochen wird, kann bei Gericht angefochten werden.
Schritt 4: Ersatzanspruch des Dienstgebers gegenüber dem Krankenversicherungsträger
Der Dienstgeber (mit Ausnahme des Dienstgebers Bund) hat Anspruch auf Erstattung des an den Dienstnehmer bzw Lehrling geleisteten Entgelts sowie der Dienstgeberanteile am Sozialversicherungsbeitrag, Arbeitslosenversicherungsbeitrag und sonstigen Beiträgen durch den Krankenversicherungsträger. Der Antrag auf Ersatz ist spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung beim Krankenversicherungsträger einzubringen. Der Arbeitgeber muss gegenüber der ÖGK nicht schriftlich bestätigen, ob bzw dass ein Arbeitsplatz risikofrei zur Verfügung steht. Möglicherweise erfolgen aber stichprobenartige Überprüfungen dieses Themas. Der Bund hat dem Krankenversicherungsträger die daraus resultierenden Aufwendungen zu ersetzen.
Die österreichische Gesundheitskasse stellt ein ausführliches FAQ zum Thema Risikogruppen zur Verfügung.
1.2. Sozialversicherungsrechtliche Fristverlängerungen durch das 9. COVID-19-Gesetz
Da Leistungsanträge in der Pensionsversicherung wegen mangelnder Begutachtung derzeit nur eingeschränkt bearbeitet werden können, soll der Weiterbezug der bisherigen Leistung (befristete Pensionen, Kranken- sowie Rehabilitationsgeld bzw im GSVG die Unterstützungsleistung bei langandauernder Krankheit nach § 104a GSVG bzw im Fall einer Zusatzversicherung das Krankengeld nach § 106 GSVG) für die Dauer der COVID-19-Krise bis längstens 31. Mai 2020 erfolgen. Dieser Zeitraum kann bei Fortdauer der Krise durch Verordnung verlängert werden.
Die nach Beendigung eines Dienstverhältnisses in der Krankenversicherung bestehende sechswöchige Schutzfrist nach § 122 ASVG kann für die Dauer der COVID-19-Pandemie bis längstens 31. Mai 2020 weiterlaufen. Auch dieser Zeitraum kann bei Fortdauer der Krise durch Verordnung verlängert werden.
1.3. Verlängerung des Familienbeihilfeanspruches durch das 6. COVID-19-Gesetz
Ua enthält das 6. COVID-19-G eine Änderung im Familienlastenausgleichsgesetz. Durch die COVID-19-Krise verursachte Nachteile bei der Gewährung der Familienbeihilfe sollen kompensiert werden, wenn eine Berufsausbildung (zB ein Studium) beeinträchtigt wird, und die Berufsausbildung (das Studium) nicht innerhalb der – für den Familienbeihilfenbezug – maßgeblichen Berufsausbildungsdauer (Studiendauer) oder innerhalb der derzeitigen Altersgrenzen absolviert werden kann. Nunmehr wird der Anspruch auf die Familienbeihilfe im Falle einer allgemeinen Berufsausbildung um längstens sechs Monate und im Falle eines Studiums um ein Semester bzw ein Studienjahr verlängert.
2. Lohnsteuerrecht
Im Rahmen des 3. COVID-19-Gesetzes wurde für das Jahr 2020 auch die Möglichkeit geschaffen, zusätzliche Boni und Zulagen bis zu einer Höhe von EUR 3.000 als Belohnung für besondere Leistungen der Dienstnehmer während der COVID-19-Krise steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei (im Folgenden kurz: steuerfrei) zu gewähren (vgl dazu TPN 09/2020).
Auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen wurde nun eine Sammlung häufig gestellter Fragen veröffentlicht, in denen zum Thema steuerfreie Corona-Boni / Zulagen folgende Klarstellungen erfolgen.
- Die Steuerfreiheit der Corona-Boni/ Zulagen ist an keine Branche oder systemrelevante Tätigkeiten gebunden, sondern steht allen Arbeitnehmern zu.
- Bei Zutreffen der Tatbestandsvoraussetzungen ist die steuerfreie Gewährung von Corona-Boni / Corona-Zulagen auch an von Kurzarbeit betroffene Dienstnehmer zulässig.
- Wird in Kollektivverträgen eine Verpflichtung zur Leistung von Corona-Prämien für alle Dienstnehmer – generell und unabhängig von besonderen Leistungen – im Kalenderjahr 2020 vorgesehen, sind auch diese Prämien von dem Freibetrag erfasst.
3. Demnächst zu erwartende weitere Änderungen:
Durch ein Veto des Bundesrates verzögert sich die Gesetzwerdung einiger COVID-19-Gesetze (10., 12., 16. und 18. COVID-19-Gesetz). Insbesondere das 18. COVID-19-Gesetz enthält auch einige für den HR-Bereich wichtige Bestimmungen. Es ist zu erwarten, dass nach einem Beharrungsbeschluss des Nationalrates bis zum 15.5.2020 auch diese Gesetze im BGBl erscheinen werden.
- Hauptthema des 18. COVID-19-Gesetz ist das CFPG (Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19 Pandemie), das im HR-Bereich insbesondere die Kurzarbeitsbeihilfe betrifft.
- Das CFPG soll eine effiziente nachträgliche Kontrolle von Förderungsmaßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie durch eine Prüfung eines Finanzamtes im Zuge einer Außenprüfung ermöglichen.
- Die Richtigkeit der vom Kurzarbeitsbeihilfenempfänger zum Zwecke der Erlangung der Kurzarbeitsbeihilfe erteilten Auskünfte, vorgelegten Unterlagen oder Bestätigungen bzw die Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe der Auszahlung angelegten Daten können im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung überprüft werden.
- Zudem hat auf Weisung des Bundesministers für Finanzen eine Prüfung der Kurzarbeitsbeihilfe auch außerhalb von Lohnsteuerprüfungen zu erfolgen.
- Bei Zweifeln an der Richtigkeit der vom Kurzarbeitsbeihilfenempfänger zum Zwecke der Erlangung der Kurzarbeitsbeihilfe erteilten Informationen hat ein gesonderter Prüfungsbericht erstellt und an das AMS sowie das Bundesministerium für Finanzen übermittelt zu werden. Bei Verdacht auf eine Straftat – in diesem Zusammenhang also insbesondere Betrug oder Förderungsmissbrauch – hat das Finanzamt zudem gemäß § 78 StPO die Staatsanwaltschaft zu informieren.
- Pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die durch begünstigte Rechtsträger im Sinne von § 34 ff BAO, insbesondere gemeinnützige Vereine, an Sportler, Schiedsrichter und Sportbetreuer (zB Trainer, Masseure) gewährt werden, können in Höhe von bis zu EUR 60,00 pro Einsatztag, höchstens aber EUR 540,00 pro Kalendermonat der Tätigkeit steuerfrei ausbezahlt werden.
Parallel zu der im (bereits in Kraft getretenen) 9. COVID-19-Gesetz vorgesehenen Beitragsbefreiung im Sozialversicherungsrecht sieht das 18. COVID-19-Gesetz vor, dass diese pauschalen Reiseaufwandsentschädigungen auch in Zeiträumen, in welchen aufgrund der Corona-Krise im Kalenderjahr 2020 die Sportstätten gesperrt sind und daher beispielsweise kein gemeinsames Training oder kein gemeinsamer Wettkampf stattfinden kann, weiterhin steuerfrei sind, sofern sie weiter ausgezahlt werden. - Im Rahmen des am Montag von der Regierung vorgestellten „Wirtshauspaketes“ wurde angekündigt, dass die Höchstgrenzen für steuerfreie Gutscheine für am Arbeitsplatz oder in Gaststätten zu konsumierende Mahlzeiten von EUR 4,40 auf EUR 8,00 pro Arbeitstag und für steuerfreie Gutscheine zur Bezahlung von Lebensmitteln, die nicht sofort konsumiert werden müssen, von EUR 1,10 auf EUR 2,00 pro Arbeitstag angehoben werden sollen.
Die Erhöhung der Steuerfreibeträge für Essensgutscheine soll ab 1. Juli 2020 in Kraft treten und zeitlich unbefristet gelten. Die Gesetzwerdung bleibt abzuwarten.