Tax Flash: Gebührenbefreiung für Rechtsgeschäftsgebühren aufgrund von 3. COVID-19-Gesetz: Vermeidung von Gebührenfallen bei Änderung von Mietverträgen

Gebührenbefreiung für Rechtsgeschäftsgebühren

Müssen Rechtsgeschäfte zur Bewältigung der aktuellen COVID-19-Krise abgeschlossen werden, befreit der Gesetzgeber diese Rechtsgeschäfte von einer allfälligen Rechtsgeschäftsgebühr. Dies gilt grundsätzlich auch für Abänderungen bereits bestehender Verträge (zB Mietverträge). Wenn allerdings in der Vergangenheit die Rechtsgeschäftsgebühr für die nun zu ändernden Verträge erfolgreich vermieden wurde, könnte einen nunmehrige Vertragsänderung eine rechtbezeugende Urkunde hinsichtlich des ursprünglichen Rechtsgeschäfts darstellen und die Gebührenpflicht für das ursprüngliche Rechtsgeschäft nachträglich auslösen. Um dies zu vermieden, müsste trotz der Befreiungsbestimmung im 3. COVID-19-Gesetz wieder eine Gebührenvermeidungsstrategie erfolgreich umgesetzt werden.

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Für den Inhalt verantwortlich

Fritz Fraberger

Partner, Tax

KPMG Austria

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Aktuell kommt es angesichts der COVID-19-Krise zu Gesprächen zwischen Vermietern und einschlägig betroffenen Mietern wegen Mietzinsreduktionen auf der Basis des § 1104 ABGB (vgl dazu auch Link). Prima vista scheint es für krisenbedingt ausgelöste Rechtsgeschäftsgebühren im 3. COVID-19-Gesetz (siehe hier Link vgl auch unseren Tax Flash 7/2020) Erleichterungen zu geben, der Teufel liegt aber – wie immer – im Detail.

1.  Rechtsgeschäftsgebühren: Gebührenbefreiung in 3. COVID-19-Gesetz

Mit dem 3. Covid-19-Gesetz sieht der Gesetzgeber krisenbezogene Erleichterungen im Gebührengesetz vor: Von den Rechtsgeschäftsgebühren des § 33 GebG sind nach § 35 Abs 8 GebG Rechtsgeschäfte befreit, „die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind.“ Diese Befreiung gilt von 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020 (§ 37 Abs 41 GebG).

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen mit der neuen Befreiungsbestimmung insbesondere Bürgschaften befreit werden, die als Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherstellen. Außerdem sollen beispielsweise Bestandverträge von den Rechtsgeschäftsgebühren befreit werden, die von Gebietskörperschaften oder Hilfsorganisationen abgeschlossen werden, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen (EBRV 115 BlgNR, XXVII. GP, 5).  

2.  Praxisüberlegungen

2.1.  Reichweite der Gebührenbefreiung

Rechtsgeschäfte sind nach dem Gesetzeswortlaut nur dann von der Rechtsgeschäftsgebühr befreit, wenn diese für die „Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind.“ Nach dem Willen des Gesetzgebers sind von der Befreiungsbestimmung alle Rechtsgeschäfte umfasst, die die Liquidität sicherstellen sollen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Befreiungsbestimmung

- NICHT auf bestimmte Tarifposten des § 33 GebG beschränkt, sondern kann grundsätzlich bei allen Tarifposten zur Anwendung kommen.

- NICHT auf Rechtsgeschäfte mit Beteiligung gemeinnütziger Organisationen beschränkt, sondern kann auch bei Rechtsgeschäften zwischen gewinnorientierten Unternehmen zur Anwendung kommen.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Befreiung ist lediglich der Zweck des konkreten Rechtsgeschäftes, der Bewältigung der aktuellen Krisensituation zu dienen.

2.2.  Gebührenfalle Mietzinsänderungen, insbesondere Mietzinsreduktionen

Von der neuen Gebührenbefreiung sind neben dem Neueingehen gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte insb Vereinbarungen über die Änderungen von bestehenden Mietverträgen umfasst. Ohne diese Befreiung würden gebührenerhöhende Zusätze oder Nachträge zu bestehenden Mietverträgen grundsätzlich im Ausmaß des Zusatzes oder Nachtrages von der Bestandsvertragsgebühr erfasst („insoweit“-Pflicht, zB BFG Wien 4.11.2019, RV/7103581/2014). Soweit die Änderung durch die Bekämpfung von COVID-19 veranlasst ist, kommt die Gebührenbefreiung für die „insoweit“-Pflicht zum Tragen.

Die Beurkundung einer Mietzinsreduktion löst im Ausmaß der Reduktion über § 21 GebG keine Gebührenpflicht aus, weil sich die Bemessungsgrundlage der Bestandsvertragsgebühr durch die Reduktion nur verringert und nicht erhöht. Dennoch kann die Beurkundung einer Mietzinsreduktion gebührenrechtlich problematisch sein, wenn in der Vergangenheit die Vergebührung des ursprünglichen Mietvertrages (des „historischen Rechtsgeschäfts“) mithilfe einer Gebührenvermeidungsstrategie erfolgreich vermieden wurde. Denn die Vereinbarung der Änderung des Mietzinses wird in der Regel die nach der Rsp des VwGH wesentlichen Punkte des ursprünglichen Mietvertrages nennen und kann damit hinsichtlich des ursprünglichen Mietvertrages eine rechtsbezeugende Urkunde darstellen (zB VwGH 25.1.2007, 2006/16/0163).

Die Anwendbarkeit der Gebührenbefreiung des 3. COVID-19-Gesetzes auf rechtsbezeugende Urkunden zu Rechtsgeschäften, die vor dem 1. März 2020 abgeschlossen wurden, erscheint zweifelhaft. Denn diese Befreiungsbestimmung stellt via § 37 Abs 41 GebG explizit auf Rechtsgeschäfte ab, die im Zeitraum 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020 zur Bewältigung der Krisensituation notwendig sind. Vor dem 1. März 2020 abgeschlossene Rechtsgeschäfte wären bei dieser teleologischen Betrachtungsweise von dieser Befreiungsbestimmung nicht umfasst, auch wenn diese erst ab dem 1. März 2020 in gebührenauslösender Weise beurkundet werden. Gegen eine Gebührenbefreiung spricht auch das von der Rsp des VfGH (26.2.2009, G 158/08, VfSlg 18.706) geprägte Verständnis der „Maßgeblichkeit des historischen Rechtsgeschäfts“ für die Gebührenpflicht: Gegenstand der Gebühr ist das (historische) Rechtsgeschäft, die Beurkundung ist nur eine Voraussetzung/Bedingung der Gebührenpflicht. Das über eine rechtsbezeugende Urkunde zur Gebührenpflicht führende (historische) Rechtsgeschäft wurde aber in aller Regel bereits VOR dem 1.3.2020 verwirklicht und steht damit einerseits außerhalb des vom Gesetzgeber in § 35 Abs 8 GebG geforderten COVID-Bekämpfungszusammenhangs, andererseits auch außerhalb des vom Gesetzgeber gesetzten Zeithorizonts (§ 37 Abs 41 GebG)[1].

Damit besteht die Gefahr, dass an sich nicht gebührenauslösende Mietzinsreduktionen oder aufgrund des 3. COVID-19-Gesetzes befreite Änderungen von Bestandsverträgen nachträglich Rechtsgeschäftsgebühr für den ursprünglichen Mietvertrag auslösen.

3.  Fazit: Konsequente Fortsetzung Gebührenvermeidung

Wurde die Rechtsgeschäftsgebühr in der Vergangenheit erfolgreich vermieden, muss im Falle einer jetzigen Abänderung des Rechtsgeschäftes trotz der Befreiungsbestimmung des 3. COVID-19-Gesetzes wieder eine wirksame Gebührenvermeidungsstrategie verfolgt werden. In Betracht kommen bei notwendiger Verschriftlichung der Vertragsänderung insb

·  die Strategie der „Anwaltskorrespondenz“,  

·  die Strategie „schriftliches Anbot – konkludente Annahme“ oder

·  die Strategie „E-Mail ohne Unterschrift (§ 18 Abs 1 GebG)“.

Der tatsächliche Erfolg dieser Strategien hängt von ihrer präzisen Umsetzung ab. Sollte die Mietzinsreduktion nach § 1104 ABGB vor Zivilgerichten anhängig werden, ist auf die Gefahr einer Ersatzbeurkundung nach § 18 Abs 4 GebG durch die gerichtliche Eingabe hinzuweisen.

Dasselbe gilt für den Falle einer schriftlichen Kündigung des ursprünglichen Vertrages mit einem nachfolgenden Neuabschluss, weil selbst eine schriftliche Kündigung eine rechtsbezeugende Urkunde darstellen kann.

In sämtlichen Gebührenfragen unterstützt Sie Ihr KPMG-Berater gerne.

 

[1] Der guten Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Fachschrifttum (zB Arnold, Der VfGH hebt § 25 als verfassungswidrig auf, taxlex 2009, 215 (219), oder Fraberger, Der VfGH zur Mehrfachvergebührung im GebG – ein Aufhebungsbeschluss mit „Erdrutschcharakter“?, RdW 2009, 442 (444f, Pkt. 3.3.) vertreten wird, dass außerhalb der Festsetzungsverjährungsgrenzen (§ 207 Abs 2 iVm Abs 5 BAO) die Nicht-Vergebührung des „historischen Rechtsgeschäfts“ dennoch Schutzwirkung für nachgängige rechtsbezeugende Beurkundungen oder Ersatzbeurkundungen haben müsste. Aufgrund der stichtagsbezogenen Verjährung im GebG (vgl. zB VwGH 15.5.2018, Ro 2016/16/0002, oder BFG Linz 2.8.2018, RV/5101063/2014) müssten daher alle vor dem April 2015 abgeschlossenen (historischen) Rechtsgeschäfte Schutzwirkung für nachgängige rechtsbezeugende Urkunden oder Ersatzbeurkundungen haben. Dazu existiert bislang aber weder höchstgerichtliche Rsp noch BFG-Judikatur.

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