Tax Personnel News: Update zum Arbeits- und Sozialrecht während der Corona-Krise
Update zum Arbeits- und Sozialrecht
Am 20. März 2020 wurde das 2. COVID-19-Gesetz im Nationalrat beschlossen. Das neue COVID-19-Gesetz bringt vorübergehend einige wesentliche arbeits- und sozialrechtliche Änderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung bei Betretungsverboten, der neu eingeführten „COVID-19-Kurzarbeit“, der ebenfalls neu geschafften Sonderbetreuungszeit, bei arbeitsrechtlichen Fristen sowie hinsichtlich Erleichterungen im Beitrags- und Meldewesen der Sozialversicherung. Einige der beschlossenen Änderung treten rückwirkend zu unterschiedlichen Daten (hauptsächlich 1. März oder 15. März) in Kraft.
Grundsätzlich sind die Sondermaßnahmen mit 31.12.2020 begrenzt. Teilweise wurden die Maßnahmen zunächst mit 30.04.2020 begrenzt, können aber mittels Verordnung bei längerer Dauer der COVID-19 Krisensituation bis 31.12.2020 verlängert werden.
1. Entgeltfortzahlung bei Betretungsverbot
Im Laufe der letzten Woche wurden zahlreiche Betriebe damit konfrontiert, dass die Betretung ihres Betriebes eingeschränkt oder vollständig verboten wurde. Die Beschränkung bzw das Verbot der Betretung hat naturgemäß dazu geführt, dass Arbeitnehmer in der Regel ihre Arbeit nicht weiter ausführen können. Arbeitsrechtlich galt (bzw wurde dies zumindest diskutiert), dass betroffene Arbeitgeber das Entgelt nicht fortzahlen müssen, da die Dienstverhinderung nicht durch Umstände herbeigeführt wurde, für die der Arbeitgeber verantwortlich ist (sog. „neutrale Sphäre“). Für diesen Fall wurde in § 1155 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) eine ganz spezielle neue gesetzliche Regelung geschaffen:
- Dienstverhinderungen, die daraus resultieren, dass das Betreten des Betriebes beschränkt oder verboten wurde, gelten als Umstände, die auf der Seite des Arbeitgebers liegen.
Das bedeutet: Das Entgelt ist (doch) fortzuzahlen, die Arbeitnehmer müssen sich aber anrechnen lassen, was sie „infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt haben“. Dies ist dann relevant, wenn ein Arbeitnehmer während der Betriebsschließung einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. - Arbeitnehmer, die aus Gründen der Betretungsbeschränkung/des Betretungsverbotes ihre Arbeit nicht verrichten können, müssen auf Verlangen des Arbeitgebers Zeitguthaben und Urlaub verbrauchen. Dies ist arbeitsrechtlich eine bedeutende Neuerung, da der Konsum von Urlaub und Zeitguthaben grundsätzlich immer vereinbart werden muss und nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden kann. Hier dürfte ein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers vorliegen, auch in der Auswahl, wann und was (Zeitausgleich oder Urlaub) verbraucht wird.
- Diese Neuerungen gelten jedoch nur bei Dienstverhinderungen aufgrund von Betretungsverboten oder zumindest Betretungsbeschränkungen des Betriebs.
Das bedeutet: Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten infolge der Corona-Krise, die aber nicht unmittelbar aus einem Verbot oder einer Beschränkung der Betretung des Betriebs resultieren, kann der Arbeitgeber keinen einseitigen Urlaub anordnen!
Nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob auch in Fällen der selbst auferlegten Betriebsbeschränkung (siehe dazu die COVID-19-Kurzarbeit als Ersatzlösung) das Entgelt weiterzuzahlen ist.
Der einseitigen Anordnung von Zeitausgleich und Urlaubskonsum in den „Betretungsverbotsfällen“ sind jedoch gewisse Grenzen gesetzt:
- Aus dem laufenden Urlaubsjahr müssen nur maximal 2 Wochen verbraucht werden. Das Recht, Urlaube einseitig anzuordnen, betrifft daher insbesondere Alturlaube (= Urlaubsansprüche aus vergangenen Urlaubsjahren).
- Zeitguthaben, die auf einer Regelung im Kollektivvertrag beruhen, durch die Geldansprüche in Zeit umgewandelt werden (häufiges Beispiel: Sabbatical, Freizeitoption nach Kollektivvertrag), müssen ebenfalls nicht verbraucht werden.
- Insgesamt müssen nicht mehr als 8 Wochen an Zeitguthaben oder Urlaub verbraucht werden.
Die neuen Regelungen gelten rückwirkend mit 15. März 2020 und treten am 31.12.2020 außer Kraft.
2. Neues zur „COVID-19-Kurzarbeit“ auf gesetzlicher Ebene
2.1. Urlaubsverbrauch
Schon bisher war in den vom AMS veröffentlichten Richtlinien zur COVID-19-Kurzarbeit verankert, dass Arbeitnehmer ihre Alturlaubsbestände sowie Zeitguthaben „tunlichst abbauen“ sollen. Da Arbeitgeber jedoch nicht einseitig Urlaub anordnen können, wurde zumindest für die „Betretungsverbotsfälle“ die oben erläuterte gesetzliche Regelung geschaffen.
Das bedeutet für die Einführung von Kurzarbeit:
- Bei Betrieben, die einem Betretungsverbot oder einer Betretungsbeschränkung unterliegen und die Kurzarbeit einführen, kann bzw muss der Arbeitgeber den Verbrauch von Urlaub und Zeitausgleich in den oben beschriebenen Grenzen anordnen. Zu beachten ist hier jedoch, dass die derzeitige Muster-Sozialpartnervereinbarung vorsieht, die maßgebliche gesetzliche Regelung (§ 1155 ABGB, siehe oben) abzubedingen (= zu vereinbaren, dass diese im Rahmen der Kurzarbeit nicht anwendbar ist). Dieser Passus sollte unseres Erachtens in Betrieben, für die ein Betretungsverbot/Betretungsbeschränkung gilt, gestrichen werden.
- Führt ein Betrieb, in dem kein Betriebsrat konstituiert ist, Kurzarbeit ein, für den kein Betretungsverbot/Betretungsbeschränkung gilt, kann der Arbeitgeber nicht einseitig den Konsum von Urlaub und Zeitguthaben anordnen. In diesem Fall muss er sich mit den betroffenen Arbeitnehmern hinsichtlich Verbrauchs von Urlaub und offenem Zeitausgleich einigen. Für den Erhalt der Kurzarbeitsbeihilfe muss er lediglich nachweisen, dass er sich um eine diesbezügliche Einigung mit den Arbeitnehmern / dem Betriebsrat ernstlich bemüht hat.
- In Betrieben, in denen ein Betriebsrat konstituiert ist, ist die Einführung von Kurzarbeit mittels Betriebsvereinbarung zu regeln. Neu geschaffen wurde eine Sonderregelung im Arbeitsverfassungsgesetz (§ 170 Abs 3). Diese gibt Betriebsräten die Kompetenz, im Zuge der COVID-19-Kurzarbeit gemeinsam mit dem Arbeitgeber Regelungen über den Verbrauch von Alturlauben sowie Zeitguthaben der Arbeitnehmer zu treffen.
2.2. Krankenstand während Kurzarbeit
Im Zuge der Neuregelung der Kurzarbeit wurde laut Auskunft der Wirtschaftskammer zwischen den Sozialpartnern und dem AMS bezüglich Krankenstände während der Kurzarbeit folgende Lösung erzielt:
- Der Arbeitgeber zahlt im Krankheitsfall eines Arbeitnehmers diesem für die (herabgesetzten) Arbeitsstunden, die trotz Kurzarbeit angefallen wären, das volle Entgelt sowie die Kurzarbeitsunterstützung in Hinblick auf die (in diesem Fall fiktiven) Ausfallsstunden.
- Das AMS zahlt dem Arbeitgeber hinsichtlich der fiktiven Ausfallsstunden die Kurzarbeitsbeihilfe.
- Beispiel: Die Arbeitszeit wird von 40h auf 10h herabgesetzt. Der Arbeitnehmer erkrankt eine Woche. Der Arbeitgeber bezahlt 10h Entgelt sowie Kurzarbeitsunterstützung bezogen auf die 30 (fiktiven) Ausfallstunden, das AMS bezahlt dem Arbeitgeber die Kurzarbeitsbeihilfe bezogen auf die 30 (fiktiven) Ausfallstunden.
Die sonstigen Regelungen zum Krankenstand – insbesondere Dauer, Verständigungspflicht etc. – gelten natürlich weiterhin.
Es ist zu erwarten, dass diesbezüglich noch weitere Klarstellungen / Nachschärfungen seitens der Sozialpartner sowie des AMS folgen werden.
2.3. Allgemeiner Hinweis zur „COVID-19-Kurzarbeit“
Im Zusammenhang mit der „COVID-19-Kurzarbeit“ weisen wir abschließend darauf hin, dass derzeit noch immer viele wichtige Punkte ungeklärt sind, und täglich neue Informationen verlautbart werden.
Bitte beachten Sie, dass demnächst neue Formulare für das Kurzarbeitsbegehren veröffentlicht werden sollen sowie ein modifizierter Kurzarbeitsbeihilfenrechner online gehen soll;die AMS-Bundesrichtlinie zur Kurzarbeitsbeihilfe wird nach unseren Informationen ebenfalls nochmals überarbeitet. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Sozialpartnervereinbarungen nochmals überarbeitet werden.
Behalten Sie daher stets die aktuellen Entwicklungen im Auge. Selbstverständlich halten auch wir sie über unsere Tax Personnel News auf dem Laufenden.
3. Sonderbetreuungszeit
Die neugeschaffene Sonderbetreuungszeit (§ 18b AVRAG) im Ausmaß von bis zu drei Wochen galt bisher nur für die Betreuung von Kindern bis zu 14 Jahren. Sie wurden nun auf die Betreuung von Menschen mit Behinderungen ausgeweitet, die in einer Einrichtung/Lehranstalt betreut oder unterrichtet werden, wenn diese Einrichtung/Lehranstalt aufgrund behördlicher Maßnahmen teilweise oder vollständig geschlossen wird. Die Refundierung eines Drittels des fortgezahlten Entgeltes ist nunmehr bei der Buchhaltungsagentur des Bundes einzureichen.
4. Sonstiges zum Arbeitsrecht
In Anbetracht des derzeitigen weitreichenden Stillstandes des öffentlichen Lebens (so auch der Verhandlungstätigkeit der Gerichte) wurden Regelungen zur Fristenhemmung getroffen:
- Die Fristen für die Kündigungs- und Entlassungsanfechtungen werden ab 16.03. bis 30.04.2020 gehemmt. Fristen nach dem Gleichbehandlungsgesetz werden ebenfalls ab 16.03. bis 30.04. 2020 gehemmt. Durch Verordnung kann die Hemmung bis zum 31.12.2020 ausgedehnt werden.
- Auch die Tätigkeitsdauer der derzeitigen Organe der Belegschaftsvertretung („Betriebsrat“) wird verlängert (grob gesagt: bis 30.4.2020 mit Verordnungsoption bis 31.12.2020).
- Grundsätzlich werden alle gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ab 16.03. bis 30.04.2020 gehemmt (siehe § 18b Abs 2 AVRAG). Durch Verordnung kann die Hemmung bis zum 31.12.2020 ausgedehnt werden.
Achtung: Das maßgebliche Bundesgesetzblatt trägt die Nummer BGBl I 16/2020. Die vorübergehenden Änderungen wurden im Rechtsinformationssystem (RIS) noch nicht eingearbeitet, sodass beispielsweise die zentrale Regelung § 1155 ABGB dort aktuell noch in ihrer Fassung vom 01.01.1917 nachzulesen ist. Auch § 18b AVRAG ist dort derzeit nur in der ab 16.3.2020 geltenden Fassung nachzulesen.
5. Sozialversicherung
5.1. Zahlungserleichterungen durch die ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse)
- Bei Unternehmen, die mit Betretungsverbot und Betretungseinschränkungen belegt sind oder von Betriebsstilllegungen und -schließungen betroffen sind, werden die Sozialversicherungsbeiträge für die Beitragszeiträume Februar, März und April 2020 „automatisch“ verzugszinsenfrei gestundet.
- Andere Unternehmen können ebenfalls Stundungen beantragen, wenn sie glaubhaft machen können, dass sie die SV-Beiträge wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht entrichten können.
- Zudem werden in den Monaten März bis Mai 2020 werden fällige Beiträge nicht eingetrieben und diesbezüglich auch keine Insolvenzanträge gestellt.
- Diese Zahlungserleichterungen gelten auch in Bezug auf die sonstigen Umlagen und Zuschläge (zB WF-Beitrag) und auch für die BMSVG-Beiträge.
5.2. COVID-19 bedingte Unterbrechungen von Altersteilzeit-Dienstverhältnissen
Unterbrechungen der Dienstverhältnisse von Personen, die sich in Altersteilzeit befinden, zwischen dem 15.03.2020 bis längstens den 30.9.2020 infolge der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 schaden der vereinbarten Altersteilzeit (Teilpension) nicht.
Dies gilt unter der Voraussetzung, dass nach Wiederbeginn des Dienstverhältnisses (spätestens zum 01.10.2020) die ursprünglich vereinbarte Altersteilzeit fortgesetzt wird.
Das Altersteilzeitgeld wird für den Zeitraum der Unterbrechung des Dienstverhältnisses eingestellt und lebt danach wieder im selben Ausmaß auf. Das Höchstausmaß der Altersteilzeit verlängert sich dadurch nicht (höchstens fünf Jahre bzw. bis zur Vollendung des Regelpensionsalters).
Derzeit ist noch in Klärung, ob eine für die Freizeitphase eingestellte Ersatzarbeitskraft in die Kurzarbeit einbezogen werden kann.
5.3. Stornierung der bereits erfolgten Abmeldung von Dienstnehmern iZm der Inanspruchnahme von Kurzarbeit
Offenbar gibt es zahlreiche Betriebe, die Dienstverhältnisse in Hinblick auf den zu erwartenden Arbeitsausfall bereits beendet hatten, sich nun aber nachträglich doch für die Inanspruchnahme des Corona-Kurzarbeitsmodells entschieden haben.
Hierzu wurde von der ÖGK verlautbart, dass in einem solchen Fall die Abmeldung der betroffenen Dienstnehmer zu stornieren ist. Bei dieser Vorgehensweise läuft der Versicherungsverlauf ununterbrochen und sanktionsfrei durch.
Würde man hingegen die Mitarbeiter rückwirkend wieder anmelden, würde dies Sanktionen wegen verspäteter Anmeldung nach sich ziehen. Diese könnten zwar auf Antrag behoben werden, was allerdings einen administrativ höheren Aufwand verursacht.
Autoren:
MMag. Dr. Katharina Daxkobler, KPMG
Mag. iur. Valerie Kalnein, KPMG Law
Mag. Margit Müllner, KPMG