Tax News: BFG zur Nachsicht von Abgaben gem § 236 BAO
BFG zur Nachsicht von Abgaben gem § 236 BAO
Nach Ansicht des BFG wäre es unbillig, vom Abgabepflichtigen eine im Rahmen einer Außenprüfung festgesetzte Abgabe zu verlangen, für die aufgrund zwischenzeitig ergangener Judikatur kein materiell-rechtlicher Anspruch besteht (BFG 18.07.2019, RV/2100561/2019; Amtsrevision eingebracht).
Überblick
Gem § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgaben auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. In der Verordnung zu § 236 BAO wird festgelegt, dass eine Unbilligkeit grundsätzlich persönlicher oder sachlicher Natur sein kann.
Unlängst hat das BFG über einen vom Finanzamt abgewiesenen, und mit Beschwerde bekämpften Nachsichtsantrag entschieden, der mit dem Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit begründet wurde.
Gem der Nachsichts-Verordnung kann eine solche zB dann vorliegen, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruchs im Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden (§ 3 Abs 2 lit b der Verordnung BGBl. II Nr 435/2005; „Nachsichts-Verordnung“).
BFG 18.07.2019, RV/2100561/2019
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beschwerdeführer – ein Arzt – hatte Umsätze aus der Tätigkeit als Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie in den Jahren 2009 – 2012 zur Gänze als umsatzsteuerfrei gem § 6 Abs 1 Z 19 UStG behandelt. Im Zuge einer Außenprüfung wurde nachträglich Umsatzsteuer iHv rund TEUR 70 vorgeschrieben, da nach Ansicht der Behörde bei den erbrachten Leistungen eine medizinische Indikation fehlte bzw kein therapeutisches Ziel im Vordergrund stand und diese somit umsatzsteuerpflichtig seien. Im Rahmen einer Beschwerde wurde die Abgabenvorschreibung bekämpft, die jedoch vom BFG abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde keine ordentliche Revision zugelassen.
Der Beschwerdeführer erhob keine außerordentliche Revision, sondern beantragte eine Nachsicht gem § 236 BAO der nachgeforderten Umsatzsteuer. Begründend wurde vom Beschwerdeführer angeführt, dass er auf die bis zum Wartungserlass vom Dezember 2012 geltende Fassung der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 942 vertraut habe. Dort wurde vertreten, dass unter die Tätigkeit eines Arztes auch ästhetisch-plastische Leistungen zu subsumieren sind, soweit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht, das nach Ansicht des Beschwerdeführers in den vorliegenden Fällen vorhanden war.
Das Finanzamt wies den Nachsichtsantrag ab. Dagegen wurde vom Beschwerdeführer ein Rechtsmittel erhoben. Das BFG gab der eingebrachten Beschwerde satt, und führte begründend im Wesentlichen wie folgt aus:
§ 3 Abs 2 lit b der Nachsichts-Verordnung ist auf den Beschwerdefall nicht anwendbar, weil diese Bestimmung von der rechtmäßigen Geltendmachung eines (materiell-rechtlich bestehenden) Abgabenanspruches ausgeht. Im vorliegenden Fall bestehe allerdings kein materiell-rechtlicher Anspruch auf die im Rahmen der Außenprüfung nachträglich vorgeschriebenen Abgabennachforderung, da drei Monate nach der vom BFG abgewiesenen (ursprünglichen) Beschwerde der VwGH in einem anderen, gleich gelagerten Fall entschied. Demnach sei die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs 1 Z 19 UStG bis zum AbgÄG 2012 ohne Weiteres auf die plastisch-chirurgische Tätigkeit anzuwenden (VwGH 13.09.2017, Ro 2017/13/0015).
Es wäre daher nach Ansicht des BFG unbillig, vom Abgabepflichtigen diese unrechtmäßig vorgeschriebene Abgabe zu verlangen. Dass die Behörde aufgrund der zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung fehlenden Judikatur kein Verschulden an der unrichtigen Lösung der Rechtsfrage getroffen hat, ist dabei ohne Belang.
Conclusio & Ausblick
Interessant ist die jüngste BFG Rechtsprechung zur Nachsicht insofern, als zunächst mit Verweis auf den VwGH wiederholt klargestellt wird, dass die in den §§ 2 und 3 der Nachsichts-Verordnung aufgezählten Fälle aufgrund des Wortes „insbesondere“ Fälle anderer Art nicht ausschließen (VwGH 21.09.2016, 2013/13/0097). Ein Fall anderer Art kann wie im oben beschriebenen Fall dann vorliegen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung Abgaben festgesetzt wurden, für die aufgrund höchstgerichtlicher, im Nachhinein ergangener Rechtsprechung materiell-rechtlich gar kein Anspruch besteht.
Für die Praxis ist zu beachten, dass die Nachsicht grundsätzlich nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit einer Abgabenvorschreibung nachträglich zu klären oder unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen. Unter Umständen kann eine Unbilligkeit auch dann gegeben sein, wenn es der Steuerpflichtige unterlassen hat, ein Rechtsmittel bzw einen Rechtsbehelf gegen eine unrechtmäßige Geltendmachung eines Abgabenanspruchs zu erheben, wobei es hier entscheidend darauf ankommt, aus welchen Gründen die Erhebung des Rechtsmittels unterblieben ist, wie das BFG in dem oben beschriebenen Erkenntnis mit Verweis auf ältere VwGH Judikatur ebenso ausgeführt hat.
Da in dem beschriebenen Fall Amtsrevision beim VwGH (anhängig zZ Ra 2019/15/0117) eingebracht wurde, bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten.