Tax News: Outbound-Dividenden im Konzern: Gewinnausschüttung an substanzlose EU-Holdinggesellschaft (k)ein Problem?
Outbound-Dividenden im Konzern
Werden Gewinne österreichischer Tochtergesellschaften an EU-Muttergesellschaften ausgeschüttet, müssen Letztere zur Erlangung der KESt-Freiheit eine gewisse Mindestsubstanz aufweisen. Ist dies nicht der Fall, kann der Substanznachweis auch auf Ebene dahinter stehender EU-Körperschaften erbracht werden.
EU-Holdinggesellschaften und die Mutter-Tochter-Richtlinie
Gewinnausschüttungen österreichischer Tochtergesellschaften an ausländische Muttergesellschaften unterliegen grundsätzlich der österreichischen Kapitalertragsteuer (KESt) iHv 25 % (§ 93 Abs 1a EStG). Bei Ausschüttungen an ausländische EU-Körperschaften kann die KESt jedoch - unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen - zur Gänze vermieden werden (§ 94 Z 2 EStG). Dabei kann der KESt-Abzug im Idealfall von vornherein unterlassen werden (Direktentlastung der Quelle). Werden jedoch Gewinnausschüttungen an reine Holdinggesellschaften ohne ausreichende Substanz getätigt, muss idR - zumindest alle drei Jahre - KESt einbehalten und abgeführt werden, ehe deren vollständige Rückerstattung gem § 240a BAO (siehe dazu Tax News 03/2019) beantragt werden kann. Näheres zur österreichischen Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie finden Sie in Tax News 03/2016.
Rettende Substanz des mittelbaren EU-Gesellschafters
Steht freilich „hinter“ einer Dividenden empfangenden Holding - etwa als Großmuttergesellschaft der österreichischen Tochter - eine substanzielle EU-Körperschaft, die für sich betrachtet die Voraussetzungen für eine KESt-Entlastung erfüllt, liegt jedenfalls kein missbräuchliches „Directive Shopping“ vor. In derartigen Fällen kann laut österreichischem BMF eine Direktentlastung an der Quelle durchgeführt werden (EAS 3414 vom 3. Juli 2019 mwN).
Art und Umfang der für eine solche Direktentlastung erforderlichen Nachweisführung hängen in derartigen Fällen insbesondere von der Qualifikation der die Gewinnausschüttung direkt empfangenden Holdinggesellschaft ab:
a) Handelt es sich um eine Holding mit wirtschaftlicher Funktion, ist von dieser eine Erklärung auf Formular ZS-EUMT (naturgemäß ohne vollständige Substanzerklärung) beizubringen. Zusätzlich verlangt die Verwaltungspraxis eine Ansässigkeitsbescheinigung und eine Substanzerklärung der dahinter stehenden EU-Gesellschaft.
b) Ist aber die direkte Holdinggesellschaft in Wahrheit als wirtschaftlich völlig funktionslos zu qualifizieren, reicht ein Formular ZS-EUMT der dahinter stehenden EU-Gesellschaft zuzüglich einer formlosen Bestätigung der (funktionslosen) Holding, dass ihr die Dividendeneinkünfte steuerlich nicht zuzurechnen sind.
Kann keine - auch bloß mittelbar beteiligte - EU-Körperschaft mit ausreichender Substanz identifiziert werden, bleibt eine Direktentlastung von der KESt freilich außer Reichweite. Dies gilt nach EAS 3414 selbst dann, wenn die direkt beteiligte Holdinggesellschaft Mitunternehmerin einer operativ tätigen Personengesellschaft ist bzw „hinter“ der Holdinggesellschaft eine solche Personengesellschaft steht.
Höchstgerichtliche Bestätigung
Auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seiner Entscheidung vom 27. März 2019, Ro 2018/13/0004, anerkannt, dass die Substanz der EU-Großmuttergesellschaft für eine Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie jedenfalls ausreichend sein kann. Dabei hat der VwGH im Ergebnis klar gemacht, dass die jeweils gewählte Holdingstruktur keineswegs der einzige Weg zur Erreichung der angestrebten wirtschaftlichen Ziele sein müsse. Eine hinreichende wirtschaftliche Begründung wäre vielmehr auch dann gegeben, wenn die Zwischenschaltung einer oder mehrerer EU-Gesellschaften zwar nicht der einzige, aber doch der bessere und sicherere Weg zur Zielerreichung (zB Gliederung der Beteiligungen nach Sektoren, Regionen und Geschäftsfeldern) wäre.
Außerdem geht aus der Entscheidung klar hervor, dass an die Substanz einer - unmittelbaren oder mittelbaren - EU-Holdinggesellschaft keineswegs überspitzte Anforderungen gestellt werden dürften. So hatte die - im Anlassfall letztlich ausreichende Substanz vermittelnde - EU-Großmuttergesellschaft einen Geschäftsführer, einen Bilanzbuchhalter und einen Teilzeit-Büroleiter beschäftigt. Inhaltlich beschränkten sich die geschäftsleitenden Tätigkeiten dieser Gesellschaft wie folgt:
- Strategische Initiativen betreffend die Geschäftsentwicklung und Umsetzung von Anlagemöglichkeiten,
- Finanzverwaltung, Reporting und Compliance, wie Erstellung von Finanzberichten für die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaften sowie von aufsichtsrechtlich und steuerrechtlich vorgeschriebenen Erklärungen,
- Büroverwaltung betreffend Führung von Finanzkonten, Zahlungen, Vorbereitung der Geschäftsführungsunterlagen sowie Verwaltung und Aufbewahrung von Akten.
Darüber hinaus stand der steuerlichen Anerkennung der gewählten Holdingstruktur auch nicht entgegen, dass der im Drittland (Cayman Islands) ansässige finale Anteilseigner (ein Pensionsfonds) die Investitionspolitik vorgibt, das zur Finanzierung der Beteiligungserwerbe erforderliche Kapital aufbringt und diverse externe Beratungsleistungen an die österreichische Tochtergesellschaft vermittelt.
Dementsprechend hat der VwGH die durch den Pensionsfonds implementierte Doppelholdingstruktur via Luxemburg steuerlich anerkannt und die volle KESt-Entlastung auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie (bzw deren österreichischer Umsetzung in § 94 Z 2 EStG) zugestanden. Die Entscheidung der Vorinstanz (siehe dazu bereits Tax News 11-12/2018) wurde damit vollständig revidiert.
Schlussfolgerungen für die Praxis
In Drittstaaten ansässige Investoren können sich zur Strukturierung ihrer Beteiligungen an österreichischen Kapitalgesellschaften zu Recht bestimmter EU-Zwischenholdingstrukturen bedienen. Dabei reicht es für die Inanspruchnahme der durch die Mutter-Tochter-Richtlinie zu gewährenden KESt-Freiheit aus, wenn (mindestens) eine, allenfalls auch bloß mittelbar beteiligte EU-Gesellschaft über ausreichende Substanz (Personal, Räumlichkeiten, Tätigkeit) verfügt. Was in diesem Sinne noch als ausreichend zu verstehen ist, kann und muss sich wohl daran orientieren, was geschäftsleitende Holdinggesellschaften zur Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit sinnvoller Weise benötigen. Hypertrophe Strukturen mit künstlichen, wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Substanzanforderungen wären in diesem Sinne als unangemessen zurückzuweisen.