Tax News: EuGH: Minderung der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage wegen Nichtzahlung der Raten eines gekündigten Leasingvertrags

EuGH: Minderung der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrun

Der EuGH hat sich im Urteil vom 3. Juli 2019 (C-242/18, Unicredit Leasing) mit der nachträglichen Anpassung der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage beschäftigt. Der EuGH entschied einerseits, dass ein bereits rechtskräftiger Umsatzsteuerbescheid die nachträgliche Anpassung der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage nicht verhindert. Andererseits hielt der EuGH fest, dass die Nichtzahlung einer Steuerschuld endgültig sein muss, um die Anpassung der Bemessungsgrundlage vorzunehmen, auch wenn der betroffene Mitgliedsstaat von dem Optionsrecht der Nicht-Anpassung bei (teilweiser) Nichtzahlung gem Art 90 Abs 2 MwStSyst-RL Gebrauch gemacht hat.

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Esther Freitag

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Im vorliegenden Fall wurde im Februar 2006 ein Finanzierungsleasing zwischen zwei Gesellschaften vereinbart. Der Vertrag wurde für 11 Jahre abgeschlossen und der Vertragsgegenstand, ein Grundstück, wurde Anfang Dezember 2006 übergeben. Ende Dezember 2006 wurde eine Rechnung über die erste Leasingrate ausgestellt. 2008 setzten die bulgarischen Steuerbehörden die Steuerschuld fest, berechnet auf Basis der Summe aller während der gesamten Vertragslaufzeit geschuldeten Leasingraten.

In der Folge wurden die Rechnungen über die Leasingraten regelmäßig ausgestellt, jedoch stellte der Leasingnehmer die Zahlungen bereits im April 2009 ein. Der Leasinggeber kündigte Mitte 2015 den Leasingvertrag  einseitig wegen schuldhafter Nichterfüllung der Verpflichtungen des Leasingnehmers. Bei vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages wurde zwischen den Parteien die Zahlung einer Konventionalstrafe vereinbart, die der Summe aller geschuldeter Leasingraten entspricht. Aufgrund der Nicht-Zahlung des Leasingnehmers beantragte der Leasinggeber die Rückerstattung der festgesetzten Umsatzsteuer. Dieser Antrag wurde von den bulgarischen Steuerbehörden abgelehnt.

Vorab beschäftigte sich der Gerichtshof mit der Frage, ob dieser Fall in die Zuständigkeit des EuGH fällt, weil der Sachverhalt und der Erhebungszeitraum vor dem EU-Beitritt Bulgariens liegen. Bei dem Leasingvertrag handelte es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das den Leasingnehmer verpflichtete Raten über 11 Jahre zu zahlen, die mehrwertsteuerpflichtig sind. Die Wirkung des Vertrages entfaltet sich somit auch noch nach dem Beitritt zur EU von Bulgarien, weshalb der EuGH sich für zuständig erklärte.

Dem EuGH (C-242/18) wurden mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Gericht wollte ua wissen, ob die Minderung der Mehrwertsteuer möglich ist, obwohl die gesamte Steuerschuld bereits in einem rechtskräftigen Bescheid festgesetzt wurde. Das vorlegende Gericht bezog sich auf Art 273 MwStSyst-RL, nach dem Mitgliedsstaaten Formalitäten für Steuerpflichtige einführen können, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu vermeiden. Der EuGH folgte diesem Argument nicht, sondern hielt fest, dass der Erlass eines Prüfungsbescheids nicht unter eine solche Formalität zu subsumieren ist. Der Gerichtshof betonte außerdem die Wichtigkeit von Art 90 (1) MwStSyst-RL, der ein fundamentaler Grundsatz im Mehrwertsteuersystems ist und sicherstellt, dass nur die tatsächlich erhaltene Gegenleistung besteuert wird.

Die weiteren Fragen beschäftigten sich mit der für Art 90 (2) MwSt-SystRL relevanten Abgrenzung der Begriffe in Art 90 (1) MwStSyst-RL, dh wann eine Rückgängigmachung und wann eine Nichtbezahlung vorliegt. Art 90 (2) MwSt-SystRL sieht die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten vor, von der Minderungspflicht bei der Nichtbezahlung abzuweichen. Diese Option wurde von Bulgarien im nationalen Recht umgesetzt.

Bei der rechtlichen Qualifikation, ob es sich um eine Rückgängigmachung oder eine Nichtzahlung handelt, muss zwischen zwei Fällen unterschieden werden:

  1. Forderungen zwischen Einstellung der Zahlung bis zur Kündigung des Leasingvertrages: Weil die Kündigung nur für die Zukunft gilt, wurden die davor nicht gezahlten Raten bereits fällig. Der Leasinggeber kann weiterhin die Zahlungsforderung gerichtlich geltend machen. Aus diesem Grund wurde diese Forderung als eine Nichtzahlung qualifiziert.
  2. Forderung der Konventionalstrafe: Durch die Konventionalstrafe wird sichergestellt, dass der Leasinggeber dieselben Zahlungen erhält, die er auch ohne die Kündigung erhalten hätte. Die Konventionalstrafe ist deshalb als Vergütung für die Transaktion anzusehen. Es liegt außerdem ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und der erhaltenen Gegenleistung vor. Die Zahlung der Konventionalstrafe ist daher mehrwertsteuerpflichtig. Auch im Fall der Konventionalstrafe kann der Leasinggeber die fällig gewordene Forderung gerichtlich geltend machen. Der EuGH qualifizierte auch die Forderung der Konventionalstrafe als eine Nichtzahlung.

In beiden Fällen betonte der EuGH, dass Art 90 (2) MwSt-SystRL den Zweck hat, der Unsicherheit der Einbringlichkeit entgegenzuwirken. Deshalb ist es mit dem Grundsatz der Steuerneutralität vereinbar, dass das Recht auf Minderung der Besteuerungsgrundlage so lange vorenthalten wird, bis die Forderung nicht endgültig als uneinbringlich gilt. Ist es sicher, dass die Forderung uneinbringlich ist, so muss der Mitgliedsstaat die Bemessungsgrundlage anpassen. In dem gegebenen Fall wurden bereits neun Jahre vor dem Zeitpunkt der EuGH-Vorlage die Leasingraten nicht beglichen. Somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu einem Ausfall der Schuld kommt. Die endgültige Entscheidung, ob es sich in dem Fall um eine Nichtzahlung handelt, ist von den nationalen Behörden festzustellen.

Anmerkung und mögliche Auswirkungen auf die österreichische Praxis:

Bemerkenswert ist, dass sich der EuGH in diesem Urteil zur Anwendung der Ausnahme der nachträglichen Anpassung der Bemessungsgrundlage bei Nichtbezahlung geäußert hat. Wenn es bei der Nichtbezahlung eines vereinbarten Entgelts um eine uneinbringliche Forderung handelt, so besteht eine Verpflichtung der Steuerbehörde die Umsatzsteuer nachträglich anzupassen. Bei der Nichtzahlung von mehr als neun Jahren geht der EuGH von einer endgültigen Uneinbringlichkeit aus.

In der Literatur werden daraus die folgenden Schlüsse für Österreich diskutiert (vgl Urteilsbesprechung in SWI 2019, 464ff):

Hinsichtlich der Berichtigung der Umsatzsteuer wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts dürfte die Auslegung des EuGH der in Österreich vertretenen Rechtsauffassung entsprechen. Laut EuGH ist eine Berichtigung spätestens in jenem Zeitpunkt geboten, in dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer gänzlichen bzw teilweisen Uneinbringlichkeit auszugehen ist, was der Steuerpflichtige nachzuweisen hat. Geht danach noch eine Zahlung ein, erfolgt hinsichtlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer eine (Gegen-)Berichtigung.  Nach den UStR 2000 Rz 2388 führt erst die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Minderung des Entgelts aufgrund eines Gerichtsurteils oder Vergleichs zur Uneinbringlichkeit. Nach Maßgabe des § 16 Abs 3 Z 1 UStG, der keine absolute Sicherheit der Uneinbringlichkeit voraussetzt, sollte aber  in Österreich eine Berichtigung der Umsatzsteuer bei nachgewiesener teilweiser oder gänzlicher Uneinbringlichkeit der Forderung (weiterhin) möglich sein.

Entspricht bei vorzeitiger Auflösung eines Leasingvertrages aufgrund von Gründen, die in der Sphäre des Leasingnehmers liegen, die Kündigungsentschädigung des Leasingnehmers den für die restliche Vertragslaufzeit vereinbarten Leasingraten (ohne Zinskomponente) geht der EuGH für die Restlaufzeit von einem Leistungsaustausch und nicht einem (nicht steuerbaren) Schadenersatz aus. Der EuGH hat für den zu beurteilenden Sachverhalt offenbar Parallelen zum in der Entscheidung C-295/17 MEO zu beurteilenden Sachverhalt erkannt und kam für derartige Konstellationen letztlich zu einem vergleichbaren Ergebnis.

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