Tax News: EuGH: Befreiung für Ausfuhrlieferungen anwendbar auch ohne Zollverfahren der Ausfuhr

Befreiung für Ausfuhrlieferungen

Der EuGH hat im Urteil vom 28. März 2019, Vinš (C-275/18) entschieden, dass die Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen gem Art 146 Abs 1 lit a MwStSyst-RL nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass die Waren in das Zollverfahren der Ausfuhr überführt worden sind.

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Esther Freitag

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Herr Vinš hat kleine Militaria aus Tschechien an Orte außerhalb der EU per Post versendet. Die tschechische Steuerbehörde hat Herrn Vinš zur Zahlung der Mehrwertsteuer für diese Lieferungen aufgefordert, da er nicht nachweisen konnte, dass die Waren in das Zollverfahren der Ausfuhr überführt worden sind.

Der EuGH (C-275/18) hatte die Frage zu prüfen, ob die Anwendung der Befreiung für Ausfuhrlieferungen gem Art 146 Abs 1 lit a MwStSyst-RL davon abhängig gemacht werden darf, dass die betreffenden Waren in das zollrechtliche Ausfuhrverfahren überführt worden sind.

Die Befreiung für Ausfuhrlieferungen gem Art 146 Abs 1 lit a MwStSyst-RL setzt laut EuGH voraus, dass die Verfügungsmacht über die Waren an den Käufer übertragen wurde und der Lieferant nachweist, dass die Waren an einen Ort außerhalb der EU versandt oder befördert wurden. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Waren von Herrn Vinš per Post aus der EU ausgeführt worden sind. Zudem verlangt die MwStSyst-RL für die Anwendung der Befreiung nicht, dass die Waren ins Zollverfahren der Ausfuhr überführt werden. 

Die Mitgliedstaaten können zwar gem Art 131 MwStSyst-RL Bedingungen festlegen, um die korrekte Anwendung der Befreiung zu gewährleisten und um Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch zu verhindern. Dies hat aber unter Beachtung der unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Eine nationale Maßnahme geht über das für die Sicherstellung der Steuererhebung Erforderliche hinaus, wenn die Anwendung der Befreiung von formellen Anforderungen abhängig gemacht wird, ohne dass die materiellen Voraussetzungen berücksichtigt werden.

Laut EuGH widerspricht es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Befreiung für Ausfuhrlieferungen von der Überführung der Waren in das zollrechtliche Ausfuhrverfahren abhängig zu machen, obwohl feststeht, dass die Waren tatsächlich ausgeführt worden und die materiellen Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiung erfüllt sind. Der Umstand, dass keine Überführung der Waren in das Ausfuhrverfahren stattgefunden hat, bedeutet nicht, dass eine Ausfuhr nicht tatsächlich erfolgt ist.

Nach der EuGH-Rechtsprechung gibt es lediglich zwei Fälle, in denen der Verstoß gegen Formalanforderungen zur Versagung des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung führen kann:

  1. Der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung verknüpft war.
  2. Der Verstoß gegen die Formalanforderungen verhindert den sicheren Nachweis, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Anmerkung:

Im vorliegenden Urteil betont der EuGH erneut, dass – entsprechend seiner bisherigen Judikatur – das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung nicht allein aufgrund eines Verstoßes gegen Formalanforderungen versagt werden kann. Eine Versagung der Befreiung wäre nur möglich, wenn der Verstoß gegen die Formalanforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt sind oder eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung vorliegt.

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