Tax News: Auswirkungen des multilateralen Instruments auf das österreichische DBA-Netzwerk

Auswirkungen des multilateralen Instruments

Durch das multilaterale Instrument (MLI) sollen zahlreiche Maßnahmen aus dem OECD/G20-BEPS-Projekt in das internationale DBA-Netzwerk übernommen werden. Die ersten durch das MLI geänderten österreichischen DBAs werden dabei bereits 2019 wirksam. Konkret betrifft dies die österreichischen DBAs mit Polen und Slowenien, in Teilbereichen (dh in Bezug auf Abzug-/Quellensteuern) auch die DBAs mit Frankreich, Israel, Litauen, Serbien und Slowakei. Für diese DBAs stellte das BMF auf seiner Homepage „synthetisierte Fassungen“ zur Verfügung, welche die künftige Abkommensanwendung unter Berücksichtigung der MLI-bedingten Änderungen erleichtern sollen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die MLI-Änderungen mit 01.01.2020 auch für zahlreiche weitere österreichische DBAs wirksam werden. Welche Änderungen einzelne österreichische DBAs hier voraussichtlich erfahren werden, kann in der „OECD Matching Database“ eingesehen werden.

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Für den Inhalt verantwortlich

Florian Rosenberger

Partner, Tax

KPMG Austria

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1. Das MLI als Teil des BEPS-Projektes der OECD

Das „multilaterale Instrument“ (MLI) wurde als Ergebnis des BEPS-Projektes der OECD/G20 entwickelt um die darin erarbeiteten abkommensrechtlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Gewinnverschiebungen und Gewinnverlagerungen in bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen den am MLI teilnehmenden Staaten einzupflegen, ohne jedes einzelne DBA auf bilateraler Ebene neu verhandeln zu müssen. Inzwischen haben 87 Staaten und Jurisdiktionen – darunter auch Österreich – das MLI unterzeichnet, wobei 21 dieser Staaten das MLI bereits ratifiziert haben (Stand 25.02.2019). 

Dabei steht es den Signatarstaaten frei, welche ihrer DBAs durch das MLI abgeändert werden sollen. Das MLI hat daher nur insofern Auswirkungen auf ein bestehendes DBA, als beide der betroffenen Vertragsstaaten den Wunsch äußern, dass dieses vom MLI erfasst ist - für nähere Ausführungen zum Inhalt, Aufbau und der Funktionsweise des MLI verweisen wir auf den Tax News Beitrag 05-07/2017. Von den rund 90 Partnerstaaten mit denen Österreich ein DBA abgeschlossen hat, wird Österreich das MLI auf 38 seiner DBAs anwenden (siehe Notifikationen der Republik Österreich).

2. Inkrafttreten des MLI

Voraussetzung für das Inkrafttreten des MLI war, dass zumindest fünf Staaten das MLI ratifizieren und die Ratifikationsurkunde an die OECD übermitteln. Nachdem Slowenien als letzter der 5 erforderlichen Staaten am 22.03.2018 – nach Österreich (22.09.2017), Isle of Man (19.10.2017), Jersey (15.12.2017) und Polen (23.01.2018) – seine Ratifikationsurkunde bei der OECD hinterlegte, trat das MLI erstmals für diese fünf Staaten mit 01.07.2018 in Kraft. Für jeden weiteren Staat tritt das MLI am Beginn des vierten Monats nach Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde beim Depositar der OECD in Kraft. Der Zeitpunkt der Urkundenhinterlegung bzw des Inkrafttretens des MLI in Bezug auf alle teilnehmenden Staaten ist dabei auf der Website der OECD einsehbar.

3. Wirksamkeitsbeginn des MLI für (österreichische) DBAs

Aus Sicht des österreichischen DBA-Anwenders entscheidend ist letztlich jedoch nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens des MLI, sondern dessen Wirksamwerden in Bezug auf einzelne österreichische DBA. Nach Art 35 MLI hängt der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des MLI für ein gewisses Abkommen dabei einerseits von der Art der erhobenen Steuer (Abzug-/Quellensteuer vs. sonstige Steuern) sowie andererseits vom Ratifikationsdatum des DBA-Partnerstaates ab.

  1. Für Steuern, die im Abzugsweg erhoben werden, gilt grundsätzlich das Kalenderjahr als Anknüpfungspunkt für den Wirksamkeitsbeginn. Im Verhältnis zu Österreich wird das MLI dabei für ein konkretes DBA mit dem Beginn des Kalenderjahres wirksam, das auf das Inkrafttreten des MLI im DBA-Partnerstaat folgt bzw am Tag des Inkrafttretens im DBA-Partnerstaat beginnt. Erfolgte die Ratifikation des MLI im DBA-Partnerstaat daher bis spätestens 30. September 2018 und trat das MLI somit in Bezug auf den DBA-Partnerstaat mit 1. Jänner 2019 in Kraft, so wird das MLI in Bezug auf Abzug-/Quellensteuern für Sachverhalte wirksam, die am oder nach dem 01.01.2019 eintreten.

    Für die österreichische Abkommenspraxis bedeutet dies, dass in Bezug auf Abzug-/Quellensteuern für Zeiträume ab dem 1. Jänner 2019 bereits folgende modifizierte DBAs (in der Fassung nach MLI) zur Anwendung gelangen: DBAs mit Frankreich, Israel, Litauen, Polen, Serbien, Slowakei und Slowenien.
  2. Bei allen anderen Steuern wird das MLI erstmals für Veranlagungszeiträume wirksam, die nach Ablauf einer 6-Monatsfrist ab Inkrafttreten des MLI in den beiden involvierten Vertragsstaaten, beginnen. Ausgangspunkt ist auch hier wiederum das im bilateralen Verhältnis später in Kraft getretene MLI. Im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden besteht für die am MLI teilnehmenden Staaten die Möglichkeit, das Wirksamwerden an den Beginn des Kalenderjahres anstelle eines unterjährigen Wirksamwerdens (bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren) zu stellen. Österreich hat von dieser Option einseitig Gebrauch gemacht, so dass das MLI in Bezug auf alle anderen – im Veranlagungsweg erhobenen – Steuern immer zwingend mit Beginn eines Kalenderjahres (zB 01.01.2019) anwendbar wird. Zu beachten ist jedoch, dass der Wirksamkeitsbeginn des MLI im jeweiligen DBA-Partnerstaat hiervon abweichen kann, sofern keine entsprechende Option ausgeübt wird. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass DBA-Partnerstaaten das DBA mit Österreich in der durch das MLI geänderten Fassung schon früher anwenden. Das kann für Unternehmen mit vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren Auswirkungen nach sich ziehen (siehe Beispiel unten).

    Für die österreichische Abkommenspraxis bedeutet dies, dass in Bezug auf alle anderen Steuern (dh alle nicht im Abzugswege einbehaltene Steuern) für Zeiträume ab dem 1. Jänner 2019 bereits folgende modifizierte DBAs (in der Fassung nach MLI) zur Anwendung gelangen: DBAs mit Polen und Slowenien

Das folgende Beispiel verdeutlicht, wann die Bestimmungen des MLI in Bezug auf österreichische DBAs wirksam werden und somit für die Abkommenspraxis Bedeutung erlangen:

Bsp: Für die Slowakei ist das MLI im Verhältnis zu Österreich mit 1. Jänner 2019 in Kraft getreten. Ab welchem Zeitpunkt ist das DBA Österreich-Slowakei in der Fassung nach MLI anwendbar?

Da das MLI in beiden Vertragsstaaten noch mit 1. Jänner 2019 in Kraft getreten ist, findet es ab diesem Zeitpunkt – dh ab dem Kalenderjahr 2019 – für alle im Abzugswege erhobenen Steuern, Anwendung. Da die Vorlaufzeit von sechs Monaten für Steuern, die nicht im Abzugswege erhoben werden, erst mit 1. Juli 2019 ablaufen wird, wird das DBA im Verhältnis zur Slowakei auf österreichischer Seite erstmals mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2020 für alle anderen Steuern modifiziert werden (Anmerkung: Auf slowakischer Seite gelangt das DBA mit Österreich in der Fassung nach MLI bereits für Veranlagungszeiträume zur Anwendung, die am oder nach dem 1. Juli 2019 beginnen, was bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren von Relevanz sein kann).

4. DBA-Anwendung nach Wirksamwerden des MLI – „synthetisierte“ DBA-Fassungen des BMF

Für bereits in Kraft getretene und wirksam gewordene MLIs werden von den zuständigen Behörden der jeweiligen Länder „synthetisierte Fassungen“ erstellt. Die durch das MLI bewirkten Änderungen der bilateralen DBAs werden dabei nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen unmittelbar in den Text des DBA integriert („consolidated version“), sondern in Form von Boxen unter Wiedergabe des Originaltextes des MLI an den geeigneten Stellen des Abkommens eingefügt. In den synthetisierten Fassungen ist bei den durch das MLI abgeänderten Abkommensinhalten auch stets das Wirksamkeitsdatum hinterlegt für die jeweiligen DBA-Staaten hinterlegt, was eine Erleichterung in der künftigen Abkommensanwendung darstellt.

Für Österreich sind die synthetisierten Fassungen, soweit bereits vorhanden, auf der Homepage des BMF sowie im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) zugänglich – bislang allerdings nur für Israel, Litauen, Polen, Serbien, Slowakei und Slowenien. Da es sich hierbei um synthetisierte und nicht konsolidierte Fassungen handelt, wird diesen, mangels parlamentarischer Genehmigung und somit mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt, grundsätzlich kein rechtsverbindlicher, sondern nur ein informeller Charakter beigemessen. Rechte und Pflichten der Steuerpflichten lassen sich lediglich unmittelbar aus dem MLI in Verbindung mit den jeweiligen DBAs ableiten.

5. Praktische Hinweise

Die Veröffentlichung der synthetisierten Fassungen stellt für den Rechtsanwender zwar eine Erleichterung dar, allerdings ohne Rechtsverbindlichkeit. Zudem ist zu beachten, dass in manchen Fällen noch keine synthetisierte Fassung besteht, obwohl das MLI hinsichtlich des jeweiligen DBA bereits in Kraft getreten ist (siehe aktuell zB Frankreich).
Aus diesem Grund empfiehlt es sich parallel dazu zu überprüfen, wann ein von Österreich in den Vorbehalten und Notifikationen eingeschlossener Vertragsstaat eine Ratifikationsurkunde bei der OECD hinterlegt hat und ab wann das MLI in Bezug auf diese Staaten in Kraft tritt bzw in weiterer Folge wirksam wird. Zur Vorhersage der Änderungen, die ein unter das MLI fallendes österreichisches DBA („Covered Agreement“) voraussichtlich erfahren wird, empfiehlt sich ein Blick in die auf der Homepage der OECD zugängliche „MLI-Matching-Database“.

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