Tax Flash: Mögliche steuerliche Auswirkungen eines BREXIT

Tax Flash 1/2019

Das Vereinigte Königreich hat am 29. März 2017 notifiziert, aus der EU austreten zu wollen. Um einen reibungslosen EU-Austritt zu ermöglichen, haben die EU und das Vereinigte Königreich ein „Austrittsabkommen“ sowie eine politische Erklärung über das künftige Verhältnis ausverhandelt. Am 15. Jänner 2019 wurde das Austrittsabkommen vom britischen Parlament abgelehnt. Dieser Beitrag beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit möglichen steuerlichen Auswirkungen eines Brexits.

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Das österreichische Bundesministerium für Finanzen hat auch eine „Brexit-Seite“ eingerichtet, auf der regelmäßig über weitere Entwicklungen berichtet werden soll.

1. Mögliche „Brexit“-Szenarien

Wie auch auf der Brexit-Seite des BMF im Detail dargestellt gibt es grundsätzlich mehrere denkbare Szenarien:

  • Geregelter Austritt mit Austrittsabkommen per Ende März 2019
  • Verlängerung der Verhandlungsphase bzw Rücknahme des Austrittsgesuchs
  • Ungeregelter Austritt („hard brexit“)

Im Falle eines hard brexits würde das Vereinigte Königreich plangemäß per Ende März 2019 aus der EU austreten. Dies hätte zur Folge, dass das Vereinigte Königreich mit sofortiger Wirkung als Drittstaat zu behandeln ist. Damit geht eine Reihe von steuerlicher Änderungen einher, insbesondere sind begünstigende Bestimmungen, die nur im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten in Anspruch genommen werden können (zB Mutter-Tochter-Richtlinie, Zins- und Lizenzrichtlinie) nicht mehr anzuwenden.

2. Mögliche Steuerfolgen eines Brexits

Im Überblick könnten folgende steuer- bzw zollrechtliche Konsequenzen durch einen Brexit ausgelöst werden:

  • Dividendenausschüttungen an eine britische Muttergesellschaft würden nicht mehr der KESt-Befreiung gemäß § 94 Z 2 EStG unterliegen. Gemäß dem bereits ausverhandelten neuen Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Großbritannien werden Konzerndividenden (dh Gewinnausschüttungen an unmittelbar oder mittelbar zu zumindest 10 % beteiligte Körperschaften) ohne Behaltefrist zur Gänze quellensteuerfrei möglich sein. Abhängig vom Zeitpunkt der Ratifizierung dürfte das neue DBA vermutlich aber erst ab 01.01.2020 anwendbar sein. 

  • Durch das neue DBA werden auch Zinsen und Lizenzgebühren grundsätzlich quellensteuerfrei bleiben können. 

  • Aus ertragssteuerrechtlicher Sicht stellt sich zusätzlich die Frage, ob der Brexit selbst bereits ein Umstand sein kann, der das österreichische Besteuerungsrecht einschränkt und damit zur Wegzugsbesteuerung führt. Dies ist zwar auf Einzelfallebene im Detail zu prüfen, jedoch gehen wir vorläufig davon aus, dass ein Brexit keinen automatischen Wegzug darstellt.
    • Laut BMF-Homepage dürfte auch für Personen, die bereits vor Eintritt des Brexits nach Großbritannien weggezogen sind und die Nichtfestsetzung der Steuer bzw die Ratenzahlung der Steuer beantragt haben, der nachfolgende Brexit zu keiner Sofortbesteuerung bzw Fälligstellung der Raten führen.
       
  • Eine Einbringung von Anteilen zu Buchwerten in eine britische übernehmende Gesellschaft gemäß § 16 Abs 1a UmgrStG ist nicht mehr möglich.

  • Umsatzsteuer
    • Nach dem Brexit liegen bei grenzüberschreitenden Warenbewegungen keine innergemeinschaftlichen Lieferungen, sondern Ausfuhr-/Einfuhrlieferungen vor. Damit im Zusammenhang stehen Veränderungen bei Zusammenfassenden Meldungen sowie Rechnungsmerkmalen. 
    • Gleiches gilt für das MOSS1: Bei Umsätzen in das Vereinigte Königreich, bei dem Österreich als MSI gilt, ist MOSS als Vereinfachung nicht mehr anwendbar. Bei Umsätzen aus dem Vereinigten Königreich nach Österreich wäre das EU-Schema nicht mehr anwendbar; ein Übergang in das Drittland-Schema ist zu prüfen. 
    • Verlagerungen des Leistungsortes sind gem § 3a Abs 15 und 16 UStG möglich.
    • Ein Fiskalvertreter gem § 27 Abs 7 UStG könnte für Unternehmer aus dem Vereinigten Königreich notwendig werden.
       
  • Zoll: 
    • Für den Fall eines „hard brexits“ würde sich das Vereinigte Königreich künftig im Handelsverkehr mit der Europäischen Union auf die Regelungen der WTO stützen. Als eigenständiges Mitglied der WTO müsste der Status neu geregelt werden.
    • Dies kann bspw Zollkontingente betreffen. Bisher sind die Zollkontingente der Union im Zusammenhang mit Drittstaaten geregelt. Fraglich ist, ob das Vereinigte Königreich eigene Kontingente erhalten würde oder ob die bisherigen Kontingente beibehalten werden und das vereinigte Königreich davon welche übernehmen würde.
    • Zollsätze der WTO könnten vom vereinigten Königreich übernommen werden. Damit kann sich zum bisherigen Status eine Veränderung ergeben; im Vergleich zu anderen Drittstaaten hingegen nicht.
    • Es wird administrative Verpflichtungen durch die künftige Verpflichtung zur Zollanmeldung von Waren von/in das Vereinigte Königreich geben. 
    • Be- und Verarbeitung im Vereinigten Königreich könnten in einem eigenen Zollverfahren abzubilden sein; ebenso Be- und Verarbeitung von Waren aus dem Vereinigten Königreich in Österreich würden einem eigenen Zollverfahren unterliegen.
       
  • Hard Brexit & Sozialversicherung (insbes auch betreffend Entsendungen):
    • Die EU-rechtlichen Regelungen iZm der Sozialversicherung entfallen im Verhältnis zu Großbritannien im Falle eines Hard-Brexit (insbes EG VO 883/2004, 987/2009, 859/2003 iVm 1408/71).
    • Dem Vernehmen nach geht das öst. Sozialministerium derzeit davon aus, dass das Sozialversicherungsabkommen mit Großbritannien (BGBl 1981/117 idF BGBl 1993/477) nicht wieder Wirksamkeit erlangt. 
    • Mit Entfall der europarechtlichen Vorschriften und bei „Nichtaufleben“ des bilateralen Abkommens kann insbesondere in Entsendefällen ua die Verpflichtung zur Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen oder enden. Wir empfehlen, dies jeweils im Einzelfall zu prüfen (insbesondere auch in Hinblick auf die Gewährleistung entsprechenden Versicherungsschutzes für die betroffenen Personen). 
    • Für den Fall, dass Großbritannien ohne Austrittsabkommen aus der Europäischen Union austritt, wären kurzfristig legistische Maßnahmen wünschenswert, die allfällige nachteilige Folgen für die betroffenen Personen bestmöglich verhindern bzw abfedern. Solche Regelungen durchlaufen aktuell das Gesetzgebungsverfahren zB in Deutschland (Entwurf des "Gesetzes zu Übergangsregelungen im Bereich Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nachdem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union" vom 12. Dezember 2018). 

Die weitere Rechts- bzw insbesondere auch politische Entwicklung bleibt abzuwarten. Wir werden Sie über weitere Entwicklungen zeitnah informieren.

1 "Mini-One-Stop-Shop" (MOSS) bietet die Möglichkeit, sich in einem EU Mitgliedstaat (Mitgliedstaat der Identifizierung = MSI) zu registrieren und sämtliche unter die Sonderregelung fallende Umsätze über den MSI zu erklären und die resultierende Umsatzsteuer zu bezahlen.

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