• Dr. Thimo Stoll, Partner |

Highlights

  • Der Maschinen- und Anlagenbau spielt eine Schlüsselrolle bei der Transformation zur klimaneutralen Gesellschaft

  • Effizientes und konkurrenzfähiges Batterien-Recycling innerhalb der EU liegt besonders im Fokus

  • Technologiefreundliche Regulatorik soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen

Größere Ressourceneffizienz, längere Produktlebensdauer, mehr Recycling: Deutschland wandelt sich derzeit von einer linearen in eine sogenannte zirkuläre Wirtschaft. Gehemmt wird die notwendige Transformation zur nachhaltigen Wertschöpfung aber beispielsweise durch die kontinuierliche Weiterentwicklung komplexer Verbundmaterialien, fehlender Verfahren zur Feststellung der Produktzusammensetzung oder mangelnder Qualität vieler Sekundärrohstoffe. Noch.

Maschinen- und Anlagenbauer stellen der Industrie notwendige Zukunftstechnologien zur Verfügung  - sie unterstützen und prägen den Wandel mit. In den Branchen Metall, Aluminium, Glas und Papier können bereits jetzt mehr als 90 Prozent der Rohstoffe mit mechanischen, thermischen und chemischen Verfahren wiedergewonnen werden. Künftig bieten sich angesichts besonderer Herausforderungen weitere Chancen.

Die Automobilindustrie als Treiber der Wiederverwertung

Die Automobilbranche nimmt eine Pionierrolle ein. Die Kreislaufwirtschaft gilt für nachhaltige Geschäftsmodelle im Sektor als zukunftsträchtig, da sie durch die Verwendung alternativer biologischer Rohstoffe oder Materialien Ressourcen schont. Die zirkuläre Wirtschaft beginnt schon vor dem Recycling: Produkte sollen möglichst abfall- und emissionsfrei gestaltet, hergestellt, geliefert, genutzt, eingesammelt und aufbereitet werden. 

Für ein noch effektiveres Recycling fehlen indes aktuell Informationen zur Zusammensetzung von Produkten. Auf Vorschlag des EU-Parlaments sollen ab 2024/2025 erste verpflichtende digitale Produktpässe etabliert werden. So sollen Daten zur Zusammensetzung und Nutzungsphase gesammelt und der Prozess von Wiederverwertung und Aufbereitung vereinfacht werden. Das Ziel: organisationsübergreifendes Recycling entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 

Kreislaufwirtschaft beginnt bereits beim Produktdesign

Die Chance für Maschinen- und Anlagenbauer besteht hier in der Automatisierung der Erkennung von digitalisierten Produktinformationen und der automatischen Weiterverarbeitung mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Auch die Bereitstellung von Markt- und Logistikplattformen für verlässliche Daten zu Lieferketten und Stoffströmen sind neue Geschäftsfelder.

Die Kreislaufwirtschaft selbst beginnt indes bereits beim Produktdesign. Die Industrieunternehmen  - nicht nur im Automobilbereich  - müssen daher künftig auf alternative technische Ansätze bauen, darunter modulare und additive Bauweisen. Zusätzlich werden bestimmte Stoffe in der Produktion verboten. Damit diese Umstellung betriebswirtschaftlich sinnvoll vollzogen werden kann, braucht es effizientere Produktionslösungen, um mit neuartigen Rohstoffen und Methoden zu produzieren.

Mit intelligenten Maschinen können neue, recyclingfähige Verbundmaterialien  - etwa thermoplastische Verbundwerkstoffe, Metall-Verbundstrukturen oder Faserverbundstoffe  - und Verfahren wie 3D-Druck oder multifunktionale Sandwich-Lösungen für EV-Batteriesysteme genutzt werden. Das Konzept Mobility-as-a-Service bietet Herstellern zusätzliche Möglichkeiten beim Aufbau der dafür benötigten Infrastruktur. Dazu zählen Ladestationen, Sharing-Plattformen sowie Stromanlagen.

Fokus auf Batterien von Elektrofahrzeugen

Eine mittelfristige Kernaufgabe der Wirtschaftstransformation ist das industrielle Batterierecycling, denn bis 2030 sollen laut Bundesregierung sieben bis zehn Millionen Elektroautos zugelassen werden. Zahlen des Verbandes deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) zufolge fallen europaweit bis 2040 jährlich rund 1.500 Kilotonnen gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien an  - schon für das Jahr 2030 prognostiziert das Fraunhofer-Institut 100 bis 200 Kilotonnen aufbereitetes Kobalt, Nickel, Kupfer und Aluminium, das in die Industrie zurückfließt. 

Obwohl der Großteil der 1.500 Kilotonnen an Lithium-Ionen-Batterien bereits durch pyro- und hydrometallurgische Prozesse aus den Batteriezellen zurückgewonnen werden kann, fehlt es derzeit noch an rentablen Wiederverwertungsprozessen. Kapazitäten müssen wegen der steigenden Nachfrage künftig erhöht werden. 

Wer bei der Wiederverwertung von Batteriezellen die Vorreiterrolle einnimmt, kann lukrative Geschäftsfelder erschließen. Bei der Demontage, insbesondere dem Aufbrechen der Zellverbinder, bestehen Sicherheitsrisiken, die durch Automatisierung minimiert werden können. Zudem kann der Aufbereitungsprozess zeitsparender gestaltet werden, da die manuelle Demontage derzeit noch eine halbe bis ganze Stunde je Batteriezelle benötigt. 

Benötigt werden außerdem Technologien, um die Zusammensetzung der Batterien detailreich und für verschiedene Jahrgänge und Modelle zu erfassen. Neue Maschinen wie Schredder, Hochöfen, Förderbänder oder Extraktionsanlagen sollen Prozesse wie Demontage, mechanische Zerkleinerung oder Sortierung möglichst automatisiert kombinieren. 

Der Status quo in der Abfall- und Recyclingwirtschaft

Die Abfall- und Recyclingwirtschaft, insbesondere bezogen auf Glas und Papier, ist dank technologischer Innovationen der Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland bereits gut aufgestellt. In der Ausgestaltung der Strom-Infrastruktur, neuer Nutzungskonzepte sowie der Rückgewinnung bestimmter Rohstoffe  - darunter Kunststoffverbindungen und Elektronik  - bieten sich der Fertigungsindustrie zusätzliche Chancen. Insbesondere Regulatorik sowie der zunehmende Rohstoffmangel sind Recycling-Treiber.

Der EU Green Deal wirft obendrein ein neues Schlaglicht auf die zirkuläre Wertschöpfung. Kunststoffproduzenten sind davon am stärksten betroffen, denn rund 50 Prozent aller Kunststoffverpackungen werden für Lebensmittel verwendet. Generell gilt: Je länger ein Rücklaufsystem etabliert ist, desto höher sind die Rücklaufquoten. Beispielhaft hierfür ist eine Rücklaufquote von rund 98 Prozent beim Einweg-Pfandsystem der Getränkeflaschen. Die geforderte Quote für das Recycling von Plastik liegt seit 2022 bei 63 Prozent, was laut dem Bundesumweltministerium bereits viele Investitionen angestoßen hat. 

Herausforderungen für die Stahl- und Metallindustrie

Die Stahl- und Metallindustrie gilt als unverzichtbar, wenn weltweit die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert werden soll. Der Schwerpunkt sollte jedoch zunehmend auf die Produktion von Materialien verlagert werden, die zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks beitragen. Gleichzeitig müssen Unternehmen möglicherweise ihre eigenen Betriebe umgestalten, um ESG-Kriterien gerecht zu werden und CO2-Emissionen zu reduzieren. 

Wie aus dem globalen KPMG-Whitepaper Sustainability on the horizon jüngst hervorging, gibt es auf dem Weg zu Klimaneutralität aber ebenfalls Hürden. So finden 43 Prozent der Befragten uneinheitliche oder fehlende Vorschriften zur ESG-Berichterstattung besonders relevant. Das liegt auch an den unterschiedlichen geographischen Lagen der Förderstätten von benötigten Mineralien. Soziale Konflikte oder Korruption prägen nicht selten die Standorte.

Notwendige Rahmenbedingungen in Europa

Für einen erfolgreichen Umbruch und internationale Wettbewerbsfähigkeit setzt die Industrie auf technologieoffene Regularien der politischen Verantwortlichen. Nur mit Innovationen in der Logistik, Technologie und Aufbereitung kann die Umsetzung gelingen. Regulatorische Vorgaben wie Verwertungs- und Recyclingquoten können nur kurzfristig als Instrumente dienen, jedoch im Rahmen produktspezifischer Regelungen schon heute Anreize für Veränderungen setzen. Die Versorgungssicherheit von Ressourcen ist zudem eines der größten Risiken für die deutsche und europäische Industrie und wird durch geopolitische Auseinandersetzungen sowie immer schneller vorangetriebene rechtliche Vorgaben mittelfristig jedes Unternehmen treffen.

Ein übergeordnetes Ziel sollte sein, produzierte Ware ganzheitlicher zu betrachten als bisher. Reine Hersteller werden zukünftig im gesamten Produktlebenszyklus Verantwortung für das Produkt übernehmen  - von den Emissionen während der Nutzung über die Verwertung bis zum Verbleib derjenigen Materialien, die nicht wieder in die Wertschöpfungskette zurückfließen können. Die Fertigungsindustrie kann angesichts der besonderen Gemengelage für diverse Branchen eine Schlüsselrolle einnehmen.