Die Weichen für die Verteidigungsfähigkeit Europas werden gerade neu gestellt. Geprägt von unzureichenden Investitionen über Jahrzehnte, politischen Richtungswechseln und einem fragmentierten Verteidigungsmarkt, steht Europa aktuell vor der Herausforderung, seine Sicherheitsarchitektur auszubauen, um eine Verteidigungsbereitschaft herzustellen. Das bedeutet für viele europäische Länder, dass nicht nur Arbeit an ihrer Verteidigungsfähigkeit ansteht, sondern sie auch die Bereiche digitale Technologien und KI-Potenziale effektiver ausschöpfen sollten. Vor diesem Hintergrund sind der jüngst angekündigte Plan „ReArm Europe“ sowie das Whitepaper „European Defence – Readiness 2030“ der EU-Kommission Schritte in die richtige Richtung.
Im Plan „ReArm Europe“ werden fünf Säulen zum Verbessern der EU-Sicherheitsarchitektur festgelegt. Ein neues EU-Finanzinstrument namens Security Action for Europe (SAFE) zur Rüstungsfinanzierung wird geschaffen, die Lockerung des Stabilitäts- und Wachstumspakts für Verteidigungsausgaben gefördert sowie die Flexibilisierung bestehender EU-Instrumente für höhere Investitionen durchgeführt. Schließlich soll die Finanzierung der Verteidigungsprojekte durch die European Investment Bank (EIB) und privates Kapital ausgeweitet werden. In Summe soll die europäische verteidigungstechnologische und -industrielle Basis (EDTIB) nachhaltig gestärkt werden.
ReArm Europe für harmonisierte europäische Regeln
In der Vergangenheit wurde die Entwicklung der EDTIB durch verschiedene Faktoren behindert. Dazu zählten unter anderem ein stetiger Rückgang der Verteidigungshaushalte und hohe Stückkosten in der Rüstungsgüterproduktion durch fragmentierte Nachfrage oder langwierige Beschaffungsprogramme. Initiativen wie „ReArm Europe“ läuten hier einen Wandel ein, der der EDTIB helfen kann, besser auf aktuelle und künftige Herausforderungen in der europäischen Sicherheit und Verteidigung zu reagieren.
Viele der von der EU-Kommission im Rahmen von „ReArm“ und dem Whitepaper „European Defence – Readiness 2030“ angekündigten Maßnahmen decken sich mit unseren Erkenntnissen – für uns ein klares Zeichen, dass die Industrie viele der geplanten Initiativen begrüßen wird. Unsere Befragungen von Vertretern der Industrie, des öffentlichen und des Finanzsektors sowie von Kapitalmarktteilnehmern zeigen jedoch: Viele Unternehmen in der europäischen Verteidigungsindustrie haben Schwierigkeiten, an das nötige Kapital zu kommen. Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen, die oft nur schwer private oder staatliche Investoren finden.
Stefan Hefter
Partner, Defence & Space
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Drei Faktoren tragen zu diesem Phänomen bei:
- Komplexe Rechtsvorschriften wurden als Haupthindernis für Investitionen in und Aktivitäten von Rüstungsunternehmen identifiziert, wobei die Variation der nationalen Vorschriften in der EU eine zentrale Herausforderung darstellt.
- Noch immer fehlen standardisierte und juristisch bindende Definitionen für Rüstungsgüter sowie einheitliche ethische ESG-Kriterien, um mehr Transparenz sicherzustellen.
- Die Heterogenität der Datensätze von Datenanbietern, die durch Investoren für die Klassifizierung und Bewertung potenzieller Investitionsobjekte verwendet werden, ist Ausdruck uneinheitlicher Kriterien, Definitionen und Standards zwischen diesen Anbietern. Dies erschwert es, Vergleichbarkeit herzustellen und transparente Entscheidungen über Vermögenswerte zu treffen.
Transparenz, Vertrauen, Kapital: Voraussetzungen für mehr Verteidigungsinvestitionen
Der europäische Verteidigungsmarkt ist durch eine Reihe nationaler und EU-Vorschriften sowie durch ESG-basiertes Soft Law geprägt. Diese unterschiedlichen Vorgaben sorgen für Intransparenz und stellen ein Risiko für Investitionsentscheidungen dar. Das zeigt deutlich die Notwendigkeit, EU-weite und nationale Vorschriften für das Beschaffen von Verteidigungsgütern sowie für Kapitalinvestitionen besser aufeinander abzustimmen. Außerdem braucht es europaweit anerkannte Ausschlusskriterien für Investitionen im Verteidigungssektor in Form klar definierter rechtlicher Standards. So bestehen in unterschiedlichen Jurisdiktionen derzeit unterschiedliche Auffassung über die Definition umstrittener Waffen, oder den Umgang mit Dual-Use-Technologien.
Das Verringern der regulatorischen Komplexität sollte mit einem stärkeren Engagement führender Akteure des Kapitalmarkts einhergehen. Aus diesem Grund sind positive Marktsignale öffentlicher Banken, wie das Investitionsprogramm für Verteidigung der Europäischen Investitionsbank (EIB) wichtig, um Orientierung in diesem Kapitalmarktsegment zu geben. Dies kann das Vertrauen nationaler öffentlicher Banken und privater Investoren in Anlageklassen des Verteidigungssegments stärken, was zu mehr Kapitalzufluss führt.
Ungeachtet dieser neuen Dynamik gilt aber weiterhin: Eine erfolgreiche Investitionsentscheidung hängt von der Zusammenführung einer Vielzahl von Datenpunkten und einer gründlichen Due-Diligence-Prüfung ab. Aufgrund der Besonderheiten im Verteidigungssektor ist dabei das Wissen von Industrieexperten essenziell.
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