Sind Immobilien, die am Bewertungsstichtag nicht vermietet sind und sich noch im Zustand der Bebauung befinden, als steuerlich nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen oder steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen anzusehen? Zu dieser Frage hat das Finanzgericht Münster nun mit den Aktenzeichen 3 K 906/23 F und 3 K 908/23 F zwei inhaltsgleiche Urteile veröffentlicht.
Darin stellt das Gericht zugunsten des Steuerpflichtigen fest, dass es sich bei diesen Immobilien um steuerlich begünstigtes Vermögen handelt.
Worum es bei dem strittigen Sachverhalt geht und welche Auswirkungen das Urteil auf die steuerliche Bewertung von Immobilien im Erb- oder Schenkungsfall hat, stellen wir nachfolgend dar.
Wann sind Immobilien erbschaftsteuerlich begünstigt?
Durch die Steuerbefreiungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes können Unternehmen und Unternehmensanteile im Gegensatz zu anderen Vermögenswerten bei einer Übertragung begünstigt werden. Hierbei sind Entlastungen von 85 bis 100 Prozent möglich. Voraussetzung für diese Steuerbefreiung ist, dass das begünstigungsfähige Betriebsvermögen nicht zu mindestens 90 Prozent aus schädlichem Verwaltungsvermögen besteht. Zu diesem schädlichen Verwaltungsvermögen zählen Immobilien die „Dritten zur Nutzung überlassen werden“. Eine Überlassung kann sowohl kurz- als auch langfristig, entgeltlich oder unentgeltlich sein.
Von dem Grundsatz, dass Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke Verwaltungsvermögen darstellen, nennt das Gesetz sechs Ausnahmen:
- Fälle, bei denen eine sogenannte Betriebsaufspaltung vorliegt oder Erblasser beziehungsweise Schenker die Immobilie im sogenanntem Sonderbetriebsvermögen halten,
- bei ausgewählten privilegierten Verpachtungen ganzer Betriebe,
- bei Vermietungen innerhalb eines Konzerns,
- bei Wohnungsunternehmen,
- bei Verpachtung zum Absatz eigener Produkte und
- bei Verpachtung einzelner land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke.
Das Finanzgericht Münster hatte in dem hier angesprochenen Sachverhalt die Frage zu klären, ob später intendierte Nutzungen im Zeitpunkt der Schenkung bzw. des Erbfalles bereits zu berücksichtigen sind. Dies hätte zur Folge, dass ein im Bau befindliches Objekt bereits vor Fertigstellung dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen ist. Es ist hierbei zu beachten, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Stichtagsbetrachtung einnimmt, es somit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übertragung ankommt.
Stefan Bethlehem
Partner, Tax, Familienunternehmen, Private Client Tax
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass es sich bei einer wirtschaftlichen Einheit in der Eigenart als Grundstück im Zustand der Bebauung um schädliches Verwaltungsvermögen handelt, da für die Immobilie eine zukünftige Nutzungsabsicht im Rahmen einer Fremdvermietung vorliegt. So wird nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Gleichlauf zu im Privatvermögen gehaltenen, noch nicht fertiggestellten Objekten hergestellt.
Außerdem handele es sich bei übertragenen Immobiliengesellschaften, die im Bau befindliche Objekte umfassen, um Gesellschaften, die mit einer sogenannten „Cash-GmbH“ vergleichbar sind, denn es werde lediglich Geld in Form von Grundstücken mit Gebäuden im Bebauungszustand übertragen. Für eine derartige „Cash-GmbH“ sei eine erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung ebenfalls ausgeschlossen. Die perspektivische Nutzung der Objekte müsse daher im Ergebnis anhand des Gesellschaftsvertrags ermittelt und einbezogen werden.
Auffassung der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass bei der Prüfung, ob ein Objekt Dritten zur Nutzung überlassen wird, auf den steuerlichen Übertragungsstichtag abzustellen sei – es gelte das Stichtagsprinzip. Für die Einordnung, ob steuerlich unbegünstigtes Verwaltungsvermögen oder steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen vorliegt, seien demnach die Verhältnisse am Stichtag der Entstehung der Steuer entscheidend.
Auf eine zum Stichtag beabsichtigte zukünftige Nutzungsüberlassung an Dritte komme es nicht an, da nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich entscheidend sei, dass eine tatsächliche Nutzungsüberlassung an Dritte im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegt, um von Verwaltungsvermögen auszugehen. Auch ein systematischer Vergleich zur Steuerbefreiung nach § 13d ErbStG, dessen Anwendungsbereich auch Grundstücke im Privatvermögen erfasst, die zukünftig zu Wohnzwecken vermietet werden, ändere das Ergebnis der Wortlautauslegung zum Verwaltungsvermögen nicht.
Das Erfassen von Dritten zur Nutzung überlassenem Grundbesitz als Verwaltungsvermögen habe den Sinn und Zweck, dass der zum Betriebsvermögen gehörige Grundbesitz steuerlich nicht begünstigt wird. Der Grundbesitz sei daher aufgrund der Nutzungsüberlassung an Dritte vielmehr als Gegenstand der typischerweise risikolosen privaten Vermögensverwaltung anzusehen. Dieser Sinn und Zweck werde durch die vorgenommene Auslegung nach Auffassung des Finanzgerichts jedoch bereits ausreichend verwirklicht, da bei Grundbesitz, der zum Zeitpunkt der Steuerentstehung ungenutzt ist, nicht eindeutig feststehe, ob dieser künftig originär betrieblich genutzt oder Dritten zur Nutzung überlassen wird.
Weiterhin stelle die Wahl des Übertragungsstichtags nach Auffassung des Finanzgerichts keinen Gestaltungsmissbrauch dar, da dem Steuerpflichtigen zustehe, von mehreren angemessenen Gestaltungsmöglichkeiten die steuerlich günstigste zu wählen. Zwar führe die von Steuerpflichtigen getroffene Wahl des Übertragungszeitpunktes in diesem Fall dazu, dass der Grundbesitz nicht als Verwaltungsvermögen qualifiziert wird, dennoch handele es sich nicht um eine unangemessene Rechtsgestaltung.
Was folgt aus dem Urteil und für wen hat es Bedeutung?
Wie bereits beschrieben, sind im Bau befindliche Objekte nicht dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen, wenn diese am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht tatsächlich Dritten zur Nutzung überlassen werden, sondern eine zukünftige Nutzungsüberlassung lediglich geplant ist. Dies ist auf das erbschaft- und schenkungsteuerliche Stichtagsprinzip zurückzuführen, das besagt, dass ausschließlich auf die Tatsachen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer abzustellen ist.
Damit hat das Urteil des Finanzgerichts Münster nicht nur Auswirkungen auf die Begünstigungsfähigkeit von Objekten, die sich noch im Bau befinden, sondern auch auf bereits fertiggestellte Objekte, die jedoch zum Zeitpunkt des Übertragungsstichtags nicht vermietet werden – beispielsweise aufgrund von Leerstand. Diese sind nach der aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts ebenfalls als begünstigtes Vermögen zu qualifizieren und wären grundsätzlich auch erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt. Damit kann auch beim Übertragen von
- Grundstücksvorratsgesellschaften,
- Vermietungsgesellschaften und
- Gesellschaften, die über im Bau befindliche Objekte verfügen
die Möglichkeit bestehen, von steuerlichen Begünstigungen zu profitieren.
Das Urteil hat demnach für sämtliche Familienunternehmer eine Bedeutung, die in ihrem Betriebsvermögen Immobilien haben, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ungenutzt sind und bei denen eine Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder im Todesfall in Betracht kommt.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts wurde die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen.
Was bedeutet das für Sie?
Sollten Sie ein Unternehmen betreiben, das aktuell oder zukünftig über ungenutzte oder im Bau befindliche Objekte verfügt, und die Übertragung Ihres Unternehmens in Erwägung ziehen, können Sie laut aktueller Rechtsprechung von steuerlichen Begünstigungen profitieren. Es empfiehlt sich, frühzeitig in die Planung der Übertragung und die Bewertung des Vermögens einzusteigen. Denn trotz der Entscheidung des Finanzgerichts gibt es auf dem Weg zur steuerlich begünstigten Übertragung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen einige Stolpersteine, die es aus dem Weg zu räumen gilt.