BMF: Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei grenzüberschreitender Betätigung
Das BMF hat ein Schreiben zum Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei grenzüberschreitender Betätigung und der Anwendung der Ausnahme vom Sonderausgabenabzugsverbot für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG veröffentlicht.
Hintergrund:
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 Halbsatz 1 EStG kommt ein Sonderausgabenabzug für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG nur in Betracht, wenn diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.
Ende 2018 wurde eine gesetzliche Rückausnahme in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG geschaffen und mit dem Jahressteuergesetz 2020 für die Schweiz erweitert. Nach dieser Vorschrift waren Vorsorgeaufwendungen ungeachtet des Abzugsverbots als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen, diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei sind und der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.
Der BFH hat in zwei Urteilen vom 27. Oktober 2021 (X R 11/20 und X R 28/20), die nunmehr im BStBl. veröffentlicht werden sollen, entschieden, dass es die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Artikel 45 AEUV gebietet, vom Ausschluss des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG auch dann abzusehen, wenn der Steuerpflichtige im ehemaligen Beschäftigungsstaat keine Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt, sondern eine vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängige gesetzliche Altersrente. Zudem seien für die Frage, ob der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dort bezogener Einnahmen zulässt, die einzelnen Sparten der Vorsorgeaufwendungen getrennt zu beurteilen.
Mit einem weiteren Urteil vom 24. Mai 2023 (X R 28/21), das ebenfalls zur Veröffentlichung im BStBl. vorgesehen ist, hat der BFH zudem entschieden, dass die Sonderregelung zur Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchstabe a EStG aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Artikel 49 AEUV) auch für Vorsorgeaufwendungen gilt, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen aus einer ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit stehen.
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchstabe a EStG angepasst. Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG sind nunmehr - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem EU-/EWR-Staat oder in der Schweiz erzielten Einnahmen stehen. Es kommt nicht mehr darauf an, ob es sich um Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit handelt.
Das BMF-Schreiben regelt nun Folgendes:
- Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, d. h. keine durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen auslösende Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger darstellen, sind weiterhin unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen einer freiwilligen Versicherung, zu einer zusätzlichen privaten Kranken- oder Pflegeversicherung sowie zu einer freiwilligen Unfallversicherung.
- Zur Beurteilung der Frage, ob gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchstabe c EStG der andere Staat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dort bezogener Einnahmen zulässt, sind die einzelnen Sparten der Vorsorgeaufwendungen getrennt zu beurteilen. Zu differenzieren ist zwischen den durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen ausgelösten Pflichtbeiträgen zu folgenden Sparten:
- gesetzliche Rentenversicherung (vergleichbar § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG),
- gesetzliche Krankenversicherung (vergleichbar § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstabe a EStG),
- gesetzliche Pflegeversicherung (vergleichbar § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstabe b EStG),
- Arbeitslosenversicherung (vergleichbar § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG).
Die geleisteten Aufwendungen müssen in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Aufwendungen vergleichbar sein. Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen einer Sparte im (ggf. ehemaligen) EU-/EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft hat nicht zur Folge, dass die Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen für andere Versicherungssparten im Inland ausgeschlossen ist.
Die Regelungen sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Fundstelle: BMF-Schreiben v. 03.04.2025
News-Kategorie: Finanzverwaltung
Veröffentlichungsdatum: 08.04.2025
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