BFH: Wirtschaftliches Eigentum an zur Sicherheit übereigneten Aktien
Der BFH hat entschieden, dass zur Sicherheit übereignete Aktien dem Sicherungsnehmer als Inhaber der Aktien zuzurechnen sind, wenn dieser die wesentlichen mit den Aktien verbundenen Rechte (insbesondere Veräußerung und Ausübung von Stimmrechten) rechtlich und tatsächlich ab dem Eigentumsübergang unabhängig vom Eintritt eines Sicherungsfalls ausüben kann (Az. I R 3/21).
Bei dieser Prüfung der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 AO sei zu prüfen, wem die wesentlichen mit dem Vollrecht an Aktien verbundenen Rechte objektiv und in tatsächlicher Hinsicht zustehen. Nicht relevant sei, ob der Inhaber dieser Rechte sie subjektiv auch wahrnehmen möchte.
Das Urteil erging im Kontext einer Gestaltung, bei der Dividenden steuerfrei bezogen wurden, diese Dividenden an eine Bank weitergeleitet wurden und diese weitergeleiteten Dividenden als Betriebsausgaben steuerlich abziehbar waren.
Dazu hatte die Klägerin, eine AG, mit ihrer Bank zeit- und betragsgleiche, gegenläufige Wertpapierpensions- und Wertpapierdarlehensgeschäfte abgeschlossen. Als Sicherheit erhielt sie börsennotierte britische Aktien von ihrer Bank gegen Zahlung einer Gebühr. Die AG konnte uneingeschränkt über diese Aktien verfügen und die Stimmrechte ausüben. Bei Beendigung der Wertpapierdarlehen musste sie Aktien gleicher Art und Menge zurückübertragen. Erhaltene Dividenden musste die AG zeit- und betragsgleich an die Bank weiterleiten. Aufgrund der Steuerbefreiung der erhaltenen Dividenden einerseits und der steuerlichen Abzugsfähigkeit der weitergeleiteten Dividenden andererseits entstand bei der Klägerin ein steuerlicher Verlust. Diesen Verlust maximierte die Klägerin, indem sie Aktien, deren Ausschüttungen sie bereits empfangen hatte, vorzeitig gegen solche austauschte, bei denen die Ausschüttung noch anstand.
Das Finanzgericht kam zum Ergebnis, dass die Aktien im Zeitpunkt des Dividendenbezugs steuerlich nicht der Klägerin, sondern ihrer Bank zuzurechnen sind und versagte den steuerlichen Verlust. Auf den vom Finanzamt angenommenen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) komme es daher nicht an.
Der BFH kommt nun zu einem abweichenden Ergebnis. Die Aktien seien steuerlich nach § 39 AO der Klägerin zuzurechnen gewesen, weil ihr im Gegensatz zum klassischen Sicherungseigentum die wesentlichen mit den Aktien verbundenen Rechte zugestanden haben (insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte). Die subjektiven Absichten, bestehende Befugnisse auch wahrnehmen zu wollen, seien nicht relevant für die Zurechnung. Solche Motive könnten jedoch bei einer Prüfung des Vorliegens eines Gestaltungsmissbrauchs beachtlich sein. Da das Finanzgericht noch keine tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs gemacht hat, hat der BFH den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen, um dies nachzuholen. Dabei ist zu beachten, dass aus einer zeitlich nach dem Streitjahr eingeführten spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsvorschrift (§ 8b Abs. 10 KStG) sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses die Folgerung ziehen lasse, dass eine von ihr erfasste Sachverhaltskonstellation vor dem Inkrafttreten den Tatbestand der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 42 AO nicht erfüllen könne. Außerdem dürfe für die Beurteilung des Vorliegens einer unangemessenen Gestaltung der Umstand wesentlich sein, ob die Absicherung des Wertpapierdarlehens durch die Übertragung der britischen Aktien auch außersteuerliche Gründe gehabt hat.
Fundstelle: BFH-Urteil I R 3/21
News-Kategorie: Rechtsprechung
Veröffentlichungsdatum: 03.04.2025
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