Die deutschen Finanzbehörden, insbesondere das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), haben ihr Augenmerk verstärkt auf die Prüfung der Aktivitäten von konzerninternen Rechenzentren in Deutschland gerichtet. Die Prüfung konzentriert sich hier auf zwei wesentliche Aspekte:
- Die angewandten Verrechnungspreismethoden für die konzerninterne Vergütung im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Rechenkapazitäten (einschließlich Serverkapazitäten).
- Die Beurteilung, ob die Nutzung von Rechenkapazitäten in einem deutschen Rechenzentrum eine Betriebsstätte für ausländische Content Provider darstellt.
Wertbeitrag von konzerninternen Rechenzentren
In der Verrechnungspreispraxis wird die Bereitstellung von Rechenkapazitäten innerhalb eines Konzerns typischerweise als Routineaktivität eingestuft, der keine wesentliche Wertschöpfung zugeschrieben wird. Dies gilt auch für Technologieunternehmen, die diese Rechenkapazitäten benötigen, um ihre digitalen Produkte oder virtuellen Dienstleistungen an Kunden zu erbringen. Die erforderlichen Datenkapazitäten werden als Hygienefaktor des Geschäftsmodells angesehen; sie stellen jedoch keinen signifikanten Wertschöpfungsfaktor dar. Nach unserer Erfahrung werden konzerninterne Rechenzentren in der Regel nach einem kostenbasierten Ansatz mit einem angemessenen Aufschlag für Routinefunktionen vergütet.
Die Finanzbehörden sehen jedoch einen erheblichen Wertbeitrag in konzerninternen Rechenzentren und argumentieren regelmäßig, dass konzerninterne Rechenzentren in Deutschland von erheblicher Bedeutung für das Geschäftsmodell selbst und nicht leicht austauschbar sind. Aus ihrer Sicht leistet der Standort einen wesentlichen Beitrag zum Markterfolg, auch wenn die vor Ort vorhandenen Personalfunktionen (d.h. Anzahl der Mitarbeiter des Rechenzentrums) in der Regel begrenzt sind. Daher sind die Finanzbehörden der Meinung, dass die Vergütung für die Bereitstellung von Rechenkapazitäten auch die Skalierbarkeit des mit solchen Kapazitäten betriebenen Geschäftsmodells berücksichtigen sollte. Dies könnte beispielsweise durch eine Vergütung auf Basis der externen Umsätze des Content Providers angemessen erreicht werden.
Die Herausforderung für beide Seiten besteht in diesen Fällen darin, dass Fremdvergleichspreise zur Rechtfertigung der Angemessenheit der Vergütung schwer zu beschaffen sind. Konzerninterne Rechenzentren mit ihrem einzigartigen Funktions- und Risikoprofil sind nicht mit denen von Drittanbietern vergleichbar, da im konzerninternen Kontext typischerweise kein Marktrisiko aufgrund der gesicherten Abnahme der Kapazitäten besteht. Preisinformationen von Drittanbietern, die unter Umständen vergleichbar wären, sind in der Regel nicht öffentlich verfügbar und können daher nicht leicht auf ihre Vergleichbarkeit analysiert werden.
Fazit:
Steuerpflichtige, die inländische konzerninterne Rechenkapazitäten nutzen, sollten sich auf strengere Verrechnungspreisprüfungen vorbereiten, indem sie die Funktion und das Risikoprofil ihrer konzerninternen Rechenzentren detaillierter analysieren und dokumentieren. Dabei sollte auch die Angemessenheit der gewählten Vergütung anhand alternativer Vergütungsmethoden, wie z.B. Return on Assets Employed oder basierend auf dem genutzten Kapazitätsvolumen, verprobt werden. Wenn für den Steuerpflichtigen praktikabel, ist es bei potentiellen Feststellungen der Betriebsprüfung ratsam, die Doppelbesteuerung durch ein bilaterales Verständigungsverfahren - soweit im Einzelfall möglich - beseitigen zu lassen.
Inländische Server-Betriebsstätte ausländischer Content Provider
Nach nationalem Recht, wie in § 12 Satz 1 der Abgabenordnung definiert, und ständiger Rechtsprechung erfordert eine Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester Verbindung zum Boden, die von gewisser Dauer ist. Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss den Tätigkeiten des Unternehmens dienen, und der Steuerpflichtige muss mehr als nur vorübergehende Kontrolle darüber haben. Personal ist in der Regel nicht erforderlich, um eine Betriebsstätte dem Grunde nach zu begründen.
Aus internationaler Sicht ist es entscheidend, die individuelle Situation unter den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und den betroffenen Ländern (beispielsweise Ansässigkeitsstaat der Vertragspartner der konzerninternen Vereinbarungen für den Rechenzentrumsbetrieb, z.B. Content Provider) zu bewerten. Oft unterscheiden sich die DBAs in Bezug auf die Kriterien für die Begründung einer Betriebsstätte nicht wesentlich von den OECD-Richtlinien. Eine detaillierte Überprüfung basierend auf den spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalls ist jedoch ratsam.
In den von uns beobachteten Fällen geht die deutsche Betriebsprüfung davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte eines ausländischen Content Providers selbst dann erfüllt sind, wenn das Rechenzentrum nicht im Eigentum des ausländischen Content Providers steht, sondern einer separaten deutschen juristischen Person gehört und der ausländische Content Provider nur virtuellen Zugang zu den Rechenkapazitäten hat.
Aus unserer Sicht sollte die Annahme einer Server-Betriebsstätte kritisch auf Basis der individuellen Fakten jedes Einzelfalls geprüft werden, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Kontrolle über die feste Geschäftseinrichtung.
Sollte tatsächlich eine Betriebsstätte des Content Providers im deutschen Rechenzentrum anzunehmen sein, ist der nächste Schritt die Beurteilung der quantitativen Auswirkungen. Diese leiten sich aus dem Authorized OECD Approach, wie im OECD-Bericht von 2010 zur Gewinnzurechnung an Betriebsstätten dargelegt, den deutschen Grundsätzen zur Gewinnaufteilung von Betriebsstätten gemäß § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) sowie der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung ab.
Aus internationaler sowie auch aus nationaler Sicht sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden wesentlichen Personalfunktionen ein entscheidender Faktor für die Zurechnung potenzieller Gewinne, wobei das nationale Recht hierbei noch stärker auf die physische Präsenz der wesentlichen Personalfunktionen abstellt. Im Fall von Server-Betriebsstätten ohne wesentliche lokale physische Personalfunktion sollten die quantitativen Auswirkungen - zumindest nach aktuellem nationalem Recht – daher relativ gering sein.
Fazit:
Sollte die Betriebsprüfung eine Betriebsstätte des ausländischen Content Providers in inländischen Rechenzentren annehmen, empfehlen wir, diese Annahme kritisch zu hinterfragen, da es bisher nach internationalem und nationalem Recht keine klaren Leitlinien für die Annahme einer Betriebsstätte im Rahmen von virtuellen Geschäftsmodellen gibt.
Falls die deutschen Finanzbehörden auf der Annahme einer Betriebsstätte für den ausländischen Content Provider in Deutschland bestehen, empfehlen wir, ein bilaterales Verständigungsverfahren zu beantragen, um Doppelbesteuerung soweit möglich zu beseitigen und auch international Bewusstsein für den Ansatz der deutschen Finanzbehörden zu schaffen.
Gerne stehen Ihnen unsere KPMG-Experten für Verrechnungspreis für Fragen zur Verfügung.
Veröffentlichungsdatum:
27.03.2025