Schätzung des Umfangs der Gefährdung des Steueraufkommens
VAT Newsletter Dezember 2024-Januar 2025
VAT Newsletter Dezember 2024-Januar 2025
Schlussanträge der Generalanwältin vom 19. Dezember 2024 – Rs. C-794/23 – Finanzamt Öster-reich II
Der EuGH hatte mit Urteil vom 8. Dezember 2022 – Rs. C-378/21 – Finanzamt Österreich (P GmbH/ Indoor Spielplatz) entschieden, dass eine Rechnung an Endverbraucher keine Steuerschuld auslöse, wenn ein zu hoher Mehrwertsteuerbetrag angegeben sei und keine Gefährdung des Steueraufkommens bestehe, weil die Leistungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher erbracht wurden. Dieser Sachverhalt ist von der nächsten Instanz (Berufungsgericht) nun erneut an den EuGH herangetragen worden.
Im Rahmen der Rechtssache C-794/23 wurde nach unionsrechtlichen Kriterien einer Schätzung zur Aufteilung gefragt, wenn Rechnungen doch nicht nur an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Endverbraucher, sondern auch an vorsteuerabzugsberechtigte Steuerpflichtige ausgestellt wurden.
Sachverhalt
Die P GmbH betreibt einen Indoor-Spielplatz und stellte im Jahr 2019 Rechnungen mit einem zu hohen Mehrwertsteuersatz aus. Das Finanzamt verweigerte die Erstattung der zu viel bezahlten Steuer, da die Rechnungen nicht korrigiert wurden. Das österreichische Bundesfinanzgericht schätzte im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 8. Dezember 2022, der davon ausgegangen war, dass Leistungsempfänger nur nicht vorsteuerabzugsberechtigte Endverbraucher waren, dass 0,5 Prozent der Rechnungen an vorsteuerabzugsberechtigte Steuerpflichtige ausgestellt wurden, was insoweit zu einer Steuerschuld führe.
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof fragte den EuGH nun nach Kriterien für eine solche Schätzung.
Aus den Schlussanträgen
Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie besage, dass die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
Die Generalanwältin stellt fest, dass Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Gefährdungshaftung normiert. Diese Vorschrift umfasse somit alle Rechnungen an Steuerpflichtige unabhängig davon, ob diese zum Vorsteuerabzug berechtigt seien oder nicht. Nicht umfasst von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie seien hingegen Rechnungen an Nichtsteuerpflichtige.
Die Generalanwältin stellt weiter fest, dass es keine "Infektionswirkung" dergestalt gibt, dass sämtliche Rechnungen – mithin auch solche, die an Nichtsteuerpflichtige ausgestellt wurden – unter den Anwendungsbereich von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, nur weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass im Einzelfall auch Rechnungen an Steuerpflichtige ausgestellt wurden.
In Bezug auf eine mögliche Aufteilung im Schätzungswege führt die Generalanwältin zunächst aus, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie – zwar nicht für diesen Fall, jedoch für andere Konstellationen – Aufteilungsmöglichkeiten vorsieht und auch erlaubt, gewisse Bagatellsachverhalte unberücksichtigt zu lassen.
In einem Fall wie dem Vorliegenden stelle die Ermittlung des Aufteilungsmaßstabes damit mangels konkreter Regelung in der Mehrwertsteuerrichtlinie zwar grundsätzlich eine Frage der Darlegungs- und Beweislast im Steuerverfahren des jeweiligen Mitgliedstaates dar. Hierbei seien zur Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips jedoch die Art der Leistung und der typische Kundenkreis zu berücksichtigen.
Zudem sei es nach den Ausführungen der Generalanwältin denkbar, zusätzlich mit einem sogenannten Sicherheitsaufschlag zu arbeiten, um jegliche Gefährdung des Steueraufkommens auszuschließen. Bezüglich dessen Höhe sei dann jedoch zu berücksichtigen, wer die abzusichernde Gefährdung verursacht habe.
Bitte beachten Sie:
Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH den Ausführungen der Generalanwältin folgen wird. Mit einer Entscheidung dürfte im ersten Halbjahr 2025 zu rechnen sein.
Ihre Ansprechpersonen
Mein Profil
Speichern Sie Inhalte, verwalten Sie Ihre Bibliothek und teilen Sie die Inhalte mit Ihrem Netzwerk.
Kathrin Feil
Partnerin, Tax - Head of Indirect Tax Services
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Oliver Buttenhauser
Partner, Tax, Indirect Tax Services
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
So kontaktieren Sie uns
- KPMG-Standorte finden kpmg.findOfficeLocations
- kpmg.emailUs
- Social Media @ KPMG kpmg.socialMedia