Power Purchase Agreements (PPAs) sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende und ermöglichen es Unternehmen, erneuerbare Energien zu nutzen und sich gegen Energiepreisrisiken abzusichern. Gleichzeitig stellen diese langfristigen Stromlieferverträge die Unternehmen vor neue Herausforderungen, weshalb sich bereits vor Abschluss eines solchen Vertrags mit den Auswirkungen auf Bereiche wie Accounting und Risikomanagement auseinandergesetzt werden sollte.

Derzeit befasst sich das International Accounting Standard Board (IASB) mit der bilanziellen Abbildung von PPAs und hat im März 2024 ein Staff Paper hierzu veröffentlicht. Viele Unternehmen hoffen auf eine Anpassung der relevanten Paragrafen im Standard, um zukünftig eine Bilanzierung zum Fair Value und den damit verbundenen Schwankungen in der GuV leichter vermeiden zu können. Hierbei geht es insbesondere um die Fragestellungen, wann die Own Use Exemption nach IFRS 9.2.4 greift, beziehungsweise ob die Verträge als Derivate bilanziert werden und eine entsprechende Bewertung erfolgen müssen. Aber auch unabhängig davon, ob im Rahmen der Quartals- und Jahresabschlüsse eine Bewertung der PPAs erforderlich ist, sollte schon vor Vertragsabschluss ein fairer Preis für eine fundiertere Verhandlung ermittelt werden. Doch die Bewertung von PPAs kann Unternehmen aufgrund der individuellen Vertragsausgestaltungen, der langen Laufzeiten und der variablen Stromproduktion vor Herausforderungen stellen.

Stolperstein 1: Individuelle Vertragsausgestaltung

Die Vertragsausgestaltung legt den Grundstein für die spätere bilanzielle Abbildung des Vertrags und beeinflusst daher auch die anzuwendende Bewertungsmethodik. Für die Bilanzierung von PPAs stehen je nach Vertrag die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Anwendung der Own Use Exemption nach IFRS 9.2.4 und 9.2.6
  • Bilanzierung einzelner Vertragskomponenten als eingebettete Derivate nach IFRS 9.4.3.1
  • Bilanzierung des gesamten Vertrags als Derivat gemäß IFRS 9
  • Anwendung von Hedge Accounting
  • Einstufung des Vertrags als Lease gemäß IFRS 16
  • Vollkonsolidierung nach IFRS 10

Erfolgt eine Bilanzierung als (eingebettetes) Derivat, so wirkt sich dies beispielsweise auf den für die Modellkalibrierung anzusetzenden Stichtag sowie die Erfassung eines sog. Day One Gain or Loss aus (IFRS 13.64, IFRS 9.B4.3.3). Zudem bedarf es bei eingebetteten Derivaten einer gesonderten Betrachtung, insbesondere sofern vertraglich ein Einheitspreis für Strom und Herkunftsnachweise und keine separat definierten Einzelpreise vereinbart wurden.

Neben den Vertragspreisen müssen bei der Bewertung von PPAs weitere vertragsspezifische Faktoren wie beispielsweise Technologie, Settlement (physisch/finanziell), Lieferprofil, Laufzeit, Verfügbarkeit und Standort der Anlagen, Umgang mit Herkunftsnachweisen, Vergütungsklauseln und die Gegenpartei berücksichtigt werden. So können die definierten Vergütungsklauseln beispielsweise eine simulationsbasierte Bewertung anstelle eines deterministischen Ansatzes oder eine erhöhte Granularität des Modells erfordern, um die erwarteten Cashflows abbilden zu können. Es bedarf daher zunächst einer Identifikation aller im Vertrag enthaltenen bewertungsrelevanten Parameter und Klauseln, um diese anschließend sachgerecht modellseitig abbilden zu können.

Stolperstein 2: Lange Vertragslaufzeiten

Power Purchase Agreements gehen oftmals mit einer vergleichsweise langen Vertragslaufzeit von mehreren Jahren oder Jahrzehnten einher. Um den Vertrag bewerten zu können, müssen die damit verbundenen Cashflows für den gesamten Lieferzeitraum abgeschätzt werden. Dies erfordert entsprechend eine Price Forward Curve, die ausreichend weit in die Zukunft reicht. Daher unterscheidet sich die für die Bewertung herangezogene Datenbasis oftmals zwischen der liquiden Phase, also dem Zeitraum, in dem Stromfutures liquide börslich gehandelt werden, und der illiquiden Phase. Für die liquide Phase können die börslich quotierten Preise als bester Schätzer für die Entwicklung des Strompreises herangezogen werden. Da solche quotierten Preise für die illiquide Phase nicht verfügbar sind, ist eine entsprechende Strompreismodellierung erforderlich. Die Prognose von Strompreisen ist komplex, da verschiedenste Annahmen, unter Anderem hinsichtlich Erzeugungskapazitäten und Ausbau der erneuerbaren Energien, Wetterdaten sowie regulatorischer Vorgaben, in das Modell einfließen müssen. Es ist daher entscheidend, einen etablierten Anbieter mit passenden Modellannahmen sowie ausreichender Granularität in den Output-Daten zu wählen, um eine geeignete Prognose der Strompreise zu erhalten. Für die Bewertung von PPAs ist zudem entscheidend, inwiefern Inflationsannahmen in den Fundamentalmodellen und den Strompreisreports berücksichtigt werden. Die Strompreisprognosen des Fundamentalmodells können zudem dafür genutzt werden, die quotierten Preise der liquiden Phase auf die benötigte Granularität zu bringen. Oftmals bieten die Anbieter zudem analoge Reports für die Preisentwicklung der Herkunftsnachweise an.

Bei der Verwendung eines Fundamentalmodells im Rahmen der Bewertung handelt es sich gemäß der Fair Value Hierarchie des IFRS 13 um unbeobachtbare Daten, die den Level 3 Inputs zuzuordnen sind. Gemäß IFRS 13.93 muss daher im Anhang über die Strompreis-Sensitivitäten der Fair Values berichtet und weiterführende Angaben getätigt werden. Es empfiehlt sich daher, die Berechnung von Sensitivitäten direkt im Bewertungsmodell zu berücksichtigen.

Stolperstein 3: Variable Stromproduktion

Eine weitere Besonderheit von erneuerbaren Energie-Anlagen ist die wetterabhängig variable Stromproduktion. Oftmals wird bei PPAs eine Stromlieferung gemäß „pay as forecasted“ oder „pay as produced“ vereinbart. Anders als bei einer Baseload-Lieferung muss in diesen Fällen noch das individuelle Lieferprofil bei der Schätzung der zukünftigen Cashflows sowie gegebenenfalls anfallende Ausgleichsenergiekosten berücksichtigt werden.

Die unterjährig schwankenden Produktionsvolumina können modellseitig entweder durch eine hinreichend hohe Granularität der Cashflows (mindestens stündlich) oder die Verwendung von Capture Prices bei der Berechnung der erwarteten Cashflows abgebildet werden. Bei Capture Prices handelt es sich um die volumengewichteten Durchschnittspreise, die eine Anlage voraussichtlich in einem gewissen Zeitraum erzielt. Sie werden in der Regel entweder direkt von den Anbietern der Fundamentalmodelle bereitgestellt oder können mithilfe sogenannter Capture Rates aus den Baseload-Preisen berechnet werden.

Beide Vorgehensweisen erfordern zunächst einen anlagenspezifischen Produktionsforecast. Einige Anlagenbetreiber stellen im Rahmen der Vertragsverhandlungen bereits ein Ertragsgutachten zur Verfügung. Wird seitens des Anlagenbetreibers kein Produktionsforecast in ausreichender Granularität bereitgestellt, so kann aus historischen Produktions- und Wetterdaten ein eigener Forecast abgeleitet werden. Hierbei ist es essenziell, den Standort der Anlage und den Anlagentyp zu berücksichtigen sowie eine ausreichende Historienlänge zu verwenden. Sofern verfügbar empfiehlt es sich auf die Produktionsdaten der im Vertrag spezifizierten Anlage abzustellen. Diese Zeitreihe kann zudem für ein Backtesting des eigenen Forecasts genutzt werden, sobald eine ausreichende Historie an Produktionsdaten vorliegt. Bei der Prognose der Stromproduktion gilt es außerdem Degradation, also eine Leistungsminderung der Anlage über die Laufzeit, zu berücksichtigen. Analog zu den Fundamentalmodellen handelt es sich bei den Produktionsforecasts um Level 3 Daten gemäß der Fair Value Hierarchie des IFRS 13, sodass diese ebenfalls entsprechend im Anhang gewürdigt werden müssen.

Zusammenfassung

Power Purchase Agreements stellen für Unternehmen ein effektives Instrument dar, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und sich gegen Strompreisrisiken abzusichern. Die großen Freiräume in der Ausgestaltung der Stromabnahmeverträge bieten zudem die Möglichkeit, die Verträge an die unternehmenseigenen Bedürfnisse anzupassen. Gleichzeitig wird die Würdigung und Analyse der Auswirkungen der Vertragsausgestaltung auf die bilanzielle Abbildung und der damit verbundenen Bewertung hierdurch komplexer. Daher gilt es die für den Abschluss von Strombezugsverträgen verantwortlichen Mitarbeiter für die weitreichenden bilanziellen Auswirkungen zu sensibilisieren und bereits während der Vertragsverhandlungen eine vollumfängliche und abteilungsübergreifende Analyse der einzelnen Klauseln vorzunehmen. Die für die Bewertung von Power Purchase Agreements relevanten Vertragsabschnitte gilt es zu identifizieren und das verwendete Bewertungsmodell entsprechend aufzusetzen, das gegebenenfalls schon in der Verhandlungsphase wertvolle Erkenntnisse beisteuern kann. Zudem sind eine Vielzahl von Inputdaten und Parametern erforderlich, die stichtagsgetreu in das Modell eingepflegt werden müssen. Hierbei ist auf eine hinreichende Datenqualität, sowohl für die initiale Kalibrierung des Modells als auch für die Folgebewertungen, zu achten. Die Bewertung von Power Purchase Agreements stellt folglich eine vielschichtige und interdisziplinäre Berechnung dar, die sowohl durch die Accounting-Einschätzung als auch durch die Besonderheiten der erneuerbaren Energien getrieben wird.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 142, April 2024
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG 
Yannic Diefenbach, Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Jeannine Widawski, Assistant Managerin, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG