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Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist in Deutschland das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb anwendbar. Das sogenannte Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG) geht zurück auf eine Verständigung der EU-Mitgliedstaaten, andere Staaten dazu anzuhalten, international verabredete Standards für Transparenz, einen fairen Steuerwettbewerb sowie Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und -verschiebung (BEPS) umzusetzen.

EU-Blacklist wird zweimal jährlich aktualisiert

Dazu gehört, dass Hoheitsgebiete, die diese Standards verfehlen und sich nicht zu entsprechenden Nachbesserungen verpflichten, auf eine sogenannte Blacklist der EU kommen. Dabei handelt es sich um eine Liste nichtkooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke, sogenannten Steueroasen.

Die EU-Blacklist wurde erstmals im Dezember 2017 veröffentlicht und wird halbjährlich im Februar und Oktober aktualisiert. Das StAbwG bezieht sich allerdings nicht direkt auf die EU-Blacklist, sondern auf die Steueroasenabwehrverordnung (StAbwV). Diese Verordnung wird regelmäßig zum Ende eines Jahres an die EU-Blacklist aus Oktober angeglichen.

Durch entsprechende regelmäßige Veränderungen der StAbwV stehen deutsche Unternehmen vor der Herausforderung, Geschäftsvorfälle, Zahlungsströme und Geschäftsbeziehungen laufend zu überprüfen und entsprechende steuerliche Verpflichtungen wahrzunehmen.

Denn für Unternehmen unabhängig von deren Größe oder Branche gilt: Bei Geschäftsvorgängen in oder mit Bezug zu Steueroasen greift ein Sanktionskatalog. Der Sanktionskatalog sieht grundsätzlich die Versagung eines Betriebsausgabenabzugs, eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, eine Quellenbesteuerung oder den Entfall von Steuerbefreiungen für Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen vor. Während Deutschland alle vom Rat der EU vorgeschlagenen Sanktionen in das Steueroasenabwehrgesetz aufgenommen hat, verzichten viele andere EU-Mitgliedsstaaten auf die Umsetzung von Quellensteuermaßnahmen.

Wird ein Steuerhoheitsgebiet in der StAbwV neu als Steueroase gelistet, gelten die Maßnahmen für dieses Land grundsätzlich ab dem Beginn des Folgejahres (beziehungsweise des Wirtschaftsjahres). Dabei ist für bestimmte Abwehrmaßnahmen ein Stufenmodell für die zeitliche Anwendung vorgesehen, so dass diese erst später gelten. Das Betriebsausgabenabzugsverbot gilt etwa erst ab Beginn des vierten Jahres nach Aufnahme der betreffenden Steueroase auf die Liste.

Zahlungen in Steueroasen

Deutsche Unternehmen müssen von bestimmten Zahlungen an Vertragspartner, die in einer Steueroase ansässig sind, Quellensteuern einbehalten. Die Quellensteuer beträgt 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und muss quartalsweise an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abgeführt werden. In der Praxis zeigt sich, dass die Quellensteuer als Kostenfaktor in den deutschen Unternehmen verbleibt. Die Folge: Die Übernahme der Steuer wird als Nettovereinbarung behandelt und erhöht den effektiven Steuersatz auf 17,82 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag.

Zahlungen aus Steueroasen

Für Beteiligungen an einer Gesellschaft in einer Steueroase gilt eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung. Entsprechend gilt eine ausländische Gesellschaft mit ihren sämtlichen Einkünften, die insgesamt einer niedrigen Besteuerung unterliegen, als Zwischengesellschaft, unabhängig davon, welche Einkünfte diese Gesellschaft erzielt oder ob sie den sogenannten Motivtest erfüllt. Eine Freigrenze bei gemischten Einkünften kommt für Steueroasen nicht zur Anwendung. Mit Blick auf die Hinzurechnungsvorschriften des Außensteuergesetzes (AStG) gilt: Es kommt jeweils die Norm zur Anwendung, die zur höheren Steuer führt, entweder die des AStG oder die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung nach StAbwG. Neben der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung entfallen nationale Beteiligungsprivilegien (§ 8b KStG) für Dividenden und Veräußerungsgewinne, die aus Steueroasen bezogen werden, und vergleichbare Befreiungen im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen.

Anforderungen an die Compliance und steuerliche Aufzeichnungspflichten

Das StAbwG sieht auch erhöhte Mitwirkungspflichten vor, darunter verschiedene Aufzeichnungspflichten. Außerdem muss das steuerpflichtige Unternehmen nach Aufforderung der Finanzbehörde die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt versichern und die Finanzbehörde bevollmächtigen, in seinem Namen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber den ausländischen Vertragspartnern geltend zu machen.

Hat das steuerpflichtige Unternehmen Mitwirkungspflichten verletzt, wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu den gelisteten Staaten entweder noch nicht erklärt wurden, aber vorhanden sind, oder bereits erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht kann also zur Annahme höherer steuerlicher Bemessungsgrundlagen führen. Hinzu kommt ein Zuschlag von 5.000 Euro, jedoch mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte. 

Weitere Auswirkungen von Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen

Wird ein Land von der EU als Steueroase gelistet, greifen nicht nur die Abwehrmaßnahmen des StAbwG. Auch in anderen Zusammenhängen wirkt sich die Aufnahme auf die Blacklist aus. So kann sie unmittelbar zu Mitteilungspflichten nach DAC6 führen, wenn im Rahmen einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung der Zahlungsempfänger in einer Steueroase ansässig ist. Darüber hinaus gibt es Auswirkungen auf das öffentliche Country-by-Country Reporting (Public CbCR) sowie die Corona-Überbrückungshilfen. 

Was Unternehmen jetzt beachten sollten

In der Praxis zeigt sich, dass viele Unternehmen die Regelungen des Steueroasenabwehrgesetzes noch nicht im Blick haben. Empfehlenswert ist die Durchführung einer Betroffenheitsanalyse anhand der Unternehmensdaten sowie die Identifizierung von Geschäftsbeziehungen und Zahlungsströmen, die von Abwehrmaßnahmen betroffen sein können.  

Aufgrund der Komplexität des Gesetzes sollten die identifizierten Geschäftsvorfälle steuerlich detailliert analysiert werden, um entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Dazu gehören die Anpassungen von Steuererklärungen, die Abgabe von Quellensteueranmeldungen, die Erfüllung der besonderen Aufzeichnungspflichten oder auch Umstrukturierungen.

Darüber hinaus können Compliance-Verstöße auch rechtliche Folgen und Sanktionen nach sich ziehen. Daher empfiehlt es sich, die Konsequenzen des Steueroasenabwehrgesetzes auch in ein Tax Compliance Management System zu integrieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der regelmäßigen Anpassung der EU-Blacklist und der StAbwV.

Darüber hinaus sollten Unternehmen auch die Entwicklungen der sogenannten EU-Greylist – in der die Hoheitsgebiete aufgeführt sind, die noch nicht alle internationalen Standards erfüllen, aber die Umsetzung von Reformen zugesagt haben – im Sinne eines Frühindikators beobachten und in bestehende Compliance-Systeme einarbeiten. Denn wer in den Anwendungsbereich des StAbwG kommt, wird nicht nur mit umfangreichen Abwehrmaßnahmen sowie Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten konfrontiert, sondern auch mit streitigen Rechtsfragen. 

Praxiserfahrungen

Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass insbesondere die Quellensteuerabzugsverpflichtung erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen hat und häufig unentdeckt bleibt. Dabei ist die Quellensteuer ein Kostenfaktor, der die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen kann. Zu beachten ist, dass grundsätzlich jede einzelne Transaktion per Quellensteueranmeldung zu übermitteln (und damit sehr zeitaufwendig) ist. 

In der Praxis beobachtet man bereits die Anwendung von Vereinfachungen, indem z.B. mehrere Transaktionen, die zu einer Geschäftsbeziehung gehören, in einer Quartalsmeldung zusammengefasst werden. Zwar können inzwischen Quellensteueranmeldungen elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt werden, allerdings wird die Handhabung der bereitgestellten Formulare als wenig intuitiv und der Prozess als fehleranfällig beschrieben.

Viele Rechtsfragen zum Steueroasenabwehrgesetz sind noch offen. Das ändert auch das BMF-Schreiben vom 14.06.2024 wenig.

Das BMF vertritt nun im Vergleich zur Entwurfsfassung des Schreibens die Auffassung, dass öffentlich-rechtliche Leistungsbeziehungen sowie mit diesen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehenden, obligatorischen Nutzungs- und Leistungsbeziehungen nicht in den Anwendungsbereich des StAbwG fallen. Dabei hat das BMF hauptsächlich Gebühren für die Durchfahrt durch den Panama-Kanal sowie damit zusammenhängende Dienstleistungen (u.a. Schlepper) im Blick.

In Bezug auf die Quellensteuerpflicht sei nach Auffassung des BMF nicht zu beanstanden, wenn bereits vor der regelmäßig zum Ende des Jahres erfolgenden Anpassung der StAbwV an die EU-Blacklist keine Quellensteuer für Geschäftsbeziehungen zu Steuerhoheitsgebieten einbehalten und abgeführt wird, wenn das betreffende Steuerhoheitsgebiet von der EU-Blacklist genommen wurde (und dann erwartungsgemäß auch in der zu beschließenden StAbwV nicht mehr aufgeführt wird).

Für die gesteigerten Mitwirkungspflichten führt das BMF auf, dass diese nur in Verbindung mit einer (anderen) Abwehrmaßnahme (§§ 8-11 StAbwG) Anwendung finden. Zudem beanstandet das BMF nicht, wenn die Mitwirkungspflichten für das Jahr 2022 erst bis zum 31.12.2024 erfüllt werden (reguläres Fristende: 31.12.2023).

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Unser Expert:innen-Team untersützt Sie gerne – von einer erstmaligen Betroffenheitsanalyse, der detailgenauen Identifizierung von Zahlungsströmen und Geschäftsbeziehungen bis zur konkreten Datenermittlung und der Meldung an die Behörden. Sprechen Sie uns an, wir beantworten Ihnen gerne Ihre Fragen.

Publikationen

Maßnahmen gegen Steueroasen

Ein Überblick


EU Defensive measures against non-cooperative jurisdictions for tax purposes

Ein Überblick von KPMG’s EU Tax Centre (auf Englisch)

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