Instrumente und systemseitige Unterstützung

Unternehmen betreiben Handel – auf nationaler wie internationaler Ebene mit Auswirkungen und Risiken unterschiedlichster Art. Oftmals werden Risiken im Handelskontext auf internationaler Ebene konnotiert, beispielsweise Währungsschwankungen oder politische Unsicherheiten. Doch auch auf nationaler Ebene gibt es entsprechende Herausforderungen und so macht beispielsweise das Risiko der Leistungserfüllung oder des Zahlungsausfalls weder vor nationalen noch vor internationalen Handelsbeziehungen halt.

Um diese Risiken zu minimieren, greifen Unternehmen oftmals auf Avale und Akkreditive zurück –analog einem Devisentermingeschäft zur Absicherung von Kursschwankungen. Diese beiden Begrifflichkeiten (Avale und Akkreditive) fassen wir unter dem Begriff Trade Finance zusammen.

Durch den Einsatz von Trade Finance-Instrumenten können Handelsgeschäfte nicht nur abgesichert, sondern gegebenenfalls auch finanziert werden. Nachfolgend möchten wir daher sowohl oftmals vorgefundene Trade Finance-Instrumente vorstellen als auch auf die systemseitige Abbildung der entsprechenden Prozesse eingehen.

Trade Finance-Instrumente

Unter dem Oberbegriff Avale werden oftmals Bürgschaften und Garantien als gängige Instrumente zusammengefasst.

Bürgschaft
Die Bürgschaft, eine einseitige Verpflichtung, verpflichtet den Bürgen (zum Beispiel die bürgende Bank) zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Begünstigten. Diese Erfüllung tritt allerdings nur ein, sofern der Schuldner seine Verpflichtungen nicht (vollständig) erfüllen kann. Bürgschaften kommen häufig im Zuge von Mietbürgschaften oder Kreditbürgschaften vor.

Garantie
Bei einer Garantie handelt es sich um eine schriftliche Vereinbarung zwischen einem Garanten (zum Beispiel Bank) und dem Begünstigten (zum Beispiel Käufer einer Ware). Der Schuldner (Verkäufer der Ware) beauftragt den Garanten mit der Erstellung einer Garantie. Diese Garantie sichert den Begünstigten ab, sofern die vertraglich vereinbarten Pflichten durch den Verkäufer nicht erfüllt werden. Diese Absicherung gilt auch dann noch, sofern der Schuldner nicht mehr zahlungsfähig sein sollte. Verantwortlich hierfür ist der rechtlich selbstständige Charakter der Garantie, unabhängig vom Hauptschuldverhältnis zwischen Schuldner und Begünstigten.

Garantien können unterschiedliche Ausgestaltungen haben. So sind beispielsweise Erfüllungsgarantien, Gewährleistungsgarantien, Anzahlungsgarantien, Zahlungsgarantien, Zollgarantien, oder auch Mietgarantien nur einige der vielzähligen gängigen Garantiearten. Hinsichtlich der Laufzeit sind Garantien ebenfalls flexibel gestaltbar.

Akkreditiv
Bei einem Akkreditiv handelt es sich um ein Zahlungsinstrument mit Sicherungsfunktion. Hierbei ist eine Bank zur Zahlung verpflichtet, sobald die vertraglich vereinbarten Dokumente (zum Beispiel Lieferschein) entsprechend vorgelegt werden. Hierfür beantragt der Schuldner (Käufer der Ware) die Eröffnung eines Akkreditivs bei der ausstellenden Bank. Diese wiederum gibt dem Begünstigten (Verkäufer der Ware) ein abstraktes Zahlungsversprechen. Gleichzeitig werden die vorzulegenden Unterlagen und deren Ausgestaltungsform (zum Beispiel unterzeichneter Lieferschein) vertraglich im Akkreditiv festgelegt. Der Begünstigte reicht diese Dokumente bei der avisierenden Bank ein, welche die Dokumente überprüft. Sofern die Prüfung erfolgreich war, wird die Zahlung auf das Konto des Begünstigten veranlasst. In weiteren Schritten findet die Weitergabe der Dokumente an die ausstellende Bank sowie die Belastung des Kontos des Schuldners statt.

Akkreditive sind in ihrer Form unterschiedlich gestaltbar. So gibt es Möglichkeiten die Übertragbarkeit eines Akkreditivs zu ermöglichen oder einzuschränken. Außerdem wird zwischen Sichtakkreditiven und Nachsichtakkreditiven unterschieden: Bei Sichtakkreditiven erfolgt die Zahlung unmittelbar nach Vorlage der vereinbarten Dokumente, bei Nachsichtakkreditiven erfolgt die Zahlung zeitlich verzögert.

Forfaitierung
Eine Erweiterung der klassischen Trade Finance-Instrumente stellt die Forfaitierung dar. Hierbei veräußert der Begünstigte (Verkäufer der Ware) seine Forderung abzüglich der Gebühren an eine Forfaitierungsgesellschaft (zum Beispiel eine Bank). Die Bank ist nun der neue Begünstigte und erhält die Zahlung vom Schuldner (Käufer der Ware). Der Vorteil für den Verkäufer liegt in der unmittelbaren Begleichung der Verbindlichkeiten durch die Bank.

Digitale Abbildung von Trade Finance-Instrumenten und -Prozessen

Unternehmen haben in der Regel mehrere der vorgenannten Instrumente im Gebrauch. Außerdem befinden sich Unternehmen oftmals auf beiden Seiten – als Begünstigter und als Schuldner. In Kombination mit einer hohen Anzahl an Avalen und Akkreditiven sowie oftmals manuellen und papierbasierten Prozessen führt dies zu Ineffizienzen und hoher Ressourcenbindung in Unternehmen. Hinzu kommt, dass Unternehmen nicht immer einen zentralen Überblick über den aktuellen Bestand haben, da die entsprechenden Instrumente oftmals dezentral bearbeitet werden. Um diese Herausforderungen zu lösen, greifen Unternehmen oftmals auf systembasierte Unterstützung zurück. Je nach Anforderungen und Umfang der Funktionalitäten, erfolgt dies mittels eines Treasury Management Systems oder in eigenen Trade Finance Systemen.

Sofern es rein um die Abbildung des Bestandes geht, kann sowohl ein Treasury Management System als auch ein Trade Finance System bestens geeignet sein. Ein eigenes Trade Finance System hingegen wird meist implementiert, wenn Unternehmen zudem die folgenden Punkte umsetzen möchten:

  • Abbildung von Workflows:
    Dies umfasst sämtliche Schritte von der Beantragung eines Instruments, über die Freigabe bis hin zur Schließung des Avals oder Akkreditivs.
  • Automatisierung von Prozessen:
    Sofern Unternehmen den gesamten Workflow eines Avals bzw. Akkreditivs systemseitig abgebildet haben, können auch Automatisierungen des Prozesses umgesetzt werden. So ist es beispielsweise systemseitig möglich, einen Garantieantrag ohne die Freigabe eines weiteren Mitarbeiters im Unternehmen an die Bank zu kommunizieren, sofern die definierten Parameter eingehalten werden. Hierbei agiert das System gemäß dem Vier-Augen-Prinzip. Die Parameter können beispielsweise lauten:
    • Der Begünstigte befindet sich in einer vorgegebenen Liste oder befindet sich in einem der vergebenen Länder bzw. in keinem der ausgeschlossenen Länder
    • Es wird ein Standardtext verwendet
    • Der Garantiebetrag ist unterhalb eines definierten Limits
    • Auf der ausgewählten Garantielinie ist ein vorgegebener Mindestbetrag verfügbar, auch nach Ausstellung der Garantie
    • Der Antrag ist gemäß der hinterlegten Regeln vollständig ausgefüllt
    • Darüber hinaus können individuelle Checks durchgeführt werden, bevor der Garantieantrag freigeben wird

In diesen Fällen wird die beantragte Garantie nach Erstellen der Anfrage im System durch den Antragssteller automatisch an die Bank kommuniziert. Eine zweite Person zur Freigabe des Antrags wird nicht benötigt, da dieser Part vom System übernommen wird. Die von der Bank erhaltene Antwort kann das System ebenfalls automatisch verarbeiten und sorgt hierdurch für eine signifikante Ressourcenentlastung auf Unternehmensseite.

  • Kommunikation mit Banken:
    Dies umfasst die Weiterleitung des Garantieantrags an die Banken und die Verarbeitung der Bankenantwort im System. Das Trade Finance System benötigt hierfür einen entsprechenden Kommunikationskanal (zum Beispiel EBICS, SWIFT, DVS, Web-Interfaces mit Banken).
  • Berechnung von Gebühren:
    Avale und Akkreditive weisen oftmals eine Vielzahl von unterschiedlichen Gebühren auf. Durch ein Trade Finance System können sowohl klassische Garantiegebühren als auch Bereitstellungsgebühren oder individuelle Gebühren berechnet werden. Oftmals sind Gebühren auch an einen Mindestbetrag geknüpft, welchen das System berücksichtigt. Hinzukommen unterschiedliche Berechnungsmethoden je Bank. Hierzu folgendes Beispiel für eine quartärliche Gebührenbelastung: 

    Eine Garantie wurde am 12. August erstellt, es werden quartärliche Garantiegebühren vereinbart. Nun ergeben sich folgende Möglichkeiten:
    • Die quartärliche Gebühr wird erstmals anteilig zum 30. September und anschließend immer zum Ende eines Kalenderquartals fällig.
    • Die quartärliche Gebühr wird erstmals am 12. November fällig, also genau ein Quartal nach Ausstellungsdatum und dieser Rhythmus wird beibehalten. 

Um diese unterschiedlich gestalteten Gebühren sachgerecht berechnen zu können, wird oftmals auf ein eigenes Trade Finance System zurückgegriffen. Hierdurch behalten Unternehmen auch bei einer Vielzahl von Avalen und Akkreditiven mit unterschiedlichen Kostenstrukturen stets den Überblick über die korrekten Gebühren. Ein weiterer Vorteil der systemgestützten Lösung liegt in der jederzeit verfügbaren Kalkulation künftiger Gebühren. Auf Basis der hinterlegten Gebührenparameter kann das System die künftigen Zahlungen zu den jeweiligen Zeitpunkten berechnen bzw. prognostizieren.

In der nachfolgenden Übersicht werden jährlich anfallenden Garantiegebühren unter Berücksichtigung der beispielhaft aufgeführten, marktüblichen Gebührensätze für den jeweiligen Garantiebetrag (in EUR) aufgezeigt.

  Garantiegebühren p. a. in EUR

Garantiebetrag

0,25%

0,50%

1,00%

2,00%

3,00%

1.000.000

2.500

5.000

10.000

20.000

30.000

10.000.000

25.000

50.000

100.000

200.000

300.000

100.000.000

250.000

500.000

1.000.000

2.000.000

3.000.000

1.000.000.000

2.500.000

5.000.000

10.000.000

20.000.000

30.000.000

Hieraus wird ersichtlich, dass Unternehmen für ausgestellte Garantien im Umfang von 100 Millionen EUR, bei einer jährlichen Gebühr von 1%, Gebühren i. H. v. 1 Million EUR an die Vertragsbanken entrichten müssen.

Ein weiterer Aspekt in diesem Kontext liegt auf den bereits ausgelaufenen aber noch nicht ausgebuchten Garantien. Sofern mit der Bank nicht vertraglich vereinbart, müssen ausgelaufene Garantien vom Unternehmen aktiv zurückgegeben werden. Hierzu ist eine entsprechende Kommunikation mit der Bank notwendig, damit diese die Garantie ausbucht und den Garantiebetrag wieder der verfügbaren Garantielinie gutschreibt. Sofern dies nicht geschieht und ausgelaufene Garantien nicht ausgebucht werden, bezahlen Unternehmen weiterhin die anfallenden Gebühren an die Bank. Trade Finance Systeme unterstützen auf zwei Wegen: Durch die zentral verwaltete Übersicht aller im Bestand befindlichen Geschäfte können ausgelaufene Garantien jederzeit angezeigt werden; Außerdem unterstützt das System durch entsprechende Systemmeldungen bzw. E-Mailbenachrichtigungen.

Nachfolgend wird aufgezeigt, welche Beträge im Falle von ausgelaufenen, aber nicht zurückgegebenen Garantien bereits nach wenigen Tagen zum Nachteil der Unternehmen berechnet werden. In der untenstehenden Übersicht werden die anfallenden Garantiegebühren (in EUR) über einen Zeitraum von 18 Tagen, unter Berücksichtigung der beispielhaft aufgeführten Gebührensätze, für den jeweiligen Garantiebetrag (in EUR) aufgezeigt.

  Garantiegebühren für 18 Tage in EUR

Garantiebetrag

0,25%

0,50%

1,00%

2,00%

3,00%

1.000.000

125

250

500

1.000

1.500

10.000.000

1.250

2.500

5.000

10.000

15.000

100.000.000

12.500

25.000

50.000

100.000

150.000

1.000.000.000

125.000

250.000

500.000

1.000.000

1.500.000

Hieraus wird ersichtlich, dass ein Unternehmen für bereits ausgelaufene Garantien i. H. v. 10 Mio. EUR und einem Gebührensatz von 1 % pro Jahr für eine 18 Tage verspätete Ausbuchung einen Mehraufwand von 5 TEUR zu entrichten hat.

Sofern eine Ausbuchung von bereits ausgelaufenen Garantien jedes Quartal 18 Tage verspätet angestoßen wird, ergeben sich die nachfolgenden Beträge, welche ein Unternehmen pro Jahr (vier Quartale) zu viel an Banken bezahlt.

  Garantiegebühren für 4 Quartale für jeweils 18 Tage in EUR

Garantiebetrag

0,25%

0,50%

1,00%

2,00%

3,00%

1.000.000

500

1.000

2.000

4.000

6.000

10.000.000

5.000

10.000

20.000

40.000

60.000

100.000.000

50.000

100.000

200.000

400.000

600.000

1.000.000.000

500.000

1.000.000

2.000.000

4.000.000

6.000.000

Wird das vorhergehende Beispiel auf vier Quartale erweitert, so ergibt sich für das Unternehmen ein vermeidbarer Mehraufwand i. H. v. 20 TEUR pro Jahr.

Diese Zahlen zeigen eindeutig auf, dass die Absicherung mittels Avalen und Akkreditiven stets mit Kosten verbunden ist – Bankgebühren aber auch Personalkosten innerhalb des Unternehmens. Daher ist es umso wichtiger, dass die dahinterliegenden Prozesse transparent gestaltet sind. Werden diese oftmals noch manuellen Prozesse zudem in einem Trade Finance System abgebildet, nutzen Unternehmen das vorhandene Optimierungspotenzial bestmöglich aus. Denn nur durch digital abgebildete Prozesse können Unternehmen Ressourcen effizient einsetzen und somit die Mitarbeiter entlasten. Durch den Einsatz von digitalen Lösungen können Mitarbeiter jederzeit auf sämtliche Daten zugreifen, unabhängig des Arbeitsortes – im Büro, im Homeoffice oder auf Geschäftsreise. Somit wird auch die Bearbeitung von Avalen und Akkreditiven ortsunabhängig. Außerdem unterstützen Trade Finance Systeme bei der Ermittlung und Überprüfung von Gebühren. Hierbei wird sichergestellt, dass Unternehmen nur die tatsächlich angefallenen Gebühren entrichten, sowie, dass ausgelaufene Garantien rechtzeitig geschlossen werden und Unternehmen somit bares Geld sparen.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 136, September 2023
Autoren:
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Maximilian Gschoßmann, Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG