Im vergangenen Geschäftsjahr konnten wir vielfach in Treasury- Abteilungen den erstmaligen Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten zur Risikosteuerung beobachten. Diese neu abgeschlossenen Sicherungsgeschäfte stellten die Accounting Abteilungen zum Geschäftsjahresende vor die Herausforderung der daraus folgenden erstmaligen Bilanzierung. In diesem Artikel werden Erkenntnisse daraus geteilt.
Aufgrund der steigenden Zinsen kam es zur ökonomischen Steuerung der Zinsrisiken besonders häufig zum erstmaligen Abschluss von Zinssicherungsinstrumenten wie Zinsswaps und/oder Zinsoptionen in der Ausgestaltung von Zinscaps und Zinsfloors. Besteht ein oder mehrere variabel verzinste Darlehen in einem steigenden Marktzinsumfeld, so kann es ökonomisch absolut sinnvoll sein, den Zinssatz für das Unternehmen über einen Zinsswap zu fixen oder das Risiko mit einem Cap zu begrenzen. Auch wurden Währungssicherungsinstrumente in Form von Devisentermingeschäften und Fx-Optionen vermehrt erstmalig abgeschlossen. Unternehmen können diese Instrumente nutzen, um ihre Risiken gegenüber Wechselkursschwankungen im Ein- und Verkauf zu reduzieren und dadurch die Planungssicherheit zu erhöhen.
Allerdings ist bei erstmaligem Abschluss von derivativen Finanzinstrumenten im Unternehmen neben der ökonomischen auch die bilanzielle Perspektive als eine zentrale Rolle zu erachten.
Derivative Finanzinstrumente können freistehend bilanziert werden oder unter Berücksichtigung der Vorgaben des IFRS 9 im Hedge Accounting designiert werden. Bei freistehenden Derivaten werden die Marktwertveränderungen über den Lebenszyklus des Derivats vollständig in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Eine Designation im Hedge Accounting führt hingegen dazu, dass die Wertänderungen der Sicherungsinstrumente entweder erfolgsneutral im Other Comprehensive Income erfasst werden (Cash-Flow Hedge Accounting/Net Investment Hedges) oder Grund- und Sicherungsgeschäft der gleichen Bilanzierungsmethodik unterliegen und sich somit in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgleichen (Fair Value Hedge Accounting) In Folge reduziert die Anwendung von Hedge Accounting die Ergebnisvolatilität im Geschäftsjahr und ist somit eine vielfach präferierte Bilanzierungsmethodik im Vergleich zur freistehenden Bilanzierungsoption. Zur Anwendung von Hedge Accounting ist jedoch sicherzustellen, dass die formalen Anforderungen des IFRS 9.6.4.1 erfüllt sind, Sicherungsinstrumente und Grundgeschäfte im Sinne des IFRS 13 sachgerecht bewertet werden können und beispielsweise durch Testcases eine korrekte bilanzielle Erfassung sichergestellt ist. Darüber hinaus sind zusätzliche umfangreiche Anhangangaben im Sinne des IFRS 7.21ff. zu generieren.
Im Folgenden werden Praxisbeispiele aus der Einführung von Hedge Accounting dargestellt, welche zeigen, welche Herausforderungen das Spannungsfeld der ökonomischen Sicherung und wesentlicher fehlerhafter Bilanzierungen mit sich bringen:
- Bewertung von derivativen Finanzinstrumenten
Um derivative Finanzinstrumente korrekt bilanziell zu erfassen, ist eine entsprechende Infrastruktur zur Bewertung erforderlich, welche in der Verantwortlichkeit klassischerweise in der Treasury-Abteilung liegt. Die Notwendigkeit einer Bewertungsmöglichkeit von derivativen Finanzinstrumenten im Unternehmen gilt unabhängig davon, ob Hedge Accounting angewendet wird oder nicht. Selbst schlichte Instrumente wie Devisentermingeschäfte erfordern eine sachgerechte Ermittlung des Fair Values unter Berücksichtigung von zum Bewertungsstichtag aktuellen Marktdaten und einer entsprechenden sachgerechten Methodik (optimalerweise Treasury-Managementsystem mit entsprechender Bewertungsfunktionalität). Vereinfachte Ansätze wie beispielsweise die Umrechnung des Far Legs eines Devisentermingeschäfts mit dem Spotkurs ohne Berücksichtigung einer Diskontierung sind nicht ausreichend und können insbesondere in einem Umfeld mit erhöhten Zinssätzen zu wesentlichen Bewertungsunterschieden führen. Darüber hinaus fordert der IFRS 13 eine Ermittlung des Kreditausfallrisikos für das Derivateportfolio, welches mit CDS-Spreads oftmals kaum frei verfügbare Marktdaten bedarf. Die Ermittlung des Kreditausfallrisikos ist auch im Hinblick auf die Anwendung des Hedge Accounting und somit als notwendige Datenzulieferung für die Accounting-Abteilung relevant. Unterliegt das Sicherungsinstrument im Sinne des Hedge Accounting einem Kreditausfallrisiko, so ist im Rahmen der Effektivitätsermittlung dem Grundgeschäft kein Kreditausfallrisiko zuzuweisen. Um dies seitens der Accounting-Abteilung angemessen abbilden zu können, muss das Kreditausfallrisiko daher auf Ebene der einzelnen Sicherungsbeziehung bestimmbar sein. Weiterhin ist für eine Bilanzierung im Hedge Accounting nach IFRS 9 relevant, dass Bewertungen von Fx-Sicherungsinstrumenten zwischen Spot- und Forwardkomponenten unterscheiden können.1 Hintergrund ist, dass einzelne Bestandteile der Forwardkomponente (beispielsweise die Fremdwährungsbasis) in der Regel nicht im Grundgeschäft enthalten ist und somit entweder als Ineffektivität oder bei entsprechender Designation separat im OCI II (Cost of Hedging Reserve) zu erfassen ist, während der effektive Teil der Spot-Komponente erfolgsneutral im OCI I (Cash Flow Hedge Reserve) erfasst wird. Entsprechend bedarf es zur adäquaten Verarbeitung in der Accounting-Abteilung der entsprechenden Zulieferung der relevanten Information durch die Treasury-Abteilung. - Zinssicherungen mit Anschlussfinanzierung
Ökonomisch kann es seitens der Treasury-Abteilung als sinnvoll erachtet werden mittels Zinssicherungsgeschäften die aktuelle Finanzierung sowie antizipative Grundgeschäfte abzusichern. Ein Beispiel ist die Sicherung einer bereits fest kontrahierten Finanzierung einschließlich Anschlussfinanzierung (Forecast Debt Issuance), die durch einer variablen Verzinsung einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt ist. Besteht die Absicht diese Sicherungsbeziehung im Hedge Accounting zu bilanzieren, so ist zu beachten, dass die fest kontrahierte Laufzeit der Finanzierung eine kürzere Laufzeit aufweist als das Sicherungsinstrument. Für den Teil der Forecast Debt Issuance ist demnach ein Nachweis zu erbringen, dass der Eintritt zum Designationszeitpunkt sowie über die Laufzeit als hoch wahrscheinlich angesehen wird (vgl. IFRS 9.6.3.3 i. V. m. IFRS 9.B6.5.27(b)).2 Sollte dieser Nachweis seitens der Treasury-Abteilung zu Beginn oder während der Sicherungsbeziehung nicht (mehr) erbracht werden können so ist durch die Accounting Abteilung Hedge Accounting umgehend aufzulösen und die Buchungssystematik entsprechend anzupassen. - Abweichende Abschlussdaten zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft (Zins)
Bei Abschluss des Derivats sowie der Finanzierung ist seitens der Treasury-Abteilung für eine möglichst standardmäßige Umsetzung von Hedge Accounting darauf zu achten, dass die relevanten wertbestimmenden Parameter, wie beispielsweise die Zinszahlungstermine, der Referenzzinssatz oder die Zinsberechnungsmethode bei beiden übereinstimmen und keine Übersicherung vorliegt. Der Abschluss eines Zinsswaps kann dabei zeitgleich mit dem zugrunde liegenden Darlehen erfolgen. In der Praxis erfolgt allerdings oft der nachgelagerte Abschluss eines Zinsswaps zur Sicherung eines bestehenden variablen Darlehens. In solchen Fällen ist für eine möglichst effektive Sicherungsbeziehung darauf zu achten, dass die Parameter wie Zinszahlungstermine, Laufzeit, Nominal etc. zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft konsistent sind. Sollten die wertbestimmenden Parameter nicht übereinstimmen, kann die sogenannte Critical Terms Match Methode nicht zur prospektiven Effektivitätsmessung verwendet werden. Dann bedarf es zur Durchführung von Hedge Accounting eines quantitativen Nachweises des ökonomischen Sicherungszusammenhangs.3 Ein Beispiel für einen solchen quantitativen Nachweis ist die hypothetische Derivate Methode, welche analog der unter 1) ausgeführten Inhalten eine entsprechende Bewertungsinfrastruktur bedarf. Diese Methodik ermöglicht die Effektivitätsmessung durch den Vergleich der Wertänderungen des Sicherungsinstruments mit der Wertänderung des abgesicherten Grundgeschäfts, das durch das hypothetische Derivat abgebildet wird. In der Praxis wird für das hypothetische Derivat häufig ein Spiegel des Sicherungsinstruments verwendet. Zu beachten gilt es, dass das hypothetische Derivat nur Eigenschaften des Grundgeschäfts in Form des abgesicherten Risikos enthalten darf. Somit enthält es in der Regel kein Kreditausfallrisiko und darf zum Designationszeitpunkt keinen Marktwert aufweisen. Bei abweichenden Parametern des hypothetischen Derivats bedarf es daher, der Kalibrierung zum Designationszeitpunkt auf 0 EUR, in dem das fixe Leg entsprechend angepasst wird. Die aus dem bestehenden abweichenden kalibriertem Leg entstehenden Ineffektivität ist fortlaufend während der Sicherungsbeziehung zu ermitteln und entsprechend durch die Accounting-Abteilung erfolgswirksam zu erfassen.
Fazit
Für eine erfolgreiche Anwendung von Hedge Accounting ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Treasury-Abteilung und der Accounting-Abteilung eines Unternehmens entscheidend.
Während die Treasury-Abteilung sicherstellt, dass das ökonomische Risiko von Grund- und Sicherungsgeschäft konsistent sind sowie die Derivatebewertung zur Verfügung stellt, sorgt die Accounting-Abteilung dafür, dass die Sicherungsinstrumente und Grundgeschäfte korrekt in der Bilanz erfasst werden. Um die Bearbeitung der umfangreichen Anforderungen des IFRS 9 zur Anwendung von Hedge Accounting als auch weitergehend des IFRS 7 zum Ausweis der Sicherungsbeziehungen sicherzustellen, ist es unerlässlich, dass die Abteilungen eine etwaige Einführung von Hedge Accounting als gemeinschaftliches Projekt erachten. Nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Treasury-Abteilung und der Accounting-Abteilung sowie klarer Aufgabenverteilung, kann sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Hedge Accounting erfüllt und eine korrekte Bilanzierung erfolgen kann. Optimalerweise sollte bereits vor dem Abschluss von Derivaten im Unternehmen zwischen den Abteilungen eine entsprechende Abstimmung erfolgen, um sicherzustellen, dass die Sicherungsstrategien auch bilanziell entsprechend abgebildet werden können. Das Finanz- und Treasury Management Team steht Ihnen dabei gerne unterstützend für die notwendigen Schritte zur Implementierung von Hedge Accounting im Unternehmen zur Verfügung.
Quelle: KPMG Coporate Treasury News, Ausgabe 133, Juni 2023
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Marie Czentarra, Managerin, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
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1 IFRS 9.6.5.15(c)
2 Die Formulierung „hoch wahrscheinlich“ wird in den IFRS nicht eindeutig definiert. Nach Ansicht der Literatur muss eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mindestens 90 % vorliegen, damit die Transaktion als hoch wahrscheinlich angesehen werden kann (vgl. KPMG Insights into IFRS (2022/2023), Tz. 7.9.430.20).
3 KPMG Insights into IFRS (2022/2023), Tz. 7.9.830.100
Ralph Schilling
Partner, Financial Services, Leiter Finanz- und Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft