Wie bereits in früheren Corporate Treasury Newslettern erwähnt, nimmt das öffentliche Verlangen von nachhaltigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft in Anbetracht des voranschreitenden Klimawandels deutlich zu. Insbesondere dem Bankensektor wird bei diesem Prozess eine besondere Rolle zugesprochen, da Banken durch gezielte Kreditvergaben den Schritt in eine grünere Zukunft mit einleiten können. Immer häufiger werden Kreditvergaben deshalb von ökologischen, sozialen und Faktoren der Unternehmensführung abhängig gemacht, so genannten ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance). Unternehmen sind sich der Relevanz des Nachhaltigkeitsaspektes sowie der damit einhergehenden Veränderung mehr und mehr bewusst. So kann unabhängig von erschwerten Bedingungen bei der Finanzmittelaufnahme die Ablehnung einer solchen nachhaltigen Transformation ernsthafte operationelle Nachteile nach sich ziehen. Viele Unternehmen nutzen deshalb jetzt die Chance, „grünere Projekte“ umzusetzen. Die Finanzierung dieser Projekte erfolgt dabei häufig mithilfe von ebenfalls „grünen“ Finanzierungsformen, deren Mittel ausschließlich in nachhaltige Projekte investiert werden dürfen. Green Bonds, Green Loans und Grüne Schuldscheine sind nur einige Beispiele für solche Finanzierungsinstrumente, die von einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen emittiert werden.
Dieser Artikel widmet sich beispielhaft der Bilanzierung eines Sustainability Linked Bonds (SLB) gemäß IFRS aus Sicht eines Emittenten. SLBs sind eine besondere Art von grünem Finanzierungsinstrument, dessen Nachhaltigkeitskriterien bzw. -ziele, die an diesen Bond geknüpft werden, die finanziellen und/oder strukturellen Eigenschaften des SLBs verändern können. So kann beispielsweise das Verfehlen eines vereinbarten Nachhaltigkeitsziels die Zinslast eines emittierenden Unternehmens deutlich erhöhen und sich gegebenenfalls bilanziell auf den Effektivzins bzw. die fortgeführten Anschaffungskosten auswirken. Des Weiteren kann es je nach vertraglicher Ausgestaltung vorkommen, dass mit dem SLB ein eingebettetes Derivat emittiert wird. Nach IFRS 9 wäre das Unternehmen dann gegebenenfalls verpflichtet, das eingebettete Derivat in Abhängigkeit einer Trennungspflicht separat vom Bond zu bilanzieren. Bei der bilanziellen Erfassung eines SLBs muss daher zunächst geprüft werden, ob überhaupt ein eingebettetes Derivat vorliegt und anschließend, ob dies gemäß IFRS 9 separat zu bilanzieren ist. Eine grundsätzliche Voraussetzung besteht dabei zunächst darin, dass wir es bei dem SLB mit einem hybriden Finanzierungsinstrument zu tun haben, das bilanziell nicht zum Fair Value folgebewertet wird. Ist dies der Fall, so muss in einem ersten Schritt gemäß der nachfolgenden Abbildung geprüft werden, ob grundsätzlich ein eingebettetes Derivat vorliegt.
Abb. 1: Graphische Darstellung der Definitionsmerkmale eines Derivates nach IFRS 9.A
Quelle: KPMG AG, in Anlehnung an IFRS 9.A
Wenn ein eingebettetes Derivat identifiziert wird, geht es im zweiten Schritt um die Prüfung, ob das eingebettete Derivat separat bilanziert werden muss oder eng mit dem Basisvertrag verbunden ist, wodurch keine separate Bilanzierungspflicht bestünde. Der IFRS 9 liefert allerdings keine allgemeine Definition, die eine enge Verbundenheit zum Basisvertrag näher beschreibt. Es gibt jedoch gewisse Merkmale, die auf eine enge Verbundenheit hinweisen. Hierzu gehört beispielweise, dass sowohl der Basisvertrag als auch das eingebettete Derivat in Abhängigkeit der gleichen Risikofaktoren stehen.
Anhand der nachfolgenden Beispielfälle soll verdeutlicht werden, welche kritischen Kriterien respektive Fragestellungen zu prüfen sind, um die Frage nach einer bilanziellen Separierung eines eingebetteten Derivats zu beantworten. Im Wesentlichen geht es dabei um die Prüfung einer finanziellen vs. nicht-finanziellen Variablen und ob letztere spezifisch für das emittierende Unternehmen ist (siehe Prüfschema oben) sowie um die Verbundenheit des eingebetteten Derivats zum Basisvertrag. Die Fragen nach der (geringen) Anfangsinvestition sowie der Begleichung des Produkts zu einem späteren Zeitpunkt in der Zukunft nehmen wir aus Vereinfachungsgründen an dieser Stelle jeweils als erfüllt an.
Fall 1:
Unternehmen A emittiert einen 7-Jahre SLB mit einem 3%-Coupon p.a. und möchte die Finanzierungsmittel aus der Emission nutzen, um ihre CO2-Emissionen zu senken. Schafft Unternehmen A es ihre Emissionen bis zum Ende von Jahr 3 um 20% zu senken, so verringert sich der Zinscoupon um 50 Basispunkte. Falls nicht, wird der Coupon um 50 Basispunkte erhöht.
Die CO2-Emissionen von Unternehmen A stellen keine finanzielle Variable dar und sind folglich nicht-finanzieller Natur. Hieraus ergibt sich weiterführend die Frage, ob die nicht-finanzielle Variable spezifisch Unternehmen A zugeordnet werden kann. Da die CO2-Emissionen von Unternehmen A nur durch Unternehmen A beeinflusst werden können und eben nicht durch externe Einflüsse, sind die Emissionen spezifisch Unternehmen A zuzuordnen. In der Konsequenz besteht diesem Fall keine Verpflichtung zur Trennung eines eingebetteten Derivats.
Fall 2:
Unternehmen B emittiert einen SLB mit einer Laufzeit von 5 Jahren. Der Coupon beläuft sich auf 2% p.a.. Gleichzeitig wird vereinbart, die Verzinsung an die Performance des Natur-Aktien-Indexes anzupassen. Steigt der Index in einem Jahr um 4%, wird die Verzinsung um 20 Basispunkte verringert. Andernfalls wird der Zins um 20 Basispunkte erhöht.
Anders als in Fall 1 ist hier festzustellen, dass sich die Wertänderungen aufgrund eines Indexes ergeben, welcher als eine finanzielle Variable erachtet werden kann. Damit handelt es sich in dem vorliegenden Fall um ein eingebettetes Derivat. Hinsichtlich der Prüfung einer separaten Bilanzierungspflicht kann festgehalten werden, dass der Bond grundsätzlich einem Zinsrisiko unterliegt, während die Veränderung des Natur-Aktien-Indexes ein Aktienkursrisiko darstellt. Die Eigenschaften dieses Derivats sind demnach nicht eng mit dem Basisvertrag verbunden. Das eingebettete Derivat ist somit trennungspflichtig und muss gemäß IFRS 9 als freistehendes Derivat erfolgswirksam zum Fair Value bilanziert werden.
Fazit
Wie anhand der beiden dargestellten Beispielfälle verdeutlicht werden sollte, ist nicht immer sofort ersichtlich, ob neben dem emittierten Finanzierungsinstrument auch ein eingebettetes, gegebenenfalls trennungspflichtiges Derivat emittiert worden ist. Dies bedingt stets eine ausgiebige Vertragsanalyse und kann ‒ so haben es bereits mehrere andere Beispiele in der Praxis gezeigt ‒ von nur einer Variablen abhängen. Wenn Sie also die Emission eines zum Beispiel Sustainability Linked Bonds oder eines ähnlichen grünen Finanzierungsinstrumentes planen, sollten Sie bereits vor Vertragsunterzeichnung die bilanziellen Folgen in Gänze berücksichtigen. Das Team von KPMG steht Ihnen dabei gerne zur Seite und bietet Ihnen eine unabhängige Beratung bei der Ausgestaltung Ihrer Finanzierungsinstrumente an.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 133, Juni 2023
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Dr. Christoph Lippert, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Ralph Schilling
Partner, Audit, Head of Finance & Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft