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Nachhaltigkeit und ökologischer Fußabdruck bei Produkten und Dienstleistungen können beworben werden, müssen es aber nicht. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Richtigkeit der kommunizierten Angaben. Diese können stimmen  - tun es aber nicht immer. Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 stellte fest, dass 53,3 Prozent der untersuchten Umweltangaben bei Produkten und Dienstleistungen in der Europäischen Union (EU) vage bis irreführend und sogar 40 Prozent schlichtweg substanzlos waren.

Gegen Werbung, die Produkte, Dienstleistungen und das Unternehmen selbst umweltfreundlicher darstellt, als sie eigentlich sind, damit Konsument:innen in die Irre führt und eine echte nachhaltige Transformation der Wirtschaft behindert, hat die EU-Kommission am 23. März 2023 einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht. 

Die Richtlinie über Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben („Green Claims Directive“) soll Transparenz schaffen und Konsument:innen die Gewissheit geben, dass etwas, was als umweltfreundlich beworben wird, es auch tatsächlich ist. Verbraucher:innen sollen auf Basis nachvollziehbarer Angaben bewusste Kaufentscheidungen treffen können. Zudem soll die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Marktteilnehmer gestärkt werden, die sich um eine erhöhte Umweltverträglichkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen bemühen. Damit leistet die Richtlinie einen Beitrag zur Umgestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft entsprechend den Forderungen des „EU-Green Deals“. Außerdem trägt sie zu dem Vorhaben bei, das europäische Verbraucherrecht zu aktualisieren und ergänzt bereits bestehende EU-Regelungen, sowohl im Bereich des Verbraucherschutzes als auch in Bezug auf Umweltstandards.

Umfangreiche Vorgaben für die Verwendung umweltbezogener Bezeichnungen

Der Richtlinienvorschlag nimmt alle Unternehmen in die Pflicht, die freiwillige Angaben über die Umweltauswirkungen, -aspekte oder -leistungen ihrer Produkte, Dienstleistungen oder das Unternehmen selbst machen und dabei Bezeichnungen verwenden, die nicht von der EU definiert sind, wie beispielsweise „ozeanfreundlich“ oder „klimaneutral“. 

Unternehmen müssen zunächst eine Bewertung („Assessment“) durchführen, das die Grundlage für etwaige umweltbezogenen Angaben darstellen soll. Dabei ist klarzustellen, ob sich die Aussage auf das gesamte Produkt, einen Teil des Produktes oder spezifische Aspekte des Produktes bezieht. Die Angaben müssen durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein und dürfen nur angeführt werden, wenn die umweltbezogenen Vorteile des Produkts über die gesetzlich erforderlichen Anforderungen hinaus gehen. Sofern positive Umwelteinflüsse beworben werden, dürfen diese nicht durch etwaige negative Nebeneffekte wieder revidiert werden. Das Ziel: Verbraucher:innen sollen ein vollständiges Bild über die gesamte Umweltbilanz erhalten. 

Auch bei den in der Werbung beliebten Vergleichen macht die EU-Kommission Vorgaben. Wird eine Aussage getroffen, die das beworbene Produkt umweltfreundlicher als andere Produkte darstellt, muss sichergestellt werden, dass eine gleichwertige Informations- und Datenlage für den Vergleich herangezogen wird. 

Damit Umweltzeichen, die den Verbraucher:innen geprüfte Nachhaltigkeitsstandards versprechen, auch tatsächlich zuverlässig sind, müssen diese zukünftig den EU-Vorgaben hinsichtlich Transparenz und wissenschaftlicher Bewertungsmethodik entsprechen. 

Die Verbraucher:innen sollen bestmöglich befähigt werden, um die Umweltpotenziale des Produkts erkennen zu können. Bezieht sich daher die Umweltangabe auf die Nutzung des Endprodukts, müssen die Unternehmen die Konsument:innen informieren, wie das Produkt zu verwenden ist, um die Umweltvorteile zu erzielen. Weiterhin sollen Informationen über Umweltangaben den Verbraucher:innen in Form eines Weblinks oder abgedruckten QR-Codes zugänglich gemacht werden. 

Regelmäßige Überprüfung der Angaben

Alle Angaben und deren Nachweise sind vor der Veröffentlichung einer akkreditierten Prüfungsstelle („verifier“) vorzulegen. Diese unabhängige Instanz soll sicherstellen, dass die von dem Unternehmen gemachten Angaben den Vorgaben der Richtlinie entsprechen und dafür eine Konformitätsbescheinigung ausstellen. Darüber hinaus müssen die umweltbezogenen Angaben von den Unternehmen anlassbezogen aktualisiert und spätestens nach fünf Jahren auf deren Richtigkeit überprüft werden. 

Einzig ausgenommen von den Regelungen und Pflichten dieser Richtlinie sind Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Angestellte haben und deren jährlicher Umsatz zwei Millionen Euro nicht überschreitet. Für kleine und mittlere Unternehmen sollen die Mitgliedsstaaten sowohl finanzielle Mittel als auch Schulungs- und organisatorisch-technische Unterstützung anbieten, damit diese die Vorgaben der Richtlinie umsetzen können.

Die Mitgliedsstaaten sind angehalten, für die Überwachung zuständige Behörden („competent authorities“) einzurichten. Diese sollen die Richtigkeit der umweltbezogenen Angaben und Umweltzeichen regelmäßig überprüfen. Dafür sollen sie mit umfangreichen Rechten ausgestattet werden. Dazu gehören die Aufforderung zur Herausgabe von und Einsichtnahme in Dokumente, Daten und Informationen, die Anweisung von Abhilfemaßnahmen, die Verhängung von Strafmaßnahmen und die Veröffentlichung von Verstößen. Das Prinzip von „Naming und Shaming“ findet somit auch Eingang in diese Richtlinie. Weitere vorgesehene Strafmaßnahmen bei Verstößen sind 

  • Bußgelder, deren Höhe sich an den durch den Verstoß erzielten wirtschaftlichen Vorteilen bemisst und bei wiederholten Verstößen gesteigert wird, 
  • die Abschöpfung der Gewinne, die mit den betroffenen Produkten erzielt wurden sowie 
  • der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und Unterstützungsleistungen für bis zu zwölf Monate.

Wann sind die Änderungen zu erwarten und was ist zu tun?

Bevor die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden kann, muss sie noch das EU- Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Daran anschließend haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in ihr nationales Recht zu integrieren und zusätzlich sechs weitere Monate, bis die Bestimmungen tatsächlich in Kraft treten. 

Es bleibt abzuwarten, wie Prüfschemata und Begriffsdefinitionen konkret ausgestaltet werden. Unternehmen sollten sich jedoch bereits jetzt darauf einstellen, dass die Zuverlässigkeit ihrer freiwilligen Umweltangaben kritisch überprüft wird und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Richtigkeit und Belegbarkeit ihrer umweltbezogenen Bezeichnungen sicherzustellen. 

Eine Studie des Deutschen Instituts für Compliance zum Thema interne Untersuchungen aus dem Jahr 2022 zeigte, dass über 74 Prozent der teilnehmenden Unternehmen erwarten, dass ESG-Themen zukünftig an Bedeutung bei internen Untersuchungen gewinnen werden. Die EU-Kommission greift somit mit ihrem Richtlinienvorschlag ein Thema auf, das für deutsche Unternehmen sowohl bezüglich der Prävention als auch hinsichtlich der Detektion und Aufklärung von Verstößen relevant sein wird.

Für Fragen rund um dieses Thema stehen Ihnen die Expert:innen von KPMG gern zur Verfügung.

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