Zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Zweck beginnen Unternehmen eigentlich mit dem Aufbau einer spezifischen Treasury Funktion?

Pauschal kann man feststellen, dass dies ab einer gewissen Komplexität im Finanzbereich der Fall ist. Diese ist entweder bedingt durch Marktpreisrisiken, die aus entsprechender Geschäftstätigkeit resultieren, oder durch einen signifikanten Umfang, der im Cash Management zu bewältigen ist. Es liegt dann in der Verantwortung der für das Thema Finanzen verantwortlichen Person im Vorstand, den Aufbau einer Treasury Funktion so umzusetzen, dass diese effektiv ist und zumindest (!) einer gesetzlichen Qualitätsprüfung standhält. Die Fragen, ob die verschiedenen Finanzfunktionen noch zukunftsfähig sind oder ob eine Optimierung oder ein Ausbau der Funktionen erforderlich ist, stellen sich auch Unternehmen mit längst etablierten und kompetent aufgestellten Finanzbereichen in wiederkehrenden Zyklen. Mögliche Auslöser für solche Überlegungen sind zum Beispiel ein angestrebter Börsengang oder eine Ausgliederung einer Einheit aus dem Konzern (Carve-Out oder Spin-Off).

Dieser Artikel setzt sich mit den Herausforderungen beim „Auf- und Ausbau einer modernen Treasury Funktion“ aus der gesetzgeberischen und regulatorischen Perspektive auseinander und beantwortet die Frage, welche Sorgfaltspflichten die Geschäftsführung zu beachten hat. Diesbezüglich werden im letzten Teil des Artikels einige Ausprägungen aus der Praxis angeführt.

  1. Die gesetzgeberischen und regulatorischen Mindestanforderungen an die Treasury Funktion und drohende Strafen im Falle einer Verletzung von einschlägigen Sorgfaltspflichten ergeben sich aus einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen.

Für börsennotierte Kapitalgesellschaften ist insbesondere das Aktiengesetz (AktG) maßgeblich. Dieses regelt Anforderungen zu Risikomanagementsystemen und Frühwarninstrumenten. Der Paragraf § 91 Absatz (2) verpflichtet den Vorstand des Unternehmens zur Einrichtung eines Überwachungssystems, das Gefahren frühzeitig erkennen kann. Somit sollen sowohl ein Risikofrüherkennungssystem als auch ein Risikomanagementsystem vorhanden sein. Konkret für das Treasury implizieren diese gesetzlichen Regelungen, dass Liquiditätsplanungsprozesse und Finanzrisikomanagementprozesse benötigt werden. Des Weiteren wird die Notwendigkeit eines Compliance Management Systems und die konkreten Anforderungen an dieses definiert.

Im Mai 2021 hat der Deutsche Bundestag den Paragrafen § 91 AktG mit dem Beschluss des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FisG) um einen Absatz (3) verlängert und damit explizit die Verpflichtung des Vorstands zur Errichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems (IKS) sowie Risikomanagementsystems (RMS) zum Ausdruck gebracht1. Durch das am 01. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz wurden neben dem AktG auch viele weitere bereits bestehende Gesetze angepasst, mitunter auch vor dem Hintergrund des Bilanzfälschungsskandals bei Wirecard. So wurden auch Auskunftsrechte (zum Beispiel gegenüber dem Prüfungsausschuss oder der Finanzaufsicht) erweitert, sodass Unternehmen von nun an darauf vorbereitet sein müssen, konkrete Nachweise zur Existenz eines IKS sowie RMS zu erbringen.

Das Handelsgesetzbuch (HGB) gilt bekanntlich grundsätzlich für alle Kaufleute. Die Absätze (2) und (4) aus § 289 bzw. (2) und (4) aus § 315 definieren Risikomanagementziele und -methoden. Mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) wurden bereits 1998 Erweiterungen und Präzisierungen der Vorschriften des Handelsgesetzbuches und des Aktiengesetzes vorgenommen mit dem Ziel, die Corporate Governance, also die Verantwortung der Steuerung und Verwaltung deutscher Unternehmen auszuweiten. Wesentlich war hier insbesondere, dass die Leitung eines Unternehmens dazu verpflichtet wird, nicht nur ein unternehmensweites Risikofrüherkennungssystem einzuführen und zu betreiben, sondern auch Angaben zu den Risken im Lagebericht zu tätigen.

Die Insolvenzverordnung regelt in § 17 den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit. Diese ist folglich gegeben, wenn der Schuldner aktuell nicht in der Lage ist, und auch innerhalb von drei Wochen voraussichtlich nicht in die Lage versetzt wird, 10% oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen. Dieser Zustand begründet die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit (Gegenstand von §18) besteht, wenn der Schuldner zwar aktuell noch zahlungsfähig ist, aber künftige Zahlungsverpflichtungen mit den aktuell vorhandenen liquiden Mitteln nicht beglichen werden können. Um dies zu erkennen ist also eine Liquiditätsplanung unabdingbar. Nach § 15a ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Wird dies versäumt, so entsteht der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung, der weitreichende zivilrechtliche Folgen mit sich bringen kann.

Unternehmen, die aus verschiedenen Ländern der Welt importieren oder exportieren, müssen sich an Ein- oder Ausfuhrembargos halten. Diese verbieten es den Unternehmen mit bestimmten Ländern, und somit in diesen Ländern ansässigen Unternehmen Import- und Exportgeschäft zu betreiben. Das Handelsembargo ist die häufigste Form eines Embargos. Laut Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) basieren Embargos in der Regel auf Beschlüssen der Vereinten Nationen (UN-Sicherheitsrat), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder gemeinsamen Standpunkten des Rates der EU. Sie werden durch Verordnungen der Europäischen Union (EU) umgesetzt, die unmittelbar für alle EU-Unternehmen gelten. Parallel dazu werden sie in nationales Recht übertragen, in Deutschland beispielsweise in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Im europäischen Raum sind die EU-Verordnungen 2580/2001, 881/2002 und 83/2011 die maßgeblichen Finanzsanktionsvorschriften. Handel oder geschäftliche Beziehungen mit sanktionierten Personen, Unternehmen oder Ländern sind grundsätzlich strafbar. Bei Nichtbeachtung muss mit hohen Geldstrafen oder sogar Haftstrafen gerechnet werden. Aufgrund dessen müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Geschäftspartner nicht auf Sanktionslisten und Adresslisten von Embargo-EU-Verordnungen zu finden sind. In Deutschland ist für die Umsetzung von Finanzsanktionen das Servicezentrum Finanzsanktionen der Deutschen Bundesbank zuständig. Dieses verfügt über einen Maßnahmenkatalog, der von Verfügungs- und Bereitstellungsverboten (das heißt das „Einfrieren von Geldern“) über Einschränkungen des Zahlungsverkehrs bis zu Meldepflichten reicht. Nach den Paragrafen § 18 und § 19 des Außenwirtschaftsgesetztes (AWG) können Verstöße gegen Finanzsanktionen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden.

In diesem Zusammenhang ist außerdem das Geldwäschegesetz (GwG) zu nennen. Unter Geldwäsche versteht man die Integration illegal erworbener Gelder oder Vermögenswerte in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf. Ein Verstoß gegen das GwG ist laut § 261 des Strafgesetzbuchs (StGB) eine Straftat und kann mit Freiheitsstrafen geahndet werden. Zur Prävention von Geldwäsche müssen Unternehmen interne Regelwerke, Richtlinien und Kontrollmechanismen definieren, um Geldwäsche durch effektive und unumgängliche Maßnahmen zu bekämpfen, wie zum Beispiel die Due-Diligence-Prüfung (§ 3 GwG), die eine obligatorische Überprüfung von sämtlichen Geschäftspartnern vorschreibt.

Geht ein Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit Personen oder Organisationen auf Sanktions- oder Embargolisten ein, drohen hohe Strafzahlungen. Zur Prävention sollte die Compliance Abteilung klare Strukturen, geeignete Kontrollen und transparente Prozesse etablieren. Die Sorgfaltspflicht für das Schaffen von hierfür benötigten Rahmenbedingungen liegt wiederum beim Vorstand.

2. Über die gesetzlichen Vorschriften hinaus beschäftigt sich seit 2001 die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) mit auf dem Leitbild des ehrbaren Kaufmanns aufbauenden Grundsätzen, Empfehlungen und Anregungen für den Vorstand und den Aufsichtsrat und richtet sich insbesondere an börsennotierte Unternehmen.

Die Mitglieder der Regierungskommission werden vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) berufen und überprüfen die Standards ihres Kodex einmal jährlich (so befindet sich die aktualisierte Fassung 2022 aktuell im Entwurfsstadium).

Im Hinblick auf die Treasury Funktion rücken insbesondere die Grundsätze 4 & 5 in den Fokus. Grundsatz 4 besagt, dass es für einen gewissenhaften Umgang mit den Risiken des Unternehmens eines geeigneten und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems bedarf. Weiter besagt Grundsatz 5, dass der Vorstand für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und interner Richtlinien sorgen muss. Dies erfordert also einen wirksamen Compliance-Prozess. Des Weiteren ist auf die Informationsversorgung des Vorstands und des Aufsichtsrats hinzuweisen. In diesem Kontext ist insbesondere Grundsatz 15 relevant. Der Vorstand ist demnach in der Pflicht, den Aufsichtsrat über Entwicklungen hinsichtlich der Risikolage, des Risikomanagements, sowie der allgemeinen unternehmerischen Strategie und Ihrer gesetzlichen Compliance zu informieren. Aufgrund dessen sind wirksame Systeme und ein etablierter regelmäßiger Reporting-Prozess an den Vorstand unabdingbar. Auch hinsichtlich des Jahresabschlussprüfungsprozesses ist die Wirksamkeit und Gesetzeskonformität der Kontroll- und Risikomanagementsysteme höchst relevant, denn auch der Abschlussprüfer prüft und beleuchtet rechnungslegungsrelevante Systeme. Mit weiteren Möglichkeiten, wie sich die Gruppe der Wirtschaftsprüfer in diese Fragestellungen einbringen und Verantwortung übernehmen kann, beschäftigt sich der folgende Abschnitt.

3. Damit Unternehmen mit den vorstehenden Herausforderungen rund um die Corporate Governance nicht allein gelassen werden, hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) diesem Themenkomplex auch verschiedene Prüfungsstandards gewidmet, die fortlaufend aktualisiert werden. Dadurch wird gewährleistet, dass im Markt ein einheitlicher Maßstab für die Gütebeurteilung von Finanzfunktionen angewendet wird.

Besonders hervorzuheben sind hier der IDW EPS 980 sowie der Serie aus dem IDW PS 981, IDW PS 982 und IDW PS 983. Diese Serie bezieht sich im Allgemeinen auf die Prüfung von Corporate Governance Systemen. Der Prüfungsstandard 980 betrifft die Ausgestaltung und Prüfung von Compliance Management Systemen (CMS) und wurde im Oktober 2021 umfassend überarbeitet. Berücksichtigt werden nun neue Rechtsprechungen, Verlautbarungen und Entwicklungen im Bereich Compliance. Der Prüfungsstandard 981 widmet sich den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Prüfung von Risikomanagementsystemen und bezieht sich auf Paragraf § 107 Absatz (3) AktG. Der Prüfungsstandard 982 widmet sich der Überprüfung des internen Kontrollsystems sowie des internen und externen Berichtswesens. Er bezieht sich auf die Kerngeschäfts – sowie Unterstützungsprozesse und ihre Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen. Zuletzt ist der Prüfungsstandard 983 zu nennen, welcher sich auf die Prüfung interner Revisionssysteme bezieht.

4. Beispielhafte Zeitachse zur Umsetzung der Mindestanforderungen vor und nach einem Börsengang und führende Ausprägungen aus der Praxis

Ein Börsengang, Carve Out oder Spin Off, bringt gewisse Mindestanforderungen an ein Unternehmen mit sich, um die adäquate Steuerung der Liquiditäts- und Finanzrisiken sowie die langfristige Finanzierung des Unternehmens sicherzustellen. Einen beispielhaften Überblick über diese Anforderungen auf einer Zeitleiste bietet die folgende Grafik:

Mindestanforderungen zum Stichtag des IPO

IPO

Eigene KPMG Darstellung, A. Redenz (Artikel „Corporate Governance bei Börsengängen“ erschienen im März 2022)

Das Hauptaugenmerk der Treasury Funktion liegt auf der finanziellen Stabilität und damit dem langfristigen und möglichst profitablen Fortbestand des Unternehmens. Um dies dauerhaft sicherzustellen ist die Planung der Liquidität kurz-, mittel- und langfristig notwendig. Die kurzfristige Liquiditätsplanung wird auch äquivalent als Cash Disposition bezeichnet, bei der ein Horizont von zwei bis fünf Tagen betrachtet wird. Die Cash Disposition dient der Optimierung des Cash Bestandes auf den vorhandenen Bankkonten und der exakten Feststellung, ob das Unternehmen kurzfristig überschüssige oder defizitäre Liquidität aufweist. Kurz- bis mittelfristig wird oftmals eine Planung von 13 Wochen wöchentlich rollierend gewählt. Dies begründet sich durch die Tatsache, dass ein Quartal gut plan- und messbar ist und somit temporäre Liquiditätslücken identifiziert und noch rechtzeitig vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit durch geeignete Maßnahmen geschlossen werden können. So wird das Risiko des absoluten Worst-Case-Szenarios, der resultierenden Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags, bestmöglich reduziert. Mittel- bis langfristig ist ein Planungshorizont von 12 Monaten monatlich rollierend zu empfehlen. Dieser Zeitraum folgt der praktischen Logik, mit der innerhalb eines Jahres die üblichen Geschäftsvorfälle mindestens einmal eintreten. Hier werden folglich die längerfristig planbaren Cash Ein- und Ausgänge betrachtet und im Hinblick auf eine möglicherweise strukturell herausfordernde Liquiditätssituation analysiert. Strukturelle Liquiditätslücken können so identifiziert und geschlossen werden. Die langfristige Finanzplanung findet über einen Horizont von 1-3 Jahren jährlich rollierend statt. Hier wird – üblicherweise durch das Controlling – die strategische Geschäftsentwicklung und ihre Auswirkungen auf die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens geplant.

Aus den gesetzlichen und regulatorischen Mindestanforderungen ergibt sich also nicht nur die Notwendigkeit der beschriebenen Corporate Governance Strukturen, sondern auch die obligatorische Implementierung eines effektiven Liquiditätsmanagements. Beide Anforderungsaspekte sind in den Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung fest verankert. Wie eingangs erwähnt, können sich Treasury Funktionen sehr deutlich in ihrer Komplexität unterscheiden. Diese Komplexität kann sowohl in der Existenz von signifikanten Marktpreisrisiken als auch in einem multidimensionalen Cash Management begründet sein. Die Auseinandersetzung mit den Anforderungen und die Implementierung von geeigneten Strukturen sollte also entsprechend der vorherrschenden Komplexität und zu einem rechtzeitigen Zeitpunkt vor einem „Day 1“ im Finanzbereich erfolgen.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 120, April 2022
Autoren: 
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, KPMG AG
Cornelius Bonz, Manager, Finance and Treasury Management, KPMG AG 

_____________________________________________________________________________________________________________________

AktG § 91 Abs. (3): „Der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft hat darüber hinaus ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem einzurichten.“